Der Verbandsfunktionär kritisiert die hohen Ausgaben der Vereine und fordert auch neue Regeln für Investoren und Transfers von jungen Profis.

Abendblatt:

Herr Mayer-Vorfelder, in Spanien und in England kriseln mehrere Vereine. Wie dramatisch wird die Finanzkrise für den europäischen Fußball?

Gerhard Mayer-Vorfelder:

Die Entwicklung bei Gehältern und Ablösesummen konnte auf Dauer nicht gut gehen. Wenn ein Verein wie Manchester City für einen Kaka 120 Millionen Euro Ablöse und zwölf Millionen Euro Gehalt im Jahr netto bieten konnte, dann ist das der helle Wahnsinn. Da ist der Fußball dann Mini-Finanzblase, die irgendwann platzen musste. Die rückläufigen Entwicklungen bei den Sponsoring-Einnahmen werden auch noch andere Klubs in Schwierigkeiten bringen.



Abendblatt:

Sie haben schon vor Jahren für Gehaltsobergrenzen plädiert.

Mayer-Vorfelder:

Ich merke jetzt, dass unter dem Eindruck der Krise die Nachdenklichkeit wächst. Da verändert sich das Bewusstsein. Auch bei Vereinen, denen es gut geht wie den Bayern. Auch ein Karl-Heinz Rummenigge spricht jetzt von Gehaltsobergrenzen.



Abendblatt:

Wie realistisch sind denn solche Überlegungen?

Mayer-Vorfelder:

Ich glaube, dass diese Grenzen in Europa kommen werden. Nicht als Grenze für das Gehalt eines einzelnen Spielers, sondern als Grenze im Gesamtbudget. Der Verein darf dann nur noch einen bestimmten Prozentsatz des Etats an die Spieler ausschütten. Bei der Uefa wird intensiv über eine solche Regel diskutiert.



Abendblatt:

Das wird bei Milliardären wie Roman Abramowitsch doch nicht funktionieren. Der pumpt dann eben noch mehr privates Geld in den FC Chelsea.

Mayer-Vorfelder:

Auch da gibt es entsprechende Überlegungen bei der Uefa. Derzeit ist es doch so, dass die Investoren nur Darlehen geben, die irgendwann zurückgezahlt werden sollen. Künftig wollen wir es so regeln, dass nur noch direkte Investitionen möglich sind. Das heißt, das Geld bleibt unwiderruflich im Verein.



Abendblatt:

Das wird Investoren abschrecken.

Mayer-Vorfelder:

Sicher, die Zahl wird zurückgehen. Aber schon jetzt gibt es einen Umdenkungsprozess. Die Vereine sehen inzwischen das Risiko mit den Geldgebern. Manche russischen Oligarchen haben schließlich Milliarden in der Finanzkrise verloren.



Abendblatt:

In der Bundesliga kämpft Martin Kind, Präsident von Hannover 96, für einen Wegfall der 50+1-Regel, die besagt, dass ein Investor nie die Mehrheit erwerben darf.

Mayer-Vorfelder:

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Regel dennoch bleibt. Der Verein muss die Mehrheit der Anteile halten. Und schließlich will in der Liga nur Herr Kind eine Änderung.



Abendblatt:

Was können die Verbände sonst noch gegen das Geschacher um Spieler und Vereine machen?

Mayer-Vorfelder:

Wir brauchen eine klare Regel, dass Spieler unter 18 Jahren nicht mehr transferiert werden dürfen. Derzeit werden doch schon bei Jugendfußball-Turnieren 13- oder 14-Jährige geködert - auch mit den entsprechenden beruflichen Angeboten an die Eltern. Da wird dem Vater eine Stelle beim Klub angeboten und der Mutter ein Job in der Vereinsgaststätte. Das ist für mich Menschenhandel. Die Uefa wird dem Einhalt gebieten. Einen entsprechenden Beschluss der Strategie-Kommission gibt es bereits.



Abendblatt:

Auch die Honorare für Spielerberater, die zum Teil in die Millionen gehen, verursachen bei den Vereinen immense Kosten.

Mayer-Vorfelder:

Ich habe diesen Punkt schon vor Jahren angesprochen, bin aber bei der Fifa und der Uefa leider auf taube Ohren gestoßen. Aber unter dem Eindruck der Finanzprobleme gibt es auch dort ein Umdenken. Eine Limitierung der Berater-Honorare ist notwendig und wird kommen. Auch im Interesse der Spieler. Denn oft geht es bei Transfers gar nicht mehr um ihre Belange, sondern nur noch darum, das Honorar des Beraters zu steigern. Eine Limitierung ist gesetzlich möglich - schließlich existieren ähnliche Vorschriften auch bei Immobilienmaklern.



Abendblatt:

Der FC Bayern klagt, dass die Kluft zu anderen Spitzenvereinen in Europa durch die höheren TV-Einnahmen in England, Spanien oder Italien immer größer wird.

Mayer-Vorfelder:

Diese Klagen kenne ich seit Jahren. Dabei wird gern übersehen, dass die deutschen Klubs bei den Einnahmen aus Sponsoring und Merchandising führend sind. So groß ist die Lücke in Wahrheit also gar nicht.



Abendblatt:

Ist die Finanzkrise am Ende sogar eine Chance für die vergleichsweise solide aufgestellten Klubs in der Bundesliga?

Mayer-Vorfelder:

Auf jeden Fall hat sich bei den Spitzenspielern inzwischen herumgesprochen, dass du in Deutschland vielleicht etwas weniger verdienst, dafür aber dein Geld jeden Monat pünktlich bekommst. Anderswo warten die Spieler oftmals Wochen auf ihr Geld. In der Türkei werden reihenweise Verträge aufgelöst, weil finanzielle Zusagen nicht eingehalten werden.



Abendblatt:

Fifa-Chef Joseph Blatter kämpft für eine neue Ausländerbeschränkung. Nach seinen Wünschen sollen künftig mindestens sechs einheimische Spieler in der Startformation stehen. Wie realistisch ist dieser Vorstoß?

Mayer-Vorfelder:

Diese sogenannte 6 plus 5-Regel wäre eine ganz tolle Geschichte. Aber ich bin sehr skeptisch, ob sie mit EU-Recht wirklich vereinbar ist.



Abendblatt:

Noch ein anderes Thema beschäftigt die Fans derzeit. Die Gewalt kehrt in und um die Stadien zurück. Es gibt wieder mehr Vorfälle mit Hooligans.

Mayer-Vorfelder:

Die zunehmende Gewaltbereitschaft erfüllt auch mich mit großer Sorge. Die Verbände und Vereine müssen da entschieden handeln - bis hin zum Ausschluss eines Vereins aus dem laufenden Spielbetrieb, wenn der betreffende Klub die Probleme mit seinen Anhängern nicht in den Griff bekommt. Aber gegen das gesamtgesellschaftliche Problem ist der Fußball letztlich machtlos. Durch die nachlassende Erziehungskraft der Eltern gibt es insgesamt einen Werteverfall. Was soll der Fußball dagegen machen, wenn viele Jugendliche nur noch am Computer abhängen und sich mit Ballerspielen beschäftigen?



Abendblatt:

DFB-Präsident Theo Zwanziger kandidiert für Ihren Sitz im Uefa-Exekutivkomitee, wenn Sie Ende März ausscheiden. Ihr Verhältnis war lange Zeit gespannt.

Mayer-Vorfelder:

Es ist kein Geheimnis, dass es zwischen uns Differenzen gab. Aber die sind ausgeräumt. Ich hoffe sehr, dass Theo Zwanziger gewählt wird. Wir brauchen einen Deutschen in diesem wichtigen Gremium.



Abendblatt:

Wie groß ist Ihre Wehmut?

Mayer-Vorfelder:

Natürlich ist mein Abschied nach 40 Jahren in verschiedenen Funktionen ein Einschnitt. Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen. Und ich bleibe Ehrenpräsident beim DFB. Ganz werde ich die Verbindung zum Fußball nicht kappen.



Abendblatt:

Abschließende Frage: Welche Fußball-Regel hätten Sie gern geändert?

Mayer-Vorfelder:

Den Einwurf. Ich wäre für einen Einstoß. Die Spieler schlagen noch oft den Ball einfach ins Aus, weil sie wissen, dass ein Einwurf in der Regel nicht weiter gefährlich ist. Wenn der Gegner aber stattdessen den Ball wie bei einem Freistoß in den Strafraum spielen könnte, wäre die Gefahr viel größer. Und das Spiel würde noch schneller.