Hamburgs Führung bereitet Appell an Kiel vor, während viele Vereine sich um Sponsoren sorgen und einen reinen Tisch wollen.

Hamburg. Die Illusion war nur scheinbar perfekt. 60 Minuten lang hatten am Mittwoch in der Campushalle die Spieler das Handballgeschehen unter Kontrolle gehabt. Doch schon wenige Augenblicke nach dem Schlusspfiff des Viertelfinal-Hinspiels in der Champions League zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem HSV Hamburg (25:28) hatte das Handballgeschehen wieder die Kontrolle über die Spieler übernommen. Der Manipulationsskandal um Meister THW Kiel dämpfte die Hamburger Freude über den ersten Auswärtserfolg beim Nordrivalen spürbar.

"Wir wissen, dass wir für sauberen Sport stehen, das ist entscheidend", sagte Johannes Bitter kämpferisch. Der Nationaltorhüter war mit 18 Paraden Garant dafür gewesen, dass der HSV im Rückspiel am kommenden Freitag zum nächsten großen Wurf ausholen kann - dem erneuten Einzug ins Halbfinale der europäischen Eliteklasse. Die steht unter Generalverdacht, seit zu Monatsbeginn ruchbar wurde, dass sich die Kieler ihren Finaltriumph 2007 gegen Flensburg durch Schiedsrichterbestechung erkauft haben könnten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen THW-Manager Uwe Schwenker wegen Untreue und den damaligen Trainer Zvonimir Serdarusic wegen Beihilfe.

Mindestens sechs Verdachtsfälle hat der Europaverband EHF bereits einräumen müssen, fast täglich treten neue Indizien zutage. Welchen Flurschaden die Affäre hinterlassen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. "Es wird auf jeden Fall ein Makel bleiben", fürchtet Flensburgs Star-Linksaußen Lars Christiansen.

Entsprechend sehnlich ist der Wunsch der Vereine nach einem Schlussstrich unter der Affäre. Präsidium und Aufsichtsrat des HSV bereiten nach Abendblatt-Informationen einen Appell an Schwenker vor, Aufklärung zu betreiben und seine Ämter in der Bundesliga bis dahin ruhen zu lassen. Auch SG-Manager Fynn Holpert fordert "alle Beteiligten auf, Tabula rasa zu machen".

Viele Vereine werden von ihren Sponsoren bedrängt. "Unsere Partner stehen zu uns, aber sie sind nicht amüsiert", sagt HSV-Vizepräsident Dierk Schmäschke. Der Sportartikelhersteller Adidas, einer der führenden Geldgeber im Handball, überdenkt bereits sein Engagement, Kiels Hauptsponsor Provinzial schloss einen Rückzug in der "Hamburger Morgenpost" nicht aus. Vom THW gab es zur Sache nur eine dürre Presseerklärung, unterzeichnet von den Vereinsanwälten Gerald Goecke und Stefan Purrucker. Die "internen Aufklärungsbemühungen" hätten die Vorwürfe nicht bestätigt. Man gehe davon aus, innerhalb der nächsten Tage Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zu erhalten.

Dort dürften die Kieler wenig Erfreuliches zu lesen bekommen. Oberstaatsanwalt Uwe Wick betonte zwar auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, man sei von einer Anklage "zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch erheblich entfernt". Allerdings dürfte dies nach Abendblatt-Erkenntnissen eher eine zeitliche als eine inhaltliche Einschränkung sein: Die Aussagen der bisher vernommenen Zeugen sollen bereits ausreichend Anhaltspunkte für eine Anklage bieten.