HEW-Cyclassics: Der Tour-Zweite muss sich einer italienischen Übermacht beugen und wird Dritter.

Hamburg. Was hohe Politik in diesem Sommer gedankenlos aufs Spiel setzte, wurde von einer Hand voll Radprofis im Stakkato ihrer wild wirbelnden Waden am Sonntag wieder aufpoliert: Das grandiose Finale der 8. HEW-Cyclassics in Hamburg war geradezu ein Lehrbeispiel für die intakte deutsch-italienische Freundschaft. Dass am Ende der Italiener Paolo Bettini gewann, schien die gute Laune der radbewegten Massen beim einzigen deutschen Weltcuprennen nicht schmälern zu können. Denn ihr Liebling Jan Ullrich, der für Italiens traditionsreiche Radmarke Bianchi wirbt, wurde Dritter, nur knapp hinter dem Italiener Davide Rebellin, der immerhin für den deutschen Sprudelhersteller Gerolsteiner in die Pedale tritt. Vervollständigt wurde die fünfköpfige Ausreißergruppe, die die Entscheidung nach 253 km unter sich ausmachte, durch den Spanier Igor Astarloa und Azzurro Mirko Celestino vom italienischen Team Saeco. Irgendwie klar, dass Deutschlands Starpedaleur Jan Ullrich gegen solch eine italienische Übermacht keine echte Chance hatte. Doch das störte den 29-Jährigen nicht wirklich. "Die Gruppe hat bestens harmoniert. Hamburg ist durch die Stimmung an der Strecke aber immer ein Riesenerlebnis, da kann man gar nicht langsam fahren", schwärmte Ullrich schweißüberströmt und restlos glücklich. Zum Scharfrichter war einmal mehr der oft belächelte Waseberg geworden. Bei der dritten und letzten Überquerung des steilen Hügels hatte sich die Spitzengruppe aus dem Staub gemacht und ihren Vorsprung bis ins Ziel verteidigt. Auch Sieger Paolo Bettini stimmte anschließend in das Hohelied auf die Cyclassics ein. "Zu lang, zu flach, zu einfach - ich kann die Kritik nicht verstehen", sagte der Weltcup-Titelverteidiger. "Hier wird immer viel attackiert, viel gekämpft, und die Fans sind so temperamentvoll wie in Italien. Ich finde, das ist ein tolles Rennen, ich fahre wahnsinnig gern in Hamburg." Dabei mutete das ganze Rennen wie die Fortsetzung jener Ullrich-Festspiele an, die mit dem Sieg des Bianchi-Kapitäns schon am Freitag in Hannover begonnen hatten. Obwohl 52 Tour-Matadore ihre Räder an den Start schoben, drehte sich doch irgendwie alles nur um den Wahlschweizer. Bereits in den frühen Morgenstunden war das Hotel Park Hyatt an der Mönckebergstraße, in dem der Zweite der Tour de France 2003 die Nacht zum Sonntag verbrachte, dicht umlagert. Einige Fans hatten sich sogar bis zur Lobby vorgearbeitet. So musste der Liebling auf dem Weg zur Einschreibkontrolle bereits im Lift die ersten Autogrammwünsche erfüllen. Weil am Haupteingang schon längst kein Durchkommen mehr war, wählte der Umschwärmte clever den Hinterausgang. Dort zog er dann nur die Schar der Fotografen hinter sich her, wie der Rattenfänger von Hameln dereinst die lästigen Nager. Im Rennen konnte sich der "Champion der Herzen" dann anfangs etwas verstecken. Auch wenn die meisten der 800 000 Zuschauer, davon allein 70 000 auf der "Mö", wohl vor allem seinetwegen an die Strecke geeilt waren. Jedenfalls galten ihm die meisten Plakate und Huldigungen entlang des Kurses. Doch die ersten Stunden gehörten fast schon traditionsgemäß mutigen Ausreißern, die die Farben ihrer Sponsoren stolz über Millionen Bildschirme tragen. Diesmal suchte der Franzose Stephane Auge vom Team Credit Agricole bereits nach fünf Kilometern das Weite - und das Feld ließ ihn gnädig gewähren. Wenig später gesellte sich Roberto Lochowski vom zweitklassigen Team Wiesenhof zu ihm. Gemeinsam eilten sie dem Feld bis zu 16:15 Minuten (Km 70) voraus. Doch nach 188 km war ihre Vorstellung beendet. Dann führten Superstar Ullrich und seine italienischen Freunde Regie.