Historischer Triumph für Fabian Hambüchen: Der Reck-Weltmeister hat als erster deutscher Kunstturner seit 73 Jahren einen Mehrkampfsieg bei einem internationalen Championat gefeiert.

Der 21-Jährige von der TSG Niedergirmes setzte sich bei den Europameisterschaften in Mailand mit 89,175 Punkten vor Daniel Keatings aus Großbritannien (88,275) und dem Russen Juri Riasanow (88,200) durch. Mit 86,825 Zählern kam der deutsche Vizemeister Philipp Boy aus Cottbus auf einen überraschenden vierten Platz.

Dabei konnte sich der neue Champion Hambüchen sogar einen Sturz vom Barren und das Auslassen des Kolman-Saltos am Reck leisten. Bei diesem Element hatte der Olympiadritte am "Königsgerät" in der Qualifikation an der Reckstange vorbeigegriffen und damit das Finale am Sonntag verpasst. Als er das Seitpferd ohne Patzer verließ, richtete er seine Blicke gen Himmel und zeigte seine Fäuste.

"Ich habe immer von einem großen Mehrkampfsieg geträumt, jetzt hat es endlich geklappt", sagte Hambüchen, der am Sonntag am Boden, am Sprung und am Barren in drei weiteren Endkämpfen steht. Die entscheidenden Punkte sammelte Hambüchen besonders am Sprung und am Boden und profitierte überdies davon, dass keiner seiner Konkurrenten fehlerfrei durch die sechs Übungen kam.

Als letzter deutscher Kunstturner hatte Alfred Schwarzmann bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin eine Goldmedaille im Mehrkampf gewonnen. Hambüchen selbst stand bereits vor zwei Jahren in Amsterdam dicht vor dem EM-Gold, ehe er am letzten Gerät von dem in Mailand verletzungsbedingt fehlenden Maxim Dewiatowski aus Russland noch abgefangen wurde.

Nach dem ersten Gerät (Ringe) noch auf Rang sieben platziert, übernahm Hambüchen schon im zweiten Durchgang die Führung und gab sie bis zum Ende nicht mehr ab. Entscheidend für seinen Triumph war, dass er nach den Punktabzügen am Barren und am Reck kühlen Kopf bewahrte und mit einer nahezu perfekten Boden-Kür die Weichen endgültig auf Sieg stellte.

Mit einem Doppelerfolg für Russland und einem beachtlichen achten Platz für Anja Brinker war bereits am Nachmittag die Mehrkampf-Entscheidung der Frauen zu Ende gegangen, neue Titelträgerin wurde Ksenia Semjonowa. Mit 58,175 Punkten verwies die Stufenbarren-Weltmeisterin vor 7000 Zuschauern ihre Teamkollegin Ksenia Afanasjewa (57,600) auf den zweiten Platz. Die Bronzemedaille sicherte sich vor 5600 Zuschauern mit 57,275 Zählern Ariella Käslin aus der Schweiz.

Im Schatten der Medaillengewinnerin durfte die 18-Jährige Brinker aus Herkenrath mit ihrem Abschneiden und 55,425 Punkten sehr zufrieden sein. Nach dem ersten Durchgang und einer exzellenten Übung am Stufenbarren lag die Olympia-Teilnehmerin sogar an der Spitze, konnte diese Position aber erwartungsgemäß nicht halten. Auch die Tübingerin Kim Bui startete gut, zwei Stürze vom Schwebebalken warfen die 20-Jährige jedoch mit 54,375 Zählern auf Rang 16 zurück.

"Es war schön, einmal nach einem Durchgang an der Spitze zu stehen, aber an den anderen drei Geräten kann ich mit der Spitze noch nicht mithalten", sagte die angehende Abiturientin, die deshalb ihre Übungen bis zu den Welttitelkämpfen im Oktober in London aufstocken will. Für die Steigerung um zwei Plätze gegenüber der EM 2007 in Amsterdam kassierte Brinker ein Lob von Cheftrainerin Ulla Koch: "Ich bin sehr zufrieden mit ihr."