Ein halbes Jahrhundert im und am Ring fordert Tribut. Sduneks hat den Krebs und einen Infarkt überwunden. Erstmals redet er von Abschied.

Going. Gestern war ein guter Tag für Fritz Sdunek. Nach der Einnahme von zwei Schmerztabletten hatte er in seinem Hotelzimmer im "Stanglwirt" gut geschlafen und den maladen Rücken nach dem Aufstehen nicht gespürt. So konnte er vor dem Vormittagstraining seinen Schützling Vitali Wladimirowitsch Klitschko (38) zu einem Tischtennismatch herausfordern, das er prompt gewann. "Da habe ich mich wieder rundum gut gefühlt", sagt der 62 Jahre alte Boxtrainer, der den ukrainischen WBC-Weltmeister in Schwergewicht noch bis Sonntag in der Tiroler Nobelherberge am Fuße des Wilden Kaisers auf dessen Titelverteidigung am 12. Dezember in Bern gegen Kevin Johnson (USA) vorbereitet.

Wer Sduneks Krankenakte der vergangenen Jahre kennt, der weiß, dass solche guten Tage seltener geworden sind. Ein halbes Jahrhundert im und am Ring - erst als Aktiver, seit 1994 als Cheftrainer beim Hamburger Universum-Stall - fordert seinen Tribut, Rückenschmerzen sind Lappalien gegen die Krebserkrankung und den Herzinfarkt, die der Mecklenburger zuletzt überwinden konnte. Es kam daher nicht überraschend, dass Universum und Sdunek in einer gemeinsamen Presseerklärung vor einigen Wochen verlauten ließen, dass der Trainer kürzer treten müsse und eine lange Auszeit nehmen wolle. Überraschend ist dagegen, wie unterschiedlich beide Seiten die Wendung "lange Auszeit" interpretieren. Sdunek, so sein Plan, will eine Woche nach Klitschkos Kampf in Schwerin noch bei WBC-Mittelgewichts-Champion Sebastian Zbik in der Ecke stehen und danach für vier Wochen in sein Apartment auf Gran Canaria entschwinden. Anschließend aber, so bestätigte er gestern, "werde ich zurückkehren und mich weiter um Zbik, Denis Boytsov, Zsolt Erdei und Karoly Balzsay kümmern". In der Universum-Geschäftsleitung geht man nach Abendblatt-Informationen unterdessen davon aus, dass die Zusammenarbeit mit Sdunek zum Jahresende auslaufen wird - einmal, um Sduneks Gesundheitszustand Rechnung zu tragen, zum anderen, um im Zuge der Sparmaßnahmen infolge der Finanzkrise einen wichtigen Schritt zu machen. Die Zukunft, das ist ein offenes Geheimnis, gehört den Trainern Michael Timm und Magomed Schaburow.

Erstaunlich offen sprach Sdunek gestern Abend erstmals über einen möglichen Abschied von Universum, den sich Begleiter des Stalls bislang ebenso wenig vorstellen können wie die Sportler und Trainerkollegen. "Wir haben über das Thema noch nicht gesprochen. Aber wenn Universum es möchte, dann steige ich auch ganz aus", sagte er. Sein Plan sei, die bereits erwähnten Sportler weiter zu betreuen und sukzessive seine Assistenten Artur Grigorian und Owen Reece an höhere Aufgaben heranzuführen. "Aber wenn Universum mich nicht mehr braucht, dann werden wir uns in beiderseitigem Einvernehmen trennen." Als Sdunek im Spätsommer in Los Angeles Vitali Klitschko für den Sieg über Chris Arreola vorbereitete, war in ihm die Erkenntnis gereift, kürzer treten zu müssen. "Ich habe gespürt, dass mein Körper die Belastungen der vergangenen Jahrzehnte nicht mehr verkraften kann. Es tut mir sehr gut, jetzt dosierter zu trainieren", gibt er zu. Ein sofortiges Karriereende sei jedoch nie ein Thema gewesen. "Der härteste Tag war, als ich meinen Jungs bei Universum sagen musste, dass ich kürzer treten werde. Da sind einige Tränen geflossen. Aufhören kann ich gar nicht, sonst falle ich sofort tot um."

Sollte es dennoch keine Basis mit Universum mehr geben, will Sdunek als freier Trainer neben Klitschko weitere Einzelsportler übernehmen. "Ich habe genug Angebote von anderen Boxern", sagt er. Ein festes Engagement beim Arena-Stall seines Schwiegersohns Ahmet Öner komme für ihn aber nicht infrage. "Wir würden uns zu sehr streiten. Und Krieg will ich nicht haben." Sdunek wünscht sich für seine letzten Jahre als Trainer einfach noch einige Tage wie den gestrigen.