Klein Flottbek: 35 Reiter kämpfen am Sonntag mit ihren Pferden um das Blaue Band und 105 000 Euro Preisgeld.

Hamburg. Kaum war die 2. Qualifikation für das 74. Deutsche Spring-Derby am Sonntag in Klein Flottbek beendet, da begann das große Rätselraten: Wer ist denn nun der Favorit für die traditionsreiche Springprüfung auf dem schwierigsten Parcours der Welt? Christian Ahlmann (Marl), mit dem zehnjährigen Hannoveraner Sambo der Sieger in der letzten Ausscheidung, äußerte sich recht skeptisch: "Ich habe noch im Stechen nicht geglaubt, dass wir gewinnen würden. Sambo ist das erste Mal in Flottbek gegangen, zuviel darf ich von ihm nicht verlangen. Das Derby hat mit den Qualifikationsprüfungen nicht viel zu tun, außer dass man auch über Sprünge reiten muss." Und der Zweitplatzierte? Das war Thomas Voss aus Schülp bei Neumünster. Der blieb mit Leonardo ebenfalls fehlerfrei, war nur eine Sekunde langsamer und sagte: "Mein Pferd hat schon im Training tüchtig angepackt, aber mein Favorit bleibt Sören von Rönne." Der Titelverteidiger hielt sich mit seinem Crack Iberio vornehm zurück, ritt taktisch klug wie tags zuvor in der ersten Qualifikation. Einer, der es eigentlich wissen müsste, ist die Springreiter-Legende Hans Günter Winkler (76). Der fünfmalige Olympiasieger aus Warendorf, heute Sportdirektor der Ryders Tour (Das Millionenspringen, das bis zum September den "Reiter des Jahres" sucht und mit 250 000 Euro Preisgeld belohnt, startet in dieser Saison mit dem Derby), legte sich auch nicht fest: "Sören von Rönne, Rodrigo Pessoa aus Brasilien und Ludger Beerbaum - wenn sein Pferd einen Patzer unterlässt - sind für mich die aussichtsreichsten Bewerber im Kampf um das Blaue Band." Klaus Meyer (66), Erster Vorsitzender des Norddeutschen und Flottbeker Reitervereins, nannte nur Beerbaum und endete mit der diplomatischen Äußerung: "Das Derby ist offen wie selten." Dieser Ansicht ist auch der dreimalige Europameister und Mitveranstalter Paul Schockemöhle aus Mühlen: "Das wird am Sonntag ein Nuller-Stechen geben. Das Derby ist erst dann entschieden, wenn das letzte Holsteiner Pferd im Ziel ist. Der Boden ist in einem ausgezeichneten Zustand. Wenn keine Gewitterfront aufzieht, müssen wir den Rasen sogar sprengen." Das Derbyturnier verspricht ein Turnier der Rekorde zu werden. Veranstalter Volker Wulff ist jedenfalls davon überzeugt: "Himmelfahrt kamen 9000 Zuschauer, so viele wie nie zuvor. Am Freitag waren 7500 bei Dressur und Springen. Ich rechne mit insgesamt 45 000 Zuschauern." Die Hamburger lieben "ihr" Flottbeker Derby, obwohl vier Fünftel aller Teilnehmer im Finale aus Deutschland kommen. Die Zeiten von Spitzenreitern wie Hugo Simon, David Broome, Nelson Pessoa, Thomas Frühmann oder Harvey Smith sind eben vorüber. "Außerdem ist die Konkurrenz riesig", sagt Hans Günter Winkler. "Es gibt allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 2000 Turniere, und auch an diesem Wochenende gibt es Terminüberschneidungen. Die Reiterei ist hierzulande eine blühende Sportart, wir stellen uns selber ein Bein. Im Motorsport gibt es nur einen Michael Schumacher, aber hier in Hamburg können zehn Reiter Derbysieger werden. Das ist das Reizvolle an unserem Sport." Pech hatte eine junge Hamburgerin: Yvonne Dude, die Tochter des Flottbeker Vizepräsidenten Dietmar Dude. Yvonne stürzte mit dem zwölfjährigen Wallach United MG am letzten Hindernis, blieb aber glücklicherweise unverletzt. Vater Dietmar versuchte seine Tochter zu trösten. Er erinnerte an das Derby 2000. Da war Yvonne in beiden Qualifikationsprüfungen fehlerlos geblieben. Immerhin: Ins Derbyfeld rutschte sie noch hinein. Das schaffte auch Janne Friederike Meyer (Hamburg), die mit Callistro im Stechen fehlerfrei blieb und den vierten Platz belegte.