Bukit Lawang. Die Insel Sumatra im Westen Indonesiens bietet vielfältige Landschaft und Kultur. Künftig soll der Tourismus stärker gefördert werden.

„Da ganz links hinten, siehst du ihn?“, fragt Thomas und weist mit der linken Hand ins ewiggrüne Blättermeer. Ich sehe mal wieder nichts, so sehr ich mich anstrenge. Auf einmal knackst es im Gebüsch, nicht irgendwo in den Baumkronen, sondern direkt neben mir, und der rote Schopf eines jungen Orang-Utans wird sichtbar. ­Keine zwei Meter entfernt schaut er mich neugierig an und streckt seine Hand nach mir aus.

Thomas, unser Guide, gibt mir eilig ein Stück Banane, das ich dem ­Affen vorsichtig entgegenhalte. Er kommt einen Schritt heran, greift sich den Leckerbissen mit einer merkwürdig weichen Hand und stopft ihn sich genüsslich ins Maul. Eine solche Begegnung hatte ich noch nie, so nah, so intensiv und direkt.

Bis zu 50 Meter hohe Urwaldriesen

Am frühen Morgen waren wir in unserer am Fluss gelegenen Lodge in Bukit Lawang aufgebrochen, um den Gunung-Leuser-Nationalpark zu erkunden. Mit etwa 9000 Quadratmeter Fläche gehört der im Norden von Sumatra gelegene Park zu den größten und ­artenreichsten Naturreservaten Indonesiens. Nach einer ebenen Wegstrecke ging es ziemlich unvermittelt steil nach oben. „Haltet euch immer mit beiden Händen fest, sucht für die Füße einen sicheren Tritt und bewegt euch langsam“, hatte Thomas gesagt.

Keine schlechte Idee angesichts der Tatsache, dass wir einen extrem steilen Hang erklimmen mussten, der zudem vom Wolkenbruch der letzten Nacht feucht und glitschig ist. Ich griff nach Zweigen, Lianen und den Luftwurzeln knorriger Bäume, um beim mühsamen Aufstieg nicht abzurutschen. Schließlich haben es alle Mitglieder der fünfköpfigen Gruppe geschafft und unsere indonesischen Begleiter auch. Schweißüberströmt stehen wir nun im tropischen Regenwald und starren angestrengt nach oben ins üppige Blätterdach der bis zu 50 Meter hohen Urwaldriesen.

Die Orang-Utans sind halb wild

Die Orang-Utans im Gunung-Leuser-Nationalpark wurden einst illegal gehalten und später ausgewildert.
Die Orang-Utans im Gunung-Leuser-Nationalpark wurden einst illegal gehalten und später ausgewildert. © Getty Images | Bas Vermolen

Dann turnt ein weiterer, deutlich größerer Orang-Utan behände von einer Palme herunter, um sich bei einem meiner Reisegefährten sein Bananenstück abzuholen. „Die meisten dieser Orang-Utans sind halb wild, sie wurden ursprünglich illegal gehalten und später ausgewildert. Wir füttern sie nur noch selten mit Bananen, damit sie sich mehr und mehr daran gewöhnen, sich selbst um Nahrung zu kümmern“, erklärt uns Thomas.

Das Nahrungsangebot ist für Menschenaffen hier im Gunung-Leuser-Nationalpark reichlich, es umfasst frische Blätter, Knospen, Rinde und Wurzeln, Raupen und Ameisen. Doch Bananen schmecken offenbar besonders gut.

In den Urwald lauschen ist ein besonderes Naturerlebnis

„Seid bitte mal eine Minute still, ich brauche Urwald-Athmo“, sagt die Fernsehkollegin Monika, die uns so zu einem besonderen Naturerlebnis verhilft. In der Stille hören wir das Rascheln der Baumkronen, vielstimmiges Gezirpe der Zikaden, das Gezwitscher und Geschrei unzähliger Vögel und manchmal den lauten Flügelschlag der Nashorn­vögel, ein unglaublicher Sound.

Fast den ganzen Tag über sind wir im Nationalpark unterwegs, bahnen uns den Weg durch dichtes Gestrüpp, klettern Hänge hinauf und wieder hinunter und werden durch immer neue Begegnungen belohnt, nicht nur mit neugierigen Orang-Utans, auch mit putzigen Makaken-Äffchen, Horden von Thomas-Leaf-Affen und einem misstrauisch dreinblickenden Gibbon. Glücklicherweise kommen wir beim Abstieg am ­frühen Nachmittag an einem Wasserfall vorbei, der uns in der Hitze etwas ­Abkühlung verschafft.

Auf Traktor-Reifen über den wilden Bohorok

Lange bevor wir das Tal erreichen, ist das Rauschen des Bohorok-Flusses zu hören. Am steinigen Ufer klettern wir auf ein Floß aus Traktorreifen, ­werden von einheimischen Begleitern geschickt durch die Stromschnellen ­gesteuert, während die üppige Urwaldlandschaft an uns vorüberzieht.

Der Tobasee, den wir nach einer ­Tagesreise im Bus erreichen, bietet ein völlig anderes Bild. Die Landschaft wirkt subtropisch, fast lieblich, sie erinnert ans Tessin oder an norditalienische Seen. Dass es sich mit mehr als 1000 Quadratkilometern um den größten Kratersee der Welt handelt, etwa doppelt so groß wie der Bodensee, sieht man ihm nicht an. Das liegt auch an der Insel Samosir, die größer als Ibiza ist.

Ein Nordfriese machte aus den Kannibalen fromme Christen

© Matthias Gretzschel | Matthias Gretzschel

Von Parapat, der am Ostufer gelegenen größten Stadt, nehmen wir das Boot zur Insel, die berühmt ist für die Kultur der Batak. Die Angehörigen ­dieser Ethnie waren bis ins 19. Jahrhundert Kopfjäger und Kannibalen. Das ­änderte sich ausgerechnet durch das Wirken eines norddeutschen Missionars, der auf Sumatra bis heute in hohen Ehren steht: 1862 traf Ludwig Ingwer Nommensen in der damals ­niederländischen Kolonie ein.

Nach schwierigen Anfangsjahren gelang es dem Protestanten, der zur Rheinischen Mission gehörte, die Batak am Tobasee zum Christentum zu bekehren. Dass der Nordfriese so erfolgreich war, liegt wohl vor allem daran, dass er die Einheimischen mit Respekt behandelte und ihre Interessen auch gegenüber der Kolonialverwaltung mit Nachdruck vertrat. Obwohl er die heidnischen Praktiken der Batak bekämpfte, bemühte er sich, kulturelle Traditionen zu bewahren.

„Du kannst mich Prinzessin nennen“

In Tomok, einem am Ostufer der Insel gelegenen Dorf, finden wir noch typische Batak-Häuser, erkennbar an ihrer hohen, nach vorn geschwungenen, verzierten Giebelfront. Heute sind sie fast ausnahmslos nicht mehr mit Palmenblättern, sondern mit Wellblech eingedeckt, auch wenn sich das bei tropischer Hitze negativ auf das Raumklima auswirkt.

„Der Aufwand für ein traditionelles Dach ist zu hoch“, sagt Anni Sirlagan, deren Großvater in 15. Generation König eines Batak-Volks war. „Du kannst mich Prinzessin nennen“, sagt die 34-Jährige lachend und bittet uns ins Haus, das sie mit der Familie ihres ­Bruders bewohnt. In traditioneller Architektur befindet sich eine moderne Einrichtung mit Fernseher, Computer und viel Komfort.

Herz und Leber mit Zitronensaft

Trotzdem ist die Batak-Kultur sehr gegenwärtig, wovon Anni anschaulich erzählt. Zum Beispiel vom Kannibalismus, dem seinerzeit auch verurteilte Kriminelle anheimfielen. Ein junger Mann muss für uns den Delinquenten spielen, er legt sich auf den Stein, auf dem er vor unseren Augen scheinbar hingerichtet wird. „Unsere Vorfahren haben Herz und Leber der Hingerichteten gegessen und das Blut mit Zitronensaft getrunken“, sagt uns Anni und erwähnt auch den Nordfriesen Nommensen, der aus Kannibalen fromme Christen machte.

Tatsächlich wirkt dieser Teil des bevölkerungsreichsten islamischen Landes der Welt außergewöhnlich, zumal hier nur wenige Moscheen, dafür aber zahllose Kirchen zu finden sind. Begraben ist der Apostel der Batak, der 1918 starb, am Rande der Ortschaft Singumpar unweit des Sees, wo er zuletzt als Pfarrer ­wirkte.

Die Gegend soll für den Tourismus erschlossen werden

Neben ihm ruht nicht nur seine Frau, sondern auch sein letzter Hund. Außerdem gibt es eine Kapelle mit dem Tresor des Missionars, der leider nicht geöffnet werden kann, weil sich der Schlüssel einfach nicht finden lässt. Ob sich in dem Geldschrank Kostbarkeiten befinden oder Nommensens Tage­bücher? Nach dem Willen der Batak bleibt das ein Geheimnis.

Bisher wirkt der Tobasee mit ursprünglicher Landschaft und archaischer ­Batak-Kultur noch verträumt. Es sind vor allem Indonesier und Touristen aus den benachbarten asiatischen Ländern, die hier Urlaub machen. Doch vielleicht wird sich das ändern, denn die ­Regierung setzte den See auf die Liste ­jener landesweit zehn Regionen, deren touristische Infrastruktur in den nächsten Jahren entwickelt werden soll.

Weiße Sandstrände und natürliche Swimmingpools

Das betrifft auch die kleine, östlich von Sumatra gelegene Insel Belitung, die für ihre schönen, wenig besuchten Strände gerühmt wird. Wir fahren mit einem traditionellen Motorboot zu ­vorgelagerten Inseln mit feinsandigen Stränden, die zum Schnorcheln ein­laden.

Am Tanjung-Tinggi-Strand gibt es beides: weiße Sandstrände und bizarr geformte, hoch aufein­andergetürmte Steine, die sich wunderbar erklettern lassen und zugleich natürliche Swimmingpools bilden – eine ebenso fremd anmutende wie grandiose tropische Küstenlandschaft, die auf Besucher ­wartet.

Tipps & Informationen

Anreise Singapore Airlines fliegt von Frankfurt nach Singapur und von dort nach Medan auf Sumatra.

Beste Reisezeit Mai bis Oktober

Unterkünfte am Tobasee z. B. das Inna Parapat Hotel & Resort, Deluxe Room mit Frühstück ab 3 Euro/Nacht, www.innaparapathotel.com oder deutsch geführtes Hotel Tabo Cottages in Tuk-Tuk, Deluxe Room ab 30 Euro/ Nacht, ww.tabocottages.com

Auskunft Visit Indonesia, www.tourismus- indonesien.com; www.indonesia.travel

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Visit Indonesia und Singapore Airlines.)