Sobald Baris Özbek das Café im belebten Einkaufszentrum Flyin betritt, geht das Getuschel an den Nebentischen los. Jeder hier weiß, wer der junge...

Istanbul. Sobald Baris Özbek das Cafe im belebten Einkaufszentrum Flyin betritt, geht das Getuschel an den Nebentischen los. Jeder hier weiß, wer der junge Mann mit dem offenem Hemd und der breiten Silberkette ist. Doch angesprochen wird der 22-Jährige nicht. "Wir sind hier in einem vornehmen Wohnviertel, da wird man in Ruhe gelassen", erklärt Özbek, der bei Galatasaray Istanbul sein Geld verdient. Und während der Mittelfeldmann, der im heutigen Uefa-Cup-Spiel gegen den HSV vornehmlich auf Piotr Trochowski aufpassen soll, in seiner Wahlheimat von den Fans als Star verehrt wird, kann der Fußballer in seiner ursprünglichen Heimat noch immer unerkannt durch die Fußgängerzone spazieren. Özbek ist Deutscher, einer von sieben im Team von Galatasaray.

Der Deutsch-Türke wurde in Castrop-Rauxel geboren, spielte für Wattenscheid 09 und TuS Hordel, ehe er Galatasarays damaligen Trainer und heutigen Technischen Berater Karl-Heinz Feldkamp bei Rot-Weiss Essen auffiel. Gemeinsam mit seinem Mannschaftskollegen Serkan Calik wechselte er 2007 in die türkische Süper Lig - und konnte sich dort auf Anhieb durchsetzen. "Bei Galatasaray habe ich mir einen richtigen Namen gemacht", sagt Özbek. Und obwohl der Fußballer in seinem Geburtsland weitgehend unbekannt blieb, wurde sein "richtiger Name" beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) schnell heiß gehandelt. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Calik, der für das türkische Nationalteam spielen möchte, entschied sich Özbek nach einem Vier-Augen-Gespräch mit DFB-Sportdirektor Matthias Sommer für die deutsche Auswahl. Eine Entscheidung, über die der U-21-Nationalspieler heute nicht mehr ganz so glücklich ist. "Mir wurde versprochen, dass ich im engeren Kreis bin. Ich bin hier Leistungsträger, habe knapp 20 Europacupspiele gemacht, aber mit Jogi Löw noch nie ein Wort gewechselt", beklagt Özbek, der glaubt, in der Türkei einen Standort-Nachteil zu haben.

Ähnliche Überlegungen machten den anderen Galatasaray-Deutschen die Entscheidung einfach, sich für die türkische Auswahl auszusprechen. Der gebürtige Münchner Volkan Yaman spielt bereits seit 2006 für das Land seiner Eltern, ebenso die Berliner Hakan Balta und Ümit Karan. Und während Ersatztorhüter Aykut Ercetin, der in Göppingen aufgewachsen ist, sämtliche Jugendnationalmannschaften der Türkei durchlief, entschied sich der in Vechta geborene Alparslan Erdem erst 2007 für die türkische U-21-Auswahl. Am schwierigsten machte es sich Özbeks Kumpel Calik, der zunächst fünfmal für Deutschlands U21 auf Torejagd ging, ehe er sich im letzten Jahr doch für die türkische Auswahl entschied. "In der Türkei werde ich als Deutscher wahrgenommen, in Deutschland bin ich der Türke", beantworte Calik die Frage, welcher Nationalität er sich eher zugehörig fühle. Genauso empfindet auch Özbek, der angibt, sich in Istanbul noch immer wie in einer fremden Stadt zu fühlen. Deswegen wolle er auch überlegen, ob er im Sommer nicht zurück in die Bundesliga wechseln solle. "Ich habe Angebote aus Deutschland, England und Italien. Und auch wenn mich die Premier League reizen würde, wäre ich in Deutschland endlich im Fokus der Nationalmannschaft", sagt Özbek, der die Duelle mit dem HSV nutzen will, um sich in den Vordergrund zu spielen.

In Hamburg nicht dabei sein kann Stürmer Calik, der nach einem Meniskusriss derzeit ein Rehatraining in Regensburg absolviert. Anschauen wird er die Partie aber trotzdem - gemeinsam mit dem Leidensgenossen Eric Maxim Choupo-Moting vom HSV, der ebenfalls in Regensburg zur Reha weilt. Der Deutsch-Kameruner, der in Hamburg geboren wurde, will unbedingt fit werden, um bald wieder für die U-19-Nationalmannschaft zu spielen - und zwar für die deutsche.