Arusha . Im Tarangire-Nationalpark gibt es die meisten Dickhäuter in Tansania. Dennoch ist das Gelände Touristen vergleichsweise wenig bekannt.

Wir sind völlig aus dem Häuschen. Vor einigen Minuten sind wir durch das Tor gefahren, das die Grenze des Tarangire-Nationalparks im Norden Tansanias markiert, haben das Dach unseres Geländewagens hochgeklappt. Seitdem halten wir uns an der Reling fest und schauen staunend in die Gegend, während Azaria, unser Fahrer, uns über die Sandpisten fährt, die den mehr als 2850 Quadratkilometer großen Park durchziehen.

Und nun ist da tatsächlich das erste wilde Tier – ein junger Giraffenbulle. Er steht nicht mehr als 20 Meter von uns entfernt, kaut auf einigen Blättern herum und schaut uns dabei zu, wie wir Kamera, Fernglas und Smartphone jonglieren, um ja keine seiner Regungen zu verpassen. Wir sind Safari-Neulinge, kennen die Tiere Afrikas nur aus dem Zoo.

Und wäre uns klar, wie viele wir noch zu Gesicht bekommen würden, wir würden winken, vielleicht ein Bild oder zwei schießen – und weiterfahren. Jetzt, im deutschen Herbst, der hier am Äquator mitten in die Trockenzeit fällt, ist der Nationalpark eine Oase im Wortsinn.

Die Savanne rund um den Park ist leer gefressen, Lake Burungi, der flache See knapp westlich der Parkgrenze, ausgetrocknet. Doch der Tarangire, der Fluss, der dem Nationalpark seinen Namen gibt, führt noch Wasser. Und die Viehherden der Massai haben keine Gelegenheit, die Gräser und Blätter abzufressen, was das Oasen-Gefühl nur noch verstärkt, vergleicht man den Park mit der Landschaft drum herum: Das Massai-Gebiet grenzt im Osten an den Nationalpark, und dort gleißt die Sonne auf kahlgefressene rote Erde, nur noch die Büsche mit ihren zentimeterlangen, stahlharten Dornen haben Blätter.

Im Park aber herrscht wenn nicht Überfluss, so doch auch kein Mangel. In den kommenden Stunden füllt sich die mentale Strichliste entsprechend rapide mit exotischen Namen: Elefant, Dikdik, Elen-Antilope, Impala, Gnu, Kudu, Zebra und Zebramanguste, Schakal, Pavian, Warzenschwein, Gazelle, Leopard, Löwe … und Tsetse-Fliege.

Die größten aller Landsäugetiere sieht man einzeln oder in Gruppen

Den sechstgrößten Nationalpark Tansanias im Jahr 1970 einzurichten, das stieß auch deshalb auf wenig Widerstand bei den Massai, weil die sumpfige Region rund um den Flusslauf als Brutstätte der Insekten gilt, deren Stich nicht nur schmerzhaft ist, sondern auch nicht ganz ungefährlich. Für die Wildtiere sind die Fliegen nur störend, Mensch und Rind hingegen sind nicht immun gegen die Krankheiten, die ihr Stich übertragen kann.

Zwar sei in jüngerer Vergangenheit kein Fall bekannt, bei dem Tsetse-Fliegen aus dem Tarangire-Park die Schlafkrankheit übertragen hätten, versichern uns alle. Doch ganz auszuschließen ist es nicht.

Mit dem Fernglas auf Tiersuche.
Mit dem Fernglas auf Tiersuche. © HA | DER Touristik/Rüdiger Fessel

Als wir durch die erste Wolke dieser Mistviecher fahren, hat noch keiner von uns daran gedacht, sich großzügig mit Mückenschutzmittel einzunebeln. Ein Lapsus, der zu einiger Hektik führt, denn die Fliegen sind so hartnäckig wie hungrig und lassen sich weder vom recht hohen Tempo des Geländewagens noch von unserem Gewedel und (nicht imprägnierten) Hosenbeinen und Hemdstoffen beeindrucken. Sie stechen einfach hindurch.

Erst, als wir die Segnungen moderner Pharmakologie auspacken und uns einsprühen, kehrt wieder Ruhe ein. Die Fliegen summen zwar noch um uns herum, aber sie stechen nicht mehr. Und unser Blick kann sich wieder auf die eigentlichen Attraktionen des Parks richten.

Tusker sind Bullen, die allein unterwegs sind

Elefanten sind groß, das weiß jedes Kind. Wie groß, das kann man aber erst ermessen, wenn einer der Dickhäuter wenige Meter neben dem Wagen steht. Tusker nennt man die Bullen, die nicht im Familienverbund, ­sondern allein durch die Gegend ziehen, erklärt uns Azaria – mit gedämpfter Stimme, denn mit Babar, Dumbo oder anderen Kinderbuchfiguren hat ein echter Elefant nur wenig gemein.

Als dieses Exemplar den massigen Kopf in unsere Richtung dreht und die Ohren aufstellt, fahren wir weiter. Wie Azaria sagt, ist das eine Drohgebärde: Als Nächstes käme das Trompeten. Und wer auch darauf nicht ­reagiert, der darf sich mit einem ernsthaft übellaunigen Dickhäuter auseinandersetzen, der auf einen zustürmt. Das wollen wir ganz sicher nicht.

Außerdem gibt es ja noch viele, viele seiner Artgenossen im Tarangire-Park. Ob Bullen oder Kühe mit Kälbern, einzeln, zu zweit oder in größeren Gruppen: Das größte aller Landsäugetiere ist allgegenwärtig. Sieht man keinen Elefanten, sieht man seine Spuren: umgeworfene Bäume und klaffende Wunden in der Rinde der Baobabs, der Affenbrotbäume. Auf der Suche nach Nährstoffen machen Elefanten keine Kompromisse.

Die Baobabs sehen für uns Europäer mindestens so fremdartig aus wie die exotischsten Tiere. Eine beliebte afrikanische Legende besagt, dass der Erste seiner Art von einem zornigen Gott (oder dem Teufel) verkehrt herum in den Boden gerammt wurde und seitdem kopfüber wächst, mit den Wurzeln im Himmel und den Zweigen im Boden. Und ein wenig wirkt der Baobab tatsächlich so, gerade jetzt, in der laubfreien Trockenzeit.

Aussteigen darf man nur an Picknickplätzen

Der Tarangire-Nationalpark ist zwar längst nicht so bekannt wie der noch weiter nördlich gelegene Serengeti-Park. Doch genau deswegen hat er einen entscheidenden Vorteil: Während in der Hochsaison das Gefühl, durch die Wildnis zu fahren, im Serengeti-Park dadurch arg geschmälert wird, dass sich auf den Hauptwegen Geländewagen an Geländewagen reiht, hat man im Tarangire-Park auch im Oktober – mitten in der Trockenzeit, wenn die meisten Tiere zu sehen sind – die Chance, ganz allein durch die Gegend zu ­fahren.

Und die ist auch dann beeindruckend, wenn gerade keine Tiere zu sehen sind. Aussteigen darf man nur an Picknickplätzen, zum Glück sind die so strategisch gut verteilt, dass man zu der Gelegenheit, sich die Füße zu ­vertreten, auch fast immer einen spektakulären Ausblick bekommt. Einer liegt an einer Abbruchkante, 50 Meter tiefer fließt der Tarangire behäbig durch sein Bett. Ein ­anderer Picknickplatz liegt auf einem Hochplateau am Rand einer Ebene.

Der Nationalpark ist rund 2850 Quadratkilometer groß.
Der Nationalpark ist rund 2850 Quadratkilometer groß. © HA | DER Touristik/Rüdiger Fessel

Die Weite scheint fast unendlich, die Elefanten nicht größer als Spielzeuge. Gern würden wir noch länger dort sitzen ­bleiben, doch unser Fahrer drängt zur Eile. Pünktlich zum Sonnenuntergang müssen wir den Park wieder verlassen – leider. Gern wären wir noch geblieben, doch die Regeln des Parks verbieten es. Wer dennoch in den Genuss der Wildnis bei Nacht kommen will, muss sich in einer der Lodges auf dem Ge­lände des Parks einbuchen, ganz Naturverbundene verbringen die Nacht auf einem der Campingplätze und lauschen den nacht­aktiven Tieren.

Die Veranda ist ein guter Ort, um den Mondaufgang zu betrachten

Dass die Tiere wirklich wild sind und dorthin gehen, wo es ihnen passt, merken auch wir am Abend, als wir zurück im Hotel sind. Das ­Burunge Tented Camp liegt am Ostufer des Lake Burungi, außerhalb des Parks. Zunächst haben wir uns noch gewundert oder an eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gedacht, als wir auf Schritt und Tritt über das weit­läufige Gelände von Personal begleitet wurden. Das Camp macht seinem Namen zumindest teilweise alle Ehre: Anstelle von Doppelzimmern gibt es großzügige Hütten mit eigener Veranda, von der aus man hervor­ragend dem Mond beim Aufgehen über dem (bei unserem Aufenthalt leider ausgetrockneten) See zusehen kann.

Als wir mit einem Getränk in der Hand genau das tun, hören wir nicht nur das weittragende „Wuuuup“ einer Tüpfelhyäne, es raschelt auch vernehmlich im Unterholz. Neugierig schalten wir unsere Taschenlampe ein, sehen ein Warzenschwein – und eine von ihm aufgescheuchte Katze, deren buschiger Schweif fast genauso lang ist wie sie selbst. Dem gemeinschaftlichen Nachschlagen im Fachbuch zufolge trägt das rasch wieder verschwundene Tier den standesgemäß langen Namen Kleinfleck-Ginsterkatze. Das bunte Tiertreiben direkt vor den Hütten erklärt dann auch, warum so viel Personal unterwegs ist – und warum viele der Herren lange Hirtenstäbe bei sich tragen.

Am folgenden Morgen wartet noch ein letztes Highlight auf uns, bevor wir dem Tarangire-Park den Rücken kehren: Die Gelegenheit zu einer Walking Safari, einer geführten Wanderung durch den Park, sollte man sich keinesfalls entgehen lassen. Zwar kommt man nicht so nah an die Tiere heran, doch dafür ­erhält man einen umso eindringlicheren Eindruck davon, dass der Mensch hier nur ­unbedeutender Teil eines großen Ökosystems ist. An einer Stelle bleibt uns nichts anderes übrig als zu warten: Denn in jeder Richtung, die wir jetzt einschlagen könnten, stehen ­Elefanten. Erst als sich eine Gruppe der ­Dickhäuter zum Weitergehen bequemt hat, können auch wir Menschen unseren Weg durch die Savanne fortsetzen.

Eine Giraffe begegnet uns auf diesem Fußmarsch ebenfalls. Zwar sind wir nicht mehr ganz so verzückt wie beim ersten Auf­einandertreffen. Doch fasziniert von der ­Tier- und Pflanzenwelt und der Landschaft, die alle so ganz grundlegend anders sind als zu Hause, sind wir tatsächlich immer noch. Das Gefühl, ­etwas ganz Besonderes erlebt zu haben, bleibt uns auch noch lange nach der Heimkehr erhalten.

Tipps & Informationen

Anreise ab Hamburg z. B. über Istanbul mit Turkish Airlines oder über Amsterdam mit Kenya Airways zum Kilimanjaro Airport. Der Tarangire-Nationalpark liegt etwa 150 Kilometer westlich.

Unterkunft Hotels und Lodges gibt es sowohl innerhalb des Nationalparks als auch in der Nähe. Reiseveranstalter wie DER Touristik, TUI und Thomas Cook bieten darüber hinaus organisierte Rundreisen an. Die Preise variieren je nach Umfang und Länge der Reise stark.

Eintritt in den Tarangire-Nationalpark kostet 45 US-Dollar pro Person und Tag. Zusätzliche Gebühren für das Fahrzeug fallen darüber hinaus an.
Walking Safaris, bei denen auch ein Park Ranger die Gruppe begleitet, können zum Preis von 20 US-Dollar pro Person gebucht werden.

Nicht vergessen sollte man ein für die Tropen geeignetes Insektenschutzmittel (z. B. Autan Tropical oder Anti Brumm). Auch die Kleidung sollte vor der Reise gründlich imprägniert werden.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch die DER Touristik Group.)