Gaberl/Grainau. Mit immer mehr Investitionen in Schneekanonen und Lifte versucht die Tourismusbranche, weiter Gäste im Winter in die Alpen anzulocken.

Blauer Himmel, 20 Grad – optimales Skiwetter sieht anders aus. Doch trotz der milden Temperaturen rüsten sich die Bergorte für den Skizirkus. In der Steiermark haben sie am Gaberl neun Schneekanonen angeschafft, dafür hat das kleine Skigebiet mit seinen zwei Schleppliften westlich von Graz viel Geld investiert: 22.000 Euro kostet jedes der Geräte. Ein Hubschrauber flog die an Ketten hängenden, 900 Kilo schweren Kolosse einzeln hinauf auf den Berg.

„Wir wollen so schnell wie möglich den Betrieb aufnehmen. Es ist schon alles bereit“, so Skilift-Betreiber Thomas Gauss. Die Beschneier stehen jetzt entlang der Hauptpiste, auch die Schneenetze sind schon gespannt. Nur eines fehlt den Gastronomen noch zu ihrem Winterglück: Frost.

Ohne Beschneiungsanlagen ist Wintersport nicht möglich

Ein Problem, mit dem sich viele Skigebiete dies- und jenseits der Alpen auseinandersetzen. Auch an der Zugspitze, mit 2962 Metern Deutschlands höchster Berg, haben sie sich den Saisonstart anders vorgestellt. Nicht nur dass die vor knapp einem Jahr erwartungsvoll eröffnete, 50 Millionen Euro teure Seilbahn seit einer Panne im Herbst stillsteht – auch den offiziellen Saisonbeginn am Freitag haben die Veranstalter wetterbedingt verschoben.

Der Wintersport im deutschsprachigen Raum kriselt vor sich hin. Die Skifahrerzahlen stagnieren, milde Winter erschweren das Geschäft. Ohne teure Beschneiungsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten gar nicht mehr möglich. Allein Österreich hat seit 2000 eine Milliarde Euro in Beschneiungsanlagen investiert. „Es gibt Regionen, in denen Skipisten keine Zukunft haben“, mahnt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV).

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    Eine DAV-Studie kommt zu dem Schluss, dass Wintersport in bis zu 50 Prozent der bayerischen Skiorte in den nächsten 15 bis 25 Jahren unmöglich sein wird. Bucher spricht von einem „Wettlauf gegen den Klimawandel“: Mit immer neuen Investitionen in Schneekanonen, Lifte und Gipfelattraktionen versucht die Tourismusbranche, weiterhin Gäste anzulocken.

    Viele Wintersportorte schließen sich zusammen. Etwa Lech Zürs und St. Anton, durch deren Fusion das mit 305 Pistenkilometern größte Skigebiet Österreichs (Ski Arlberg) entstand. Und im Dezember wollen sich zwei Regionen zur „Skiarena Andermatt-Sedrun“ vereinigen. Auch dort werben die Liftbetreiber mit einem Superlativ: Es entsteht das größte Wintersportareal der Zentralschweiz. „Der Feriengast schaut zuallererst auf die Größe eines Skigebiets“, sagt Tourismusmanagerin Klaudia Zortea aus Altenmarkt-Zauchensee im Salzburger Land. „Ob er diese Größe letztlich nutzt, ist dabei zweitrangig. Viele Skifahrer tun es nicht.“

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    Ein Problem des neuen Luxus: Seit die Skigebiete mit Schneekanonen hochgerüstet werden, steigen die Preise – was vor allem Familien vergrault. Der bayerische Verbund „Alpen plus“, zu dem kleinere Gebiete wie Lenggries, Wendelstein und Spitzingsee gehören, verlangt für sechs Tage Skifahren auf zusammen 160 Pistenkilometern in diesem Winter 195 Euro – mehr als acht Prozent Aufschlag gegenüber der letzten Saison. In Flims-Laax, Saas-Fee (Schweiz) oder Chamonix (Frankreich) kosten die Lifte sogar weit über 300 Euro.

    Trotzdem sieht die Branche keine Alternative zum Kunstschnee. Durch die Kanonen verbrauchen die Skigebiete laut Umweltexperten so viel Wasser wie die Millionenstadt München. Die Hoffnungen ruhen auf neuen Modellen, die Schnee aus künstlichen Wolken erzeugen und weniger Wasser und Strom benötigen.

    Nur in den Partyorten bereitet der kriselnde Wintersport kaum jemandem schlaflose Nächte. Kitzbühel etwa, wo Skifahrer bereits auf konserviertem Altschnee unterwegs sind, wirbt mit dem spektakulären Hahnenkammrennen. Und Ischgl lockt die Massen mit Superstars: In dieser Saison kommen Jason Derulo und Lenny Kravitz nach Tirol.

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