Danzig. Im Sommer herrscht auf den Gewässern in Polens Nordosten reges Treiben. Wer die Region im Frühsommer besucht, erlebt noch Wildnis.

„Mecklenburg nennt seine Seenplatte Land der 1000 Seen, dabei hat es nur 130. Wir in Masuren haben 3000 “, sagt Reiseführer Tomek Dominiak voller Stolz auf die urwüchsige Region im Nordosten Polens. Für Wikinger Reisen führt er regelmäßig Urlauber durch das dünn besiedelte Gebiet.

Hier gibt es kleine, verwunschene sowie riesig große Seen, ausgedehnte Waldgebiete mit Wölfen und Wildpferden, ungezähmte Flussläufe und Bäche, die ebenso wie künstlich angelegte Kanäle viele Seen miteinander verbinden – ein Paradies für Paddler, Segler und Motorbootfahrer. Ebenfalls schwer angesagt, auch bei den Polen, sind Radtouren durch die Naturlandschaft. Andere Aktivurlauber sind zu Fuß unterwegs.

Masuren, das ehemalige Ostpreußen, steckt voller deutsch-polnischer Geschichte. Urlauber treffen auf einstmals großartige Landsitze, die deutsche Namen tragen und heute zum Teil touristisch genutzt werden, zum Beispiel als Reiterhöfe oder Restaurants. Orte des Zweiten Weltkrieges finden sich hier, darunter das Führerhauptquartier Wolfsschanze (polnisch Wilczy Szaniec). Hier scheiterte am 20. Juli 1944 das Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler. In Steinort (Sztynort) steht das renovierungsbedürftige Schloss der Adelsfamilie Lehndorff. Hier verbrachte die Journalistin und Buchautorin Marion Gräfin Dönhoff einen Teil ihrer Kindheit.

Die menschlichen Katastrophen des Krieges und der Folgejahre sind bis heute in den Köpfen vieler Menschen präsent. „Es gibt kaum eine polnische Familie, die im Krieg nicht mindestens einen zivilen Angehörigen verloren hat“, erzählt Dominiak. Doch der aufstrebende Tourismus, die wichtigste Einnahmequelle der Region, überstrahlt allmählich die Schatten der Vergangenheit. Das spiegele sich auch bei den deutschen Reisegruppen wider, urteilen Dominiak und sein Kollege Darek Wylezol: Reisende, die die Region in Erinnerung an ihre eigene Kindheit oder an das Leben ihrer Eltern und Großeltern in Ostpreußen besuchen, werden weniger.

Vor allem Warschauer nutzen die Masuren als Erholungsziel

Einen Steinwurf vom lehndorffschen Schloss zeigt die große Steganlage von Tiga Yacht, dass vor allem der Bootstourismus in der Region stark vertreten ist. „Wir haben 700 Mietboote mit Übernachtungsmöglichkeiten. 42 Charterfirmen verleihen Segel- und Motorboote, die in 36 Marinas festmachen können“, erklärt Robert Kempa von der Touristeninformation der Urlaubsregion Lötzen (Gizycko), zu der auch Steinort gehört. Die Region steht an dritter Stelle des masurischen Tourismus, nach Nikolaiken (Mikolajki) und Sensburg (Mragowo).

Eine alte evangelische Holzkirche im Freilichtmuseum in Olsztynek.
Eine alte evangelische Holzkirche im Freilichtmuseum in Olsztynek. © imago/BE&W | imago stock&people

Deutsche bilden die größte Gruppe unter den ausländischen Touristen. Die wichtigste Kundschaft bleiben aber mit Abstand die polnischen Urlauber – vor allem Warschauer nutzen die Masuren im Juli und August als Sommerfrische. „Dann ist hier alles ausgebucht“, sagt Kempa. Der touristische Mittelpunkt, der Ort Nikolaiken mit Yachthafen und dem schwimmenden Fünf-Sterne-Haus Hotel Mikolajki, liegt gut 200 Kilometer entfernt. Die Fahrzeit dorthin beträgt rund dreieinhalb Stunden.

Die Infrastruktur bleibt ein Hemmnis. Deutsche Urlauber müssen mit einer rund vierstündigen Anfahrt vom Flughafen Danzig (Gdansk) bis Nikolaiken rechnen, auch aufgrund von Baustellen zum Ausbau der Hauptverbindungsstraßen. Ein zweites Problem, mit dem die masurischen Gastgeber zu kämpfen haben, ist der kurze Sommer. Er reduziert die Urlaubssaison auf rund drei Monate. Erst Mitte Juni ist es meist warm genug, um sich ganztägig draußen zu bewegen oder womöglich auf den zahlreichen kleinen Zeltplätzen in den Wäldern oder an Seeufern zu übernachten. Im September zieht allmählich der Herbst ein, und die Saison ist vorbei.

Im Juli/August herrscht reges Treiben, gerade auf dem Wasser. Wer aber im Früh- oder Spätsommer die Region besucht, kann – je nach Geschmack mehr oder weniger abenteuerlich – die masurische Wildnis erleben. Kajaks und andere Paddelboote werden an Flüssen und Flüsschen vermietet, das Boot (für zwei Personen) kostet umgerechnet rund zehn Euro für eine mehrstündige Fahrt, einschließlich Rücktransport.

Eine Überfahrt mit der Fähre kostet mit Fahrrad 80 Cent

Ein beliebtes Paddelrevier ist die ruhig dahinfließende Krutynia. Häufig ragen Kronen oder ­Äste von abgestorbenen Bäumen in den Flusslauf und prüfen die Steuerkünste der Paddler. Alle paar Hundert Meter laden Kioske oder Gaststätten zu einem Zwischenstopp ein. Hier trifft sich Sport mit Ver­gnügen, oft auch mit Trinkvergnügen – der rege Bootsverkehr mit teils laut­starken Ausflüglern kann an schönen Wochenendtagen schon mal den Naturgenuss schmälern.

Malerische Rapsfelder liegen abseits der Gewässer.
Malerische Rapsfelder liegen abseits der Gewässer. © imago/BE&W | imago stock&people

Dagegen führt der kleinere Fluss Sapina die Paddler an einsamen Ufern entlang und durch einen kleinen, ruhigen See mit Schilfbestand – an einigen schmalen, felsigen Stellen wird er sogar zum Wildbach. Die Paddeltour auf der Sapina endet an den Ufern des großen Goldapiwo-Sees im Ort Kruklanki – eine perfekte Station, um kurz einzukehren und aufs Fahrrad umzusteigen.

Vermieterin Beata Bargiel fährt mit einem Anhänger voller Drahtesel vor. Sie arbeitet für Wama-Tour, einen Spezialisten für Fahrrad­reisen in Polen und in den baltischen Staaten. Neben organisierten Reisen verleiht der auch Fahrräder an einzelne Urlauber oder Gruppen. An den ersten drei Tagen kostet ein Zweirad acht Euro pro Tag, ab dem vierten Tag reduziert sich der Preis auf sechs Euro. Ab sechs Fahrrädern seien Preise verhandelbar, erklärt Bargiel in gebrochenem Englisch.

Die weiteren Ausgaben auf den Erkundungstouren sind überschaubar. Die Fähre über einen schmalen Arm des Spirding-Sees (Sniardwy) – Polens größten Sees – kostet drei Zloty (80 Cent) inklusive Fahrrad. Und das abschlie­ßende Auftanken mit einem halben Liter Bier oder Brause ist für rund zwei Euro zu haben.

Natürlich führen Radwege immer mal wieder an Seeufer heran, obwohl die meisten Ufer nicht von Straßen oder Wegen erschlossen und durch Schilf, Sumpf und Wald schwer zugänglich sind. Das macht einen Teil des Charmes der urwüchsigen Region aus. Ob gut erreichbar oder (vom Land aus) weitgehend unberührt: Die von der Eiszeit geformte, in Nord-Süd-Richtung verlaufende, gut 100 Kilometer lange Gewässerachse ist der größte touristische Schatz der Masuren, des Landes der (drei-)tausend Seen.

Tipps & Informationen

Anreise Ab Berlin z. B. mit Lot über Warschau nach Danzig. Mit der Bahn dauert es etwa sechs Stunden.

Unterkunft z. B. im Hotel Mazurski Dworek bei Nikolaiken, DZ/Frühstück ca. 85 Euro, Tel. 0048/87/42 16 918, www.mazurskidworek.pl

Auskunft www.wikinger-reisen.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Wikinger Reisen und das polnische Fremdenverkehrsamt.)