Kalamata. Erntezeit: Von November bis März werden im Süden der griechischen Halbinsel Peloponnes die grünen Oliven gesammelt und verarbeitet.

Ein wahrer Hagel von Oliven prasselt auf mich herab. Zwei wirbelnde Plastikrädchen, die Pános an einer langen Stange an die Zweige hält, verursachen diesen Fruchtregen. Unter den Füßen knackt es. Schnell runter von den Netzen und Planen, die unter den Bäumen ausgebreitet sind. Etwa 300 prallvolle Bäume sind es, die Geórgos und seiner Familie gehören.

Gleich hinter der Stadt Kalamata im Süden der griechischen Halbinsel Peloponnes, wo sich enge Kurven wie Schlangen den hier beginnenden „Mittelfinger“, die Mani, hinaufwinden, klettern seine Bäume den Hang aufwärts. „Hier wachsen die besten Oliven, weil nur wenig Erde über den Felsen liegt und die Wurzeln sich Nahrung aus dem mineralhaltigen Gestein holen“, erklärt Geórgos. Dann schneidet er mit einer schmalen Säge an langem Stiel ganz oben einen Ast voller Oliven ab.

„So ist es einfacher“, sagt er, „die Bäume müssen ohnehin jedes Jahr beschnitten werden.“ Den schweren Ast schleppt Frau Efi mit dicken Handschuhen zu einem Kasten, auf dem Walzen mit sich drehenden Gummistacheln die Oliven pflücken, die in einem Sack landen.

Die ganze Familie packt mit an

Alles muss flott gehen, die ganze Familie packt mit an. Geórgos ist Rezeptionschef in einem Hotel in Kala­mata, er hat vier Tage Urlaub genommen. Die jetzt reifen Oliven müssen geerntet und verarbeitet werden. „Die nächsten sind erst im Januar so weit“, sagt Vetter Thanássis. Endlich werden auch aus den Planen und Netzen wahre Meere von herabgefallenen Oliven in Säcke gefüllt. „Die müssen gleich noch zur Ölmühle“, sagt Pános.

Vetter Thanássis lässt schon den Motor des kleinen Lieferwagens an. Die Säcke werden von den Männern aufgeladen. „Feierabend!“, sagt Efi und zieht sich die dicken Handschuhe aus. Sie ­lebte lange Jahre in Deutschland in der Nähe von Hamburg. Sohn Pános studiert in Deutschland Fernsehtechnik, kommt aber alljährlich zur herbstlichen Olivenernte nach Hause. Nur Vetter Thanássis ist Farmer bei Kalamata.

Der Brei aus Kernen und Fleisch wird in Jutesäcke gespritzt

Einige Kurven höher werden die Oliven im kleinen Dorf Stavropigíon in der traditionellen Ölmühle der Familie Skarpalézos gewogen und mit Blättern in einen riesigen Trichter am Boden geschüttet. Auf geheimnisvolle Weise verschwinden die Blätter. Die Oliven werden zwischen zwei riesigen Mühlsteinen zermalmt – „seit fünf Generationen geht das so“, sagt Chefin Maria stolz.

Der graugrüne Brei aus Kernen und Olivenfleisch wird von dem kräftigen Vetter Wassilis dünn dosiert in Jute­säcke gespritzt und auf die Handpresse gewuchtet. Kalt gepresst fließt das frische Öl tatsächlich olivgrün in bereitstehende Behälter. Knallhart ist diese Arbeit.

Der immer noch etwas ölhaltige Rest aus den Säcken wird in eine Kammer unter der Mühle geschaufelt und verkauft – „zu verschiedenen Zwecken“, sagt Maria, die überall mit anpackt und sich den Schweiß von der Stirn wischt. In einer kurzen Pause gießt sie mir frisches Öl auf selbst gebackenes Brot. Es schmeckt unbeschreiblich gut und ­irgendwie kernig.

Familienessen auf der Art-Farm

Einen Kanister ihres „Extra Virgin“ bittet sie mich, auf der Rückfahrt nach Kalamata einige Kurven tiefer in der Art-Farm abzugeben. Das passt gut, dort wollte ich ohnehin vorbeischauen. Hier werden Gemüse, Salat und Kräuter ökologisch angebaut. Jeder kann unangemeldet täglich am Familientisch mitessen – gegen einen kleinen Obolus. Ganzjährig findet sonntags Backen und Kochen zum Mitmachen statt, und lokale Bands spielen im Halbrund eines Theaters.

Auch hier in der Farm hängen die Oliven wie Perlschnüre von den Bäumen. Noch sind sie grasgrün, hart und klein. „Erst im Februar/März werden wir sie ernten“, sagt Sohn Michális, der ebenfalls in Deutschland studiert: Theaterwissenschaften. Speiseoliven seien schon im September reif, jetzt bereits in Salzlake mit Kräutern eingelegt und im kleinen Shop zu kaufen.

Frisch geröstetes Brot mit Öl kommt überall auf den Tisch

Zurück im Elite City Resort in Kalamata direkt an der von Palmen gesäumten Strandpromenade, nehme ich jetzt noch schnell ein Bad im Meer, genieße danach bei einem Glas Rosé der Region ein vorzügliches Mahl im Hotelrestaurant Yiámas. Was immer man aus der illustren Speisekarte als Hauptgericht wählt: Frisch geröstetes Brot mit Olivenöl kommt sofort auf den Tisch.

Bei einer Verkostung am nächsten Tag in der kleinen Olivenölschule Trofopolíon beim Markt lerne ich, die Olivenöle aus verschiedenen Regionen Messeniens zu unterscheiden. Es ist ein neues Angebot für Touristen. Meister George Koutélas schaut gespannt, wie die Tester reagieren, wenn sie ihre Nase über das dunkelblaue Glas mit dem Olivenöl halten und ein winziges Schlückchen nehmen.

„Von süßlich über pikant bis bitter ist alles möglich“, sagt er und erklärt, das sei ähnlich wie bei Wein. Es komme auf die Sorte und auf die Lage an, ob flach oder am Hang, ob Fels oder Erde oder gar in Meeresnähe. Frisches Olivenöl sei wie ein junger Hengst – erst nach 30 Tagen bekomme es seinen eigenen Charakter.

In jedem kleinen Dorf wird geerntet

In Sachen Öl geht es danach mit dem Mietauto an die Westküste, um beim Ort Pylos den antiken Palast von König Nestor zu besuchen – das heißt, was Archäologen nach 3400 Jahren davon ­ausgegraben haben. Auf der Fahrt durch die zauberhafte Berglandschaft werden links und rechts der Straße wieder Oliven geerntet.

In jedem noch so kleinen Ort gibt es mindestens eine ­Ölmühle, allerdings meistens moderne, automatische. Hier werden nach dem Entleeren der Säcke in den großen Trichter im Boden die Oliven mit Blättern auf einer Art schmaler Rolltreppe aufwärts befördert und verschwinden dann. Ich kann noch erkennen, wie die Steinfrüchte – ohne Blätter – in ein Wasserbad purzeln. Danach ist nur noch eine lange Maschinenstrecke zu sehen, an deren Ende aus einem Rohr das olivgrüne Öl fließt.

Zur Messe wird die Glocke an Stricken per Hand geläutet

Dann, auf einem Hügel, in einem Meer von Olivenbäumen, ein Schild mit der Aufschrift „Palace of Nestor“. Unter einem Schutzdach erstaunen die Grundmauern nicht nur des Thron­saales. In den angrenzenden Magazinen lagerte das kostbare Olivenöl in rie­sigen, noch vorhandenen Tongefäßen. Auf Schiffen, die unten im Hafen lagen, ­wurde das kostbare Gut in andere Länder exportiert und auf erhaltenen Tontafeln darüber Buch geführt – in der damaligen „Linear B“-Schrift.

Mitten in Kalamatas schöner Altstadt werden im Archäologischen Museum erstaunliche Funde aus der Zeit Nestors ausgestellt, zum Beispiel kostbarer Goldschmuck. Sollte das ein Erlös aus dem Olivenölverkauf sein, frage ich mich. Sicher ist aber, dass der Handel mit den Früchten einen gewissen Reichtum einbrachte. Um das Museum laden kleine Restaurants und viele gemütliche Kafenía zum Genießen ein. Schnell kommt man mit den Einheimischen ins Gespräch, von denen viele Deutsch sprechen.

Die schmalen Gassen ziehen sich um die kleine byzantinische Kirche, die, wie die gesamte Altstadt, nach dem Erdbeben 1986 originalgetreu wiederaufgebaut wurde. Nach alter Weise wird die Glocke an langen Stricken per Hand geläutet zur Liturgia, der Messe. Mir wird bewusst, dass Kalamata zwischen Meer und Bergen in den sonnigen Herbstmonaten bis April – noch – ein Geheimtipp ist. Ich bin fast die einzige Touristin.

Tipps & Informationen

Anreise Mit Aegean Air oder Easyjet nonstop von Berlin nach Athen. Vom Flughafen mit Taxi oder Bus X93 (ca. 1 Std.) zum KTEL Busbahnhof für Überlandbusse. Abfahrt stündlich beim Bussteig Messenien bis Endstation Kalamata (ca. 3 Std., 24 Euro).

Übernachtung Zum Beispiel im Vier-Sterne-Hotel Elite City Resort an der Strandpromenade mit Blick auf Meer und Taýgetos-Gebirge. Der Bus hält vor dem Hotel. DZ ab 86 Euro, Tel. 0030/ 2721/02 24 34. Oder im Rex S.A. direkt in der Innenstadt, DZ ab 72 Euro, Tel. 0030/2721/ 02 23 34.

Essen zum Beispiel am alten Bahnhof im Kardamo.

Auskunft Auskunft und Informationen gibt es über die Website von Discover Greece.

Olivenöl-Verkostung Kalamata Olive School.

Art-Farm Infos über die Website von Art-Farm oder die Facebook-Seite artfarm kalamata.

Mietwagen Hertz Kalamata, Tel. 0030/ 2721/ 06 34 98

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Marketing Greece Athen, Aegean Air und das Elite City Resort Kalamata.)