Der Trainer spricht über die Woche auf Zypern, die auslaufenden Verträge von Trojan und Ludwig sowie den Millionentransfer von Nigel de Jong.

Abendblatt:

Herr Stanislawski, in den letzten Einheiten auf Zypern haben Sie Ihre Spieler noch mal hart rangenommen. Hätte der Spieler Stanislawski unter dem Trainer Stanislawski gestöhnt?

Holger Stanislawski:

Als Profi hätte ich den Trainer Stanislawski manchmal bestimmt verteufelt. Wobei ich immer ein sehr willensstarker Spieler war. Und wenn man diese enorm anstrengenden Einheiten erst mal überstanden hat, fühlt man sich unter der Dusche umso besser. Und obwohl es richtig zur Sache ging, habe ich schon den Eindruck, dass die Spieler wissen, warum sie hier so hart gearbeitet haben.



Abendblatt:

Wie ist Ihr Fazit des Trainingslagers?

Stanislawski:

Wir hatten optimale Bedingungen auf Zypern. Es hat alles reibungslos gekappt, mal abgesehen von der beschwerlichen Anreise, als wir spontan mit dem Zug statt mit dem Flugzeug nach Frankfurt mussten. Aber im Improvisieren waren wir immer erstklassig (vom Swimmingpool ist lautes Gegröle der Spieler zu hören, die Red.)...



Abendblatt:

... und offenbar gibt es nach einer Woche in Ayia Napa noch immer keinen Lagerkoller.

Stanislawski:

Den gibt es zwar nicht, aber man merkt schon, dass es Zeit wird, wieder nach Hamburg zurückzukehren. Die Spieler mussten bis zu drei Mal am Tag trainieren, haben bereits um 7.30 Uhr den ersten Lauf absolviert. Das schlaucht.



Abendblatt:

Hat sich jemand in dieser Woche hervorgetan?

Stanislawski:

Marc Gouiffe a Goufan hat in den beiden Testspielen gegen Kaiserslautern und Rapid Wien einen besonders guten Eindruck hinterlassen.



Abendblatt:

Hat Sie jemand auf Zypern enttäuscht?

Stanislawski:

Generell haben alle sehr gut mitgezogen. Aber natürlich sind die Profis, die verletzungsbedingt aussetzen mussten, nun etwas hinten dran. So wird die Zeit bis zum Rückrundenauftakt in Osnabrück für Alexander Ludwig, Björn Brunnemann und Rene Schnitzler schon knapp. Und auch Marcel Eger muss viel aufholen.



Abendblatt:

Alexander Ludwig und Filip Trojan haben sich immer noch nicht entschieden, ob sie ihren Vertrag verlängern wollen. Werden Sie ungeduldig?

Stanislawski:

Natürlich brauchen auch wir irgendwann Klarheit. Es wäre schon gut, wenn wir bis zum Spiel in Osnabrück die ein oder andere Personalie geklärt haben könnten. Es ist wichtig, dass dann Ruhe eingekehrt.



Abendblatt:

Was passiert, wenn es jetzt keine Entscheidung gibt?

Stanislawski:

Wir werden niemanden unter Druck setzen. Aber natürlich brauchen wir Planungssicherheit. Sollten wir bis zum Zeitpunkt X keine Klarheit haben, müssen wir uns eben mit anderen Kandidaten unterhalten.



Abendblatt:

Trojan möchte in den Medien nicht über seine Zukunft sprechen, hat aber im November öffentlich angekündigt, bis spätestens Anfang Dezember Gewissheit haben zu wollen.

Stanislawski:

Das zeigt doch nur, wie schwer er sich tut. Es ist doch kein Geheimnis, dass er irgendwann wieder zurück in die Bundesliga möchte. Aber er hat bei uns nun mal den Spaß am Fußball wiedergefunden. Filip hat sich in Hamburg toll entwickelt, fühlt sich auf St. Pauli pudelwohl. Aber gleichzeitig ist sein Ziel, irgendwann mal für die tschechische Nationalmannschaft nominiert zu werden. Und dieses Ziel kann er wahrscheinlich nur in der Bundesliga verfolgen.



Abendblatt:

Sowohl Trojan als auch Ludwig haben erklärt, dass für sie Ihre Vertragsverlängerung ein sehr positives Zeichen war. Können Sie den Joker "Stanislawski" noch gewinnbringend einsetzen?

Stanislawski:

Ich habe mit beiden Profis viele Gespräche geführt und werde auch weiter viel sprechen. Beiden ist wichtig, dass ich ihnen aufzeigen kann, was sie mit dem FC St. Pauli noch erreichen können. Aber irgendwann muss sich jeder auch mal entscheiden.



Abendblatt:

Offenbar entschieden hat sich HSV-Star Nigel de Jong, der wohl für rund 20 Millionen Euro kurz davor steht, zu Manchester City zu wechseln. Machen Sie derartige Summen neidisch oder nachdenklich?

Stanislawski:

Diese gigantischen Zahlen sind fernab jeglicher Realität. 20 Millionen Euro ist ja nur die Ablöse. Dann kommt das Gehalt dazu. Dann kostet das ganze Paket den Verein rund 40 Millionen Euro. Da muss man sich als normaler Mensch schon so seine Gedanken machen. Manchmal glaube ich, dass dieses Geschäft nur noch pervers ist.



Abendblatt:

Sind Sie froh, dass Sie sich beim St. Pauli über solche Zahlen keinen Kopf machen müssen?

Stanislawski:

Absolut. Bei uns geht es maximal um Gehälter von rund 12 000 Euro, wobei die meisten Spieler stark leistungsbezogen bezahlt werden. Wie soll ein Profi, der 2,5 Millionen Euro Grundgehalt bekommt, noch durch Leistungsprämien motiviert werden? Ich stell mir das auch schwierig vor, wenn etwa bei der U-21-Nationalmannschaft ein Spieler mit seinem Bentley vorfährt, und der Trainer soll ihm dann das Gefühl vermitteln, stolz darauf zu sein, für unser Land zu spielen.



Abendblatt:

Aber auch beim FC St. Pauli geht es doch um Geld.

Stanislawski:

Aber hier stimmen die Dimensionen. Als Deniz Baris den FC St. Pauli durch sein Tor in Nürnberg 2001 in die Bundesliga geschossen hat, habe ich vor Freude geweint. Und wegen solcher Momente tun wir uns doch den ganzen Zirkus an. So ein Gefühl ist mit Geld nicht zu bezahlen.



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