Lima. Abseits der touristischen Routen können Reisende in Peru den Alltag der Inkas erleben. Ein Besuch ist ein Gewinn für beide Seiten.

Als sie das erste Mal Geld in den Händen hielt, war Mercedes 23 Jahre alt. Sie hatte einer Touristin ein paar selbst gestrickte Socken aus ­Alpaka-Wolle verkauft, für umgerechnet fünf Euro. „Das war 2005 und für mich einer der schönsten und emotionalsten Momente im Leben“, sagt die heute 36-Jährige zu der Reisegruppe, die vor ihr auf dem Marktplatzrand sitzt. Davor kannte die Peruanerin nur Tauschgeschäfte. Sie und die anderen Bewohner von Ccaccaccollo, einem Dorf im Heiligen Tal der Inkas, tauschten früher vor allem Kartoffeln, die hier auf 3600 Metern gut wachsen, gegen Obst.

„Ansonsten aßen wir, was die Felder an Getreide hergaben. Fleisch gab es so gut wie nie. Und die Häuser hier hatten ein­fache Strohdächer“, erzählt Mercedes. Während sie das sagt, rinnen Tränen ihr Gesicht herunter. Es ist die Erinnerung an eine Zeit, in der dieses Dorf und seine Bewohner keine Zukunft zu haben schienen. Obwohl es wunderschön gelegen ist, umgeben von den hohen Anden-Bergen, in der Nähe der Inka-Stadt Cusco und quasi direkt am Wegesrand in Richtung der von Touristen viel besuchten Inka-Ruine Machu Picchu.

Doch in Ccaccaccollo gab es keine Arbeit, außer der auf den Feldern – und nur Hunger und Armut. „Wir Frauen konnten uns noch nicht einmal unsere traditionelle Kleidung leisten, sie war einfach zu teuer. Wir hatten nur weben gelernt, aber niemanden, dem wir unsere Produkte verkaufen konnten“, erzählt Mercedes, die nun im Vorstand der Weberinnen-Kooperative ist und umringt wird von Frauen mit langen schwarzen Zöpfen und bunt bestickten Röcken.

Einheimische sollen profitieren

Rund 60 Frauen gehören zur Kooperative. Jeden Tag empfangen sie Gruppen von G Adventures, einem Reiseveranstalter, der sich als ­soziales Unternehmen die direkte Unterstützung und Entwicklung von lokalen Gemeinden auf die Fahnen geschrieben hat. Bruce Poon Tip, Gründer von G Adventures, der diese Reise durch Peru mit begleitet, erklärt:

„Wir wollen mit unseren Gruppen nicht nur durch die Länder reisen, sondern auch Einheimische davon profitieren lassen und ihnen helfen, ein kleines Geschäft aufzubauen. Somit können sie ihre Kultur erhalten, ihre Familie ernähren, und wir bieten unseren Gästen ein ganz besonderes Erlebnis durch den Kontakt zu den Dorfbewohnern.“

Im Heiligen Tal der Inkas zeigen Weberinnen ihre Kunst

Jedes Jahr besuchen rund 18.000 Reisende dieses Veranstalters Machu Picchu. Davor kommen sie nun alle auf ihrem Weg durch das Heilige Tal der Inkas zur Weberinnen-Kooperative nach Ccaccaccollo, lassen sich die traditionelle Färbe- und Webkunst zeigen, sehen sich im Dorf um, streicheln die Alpakas und Lamas und kaufen idealerweise einen der wunderschönen Pullover, Schals oder Ponchos im Inka-Stil. Wer möchte, kann auch bei einer Familie übernachten und somit noch tiefer in die Kultur dieser Menschen eintauchen.

In Kontakt kamen die Frauen des Dorfes mit dem Cusco-Büroleiter vor rund 15 Jahren, als der in der Gegend ­Träger für die Inka-Trails suchte und einige Männer dafür engagierte. „Wir zeigten dem Manager unsere Webereien, daraus entstand die Idee für unsere Kooperative“, erzählt Mercedes, die das Projekt gemeinsam mit 15 Weberinnen startete. Heute profitieren alle 880 Bewohner der Gemeinde von der Kooperative. Die Häuser sind renoviert, mit Dachpfannen bedeckt, es gibt einen großen asphaltierten Parkplatz – „und meine beiden Kinder werden einmal zur Universität gehen“, sagt Mercedes selbstbewusst.

Die Frauen weben bunte Stoffe, die sie verkaufen. Foto: Sabine Tesche Sabine Tesche

Die Familien leben von der Landwirtschaft

Nach dem Besuch der Weberinnen geht es entlang dem Urubamba-Fluss vorbei an Inka-Ruinen und kreisförmig angelegten Terrassen zum Mittagessen ins Parwa Community Restaurant in dem kleinen Ort Huchuy Qosco, der wunderschön eingebettet liegt zwischen den bis zu 5000 Meter hohen Bergen.

Die 70 Familien des Ortes leben überwiegend von der Landwirtschaft, die Frauen bleiben vor allem zu Hause und versorgen die ­Tiere. Es gab kaum Infrastruktur – bis 2013, als G Adventures gemeinsam mit der firmeneigenen Stiftung Planeterra und dem Multilateral Investment Fund, einem unabhängigen Fonds, der von der Interamerikanischen Entwicklungsbank verwaltet wird, auf die Idee kam, in dem Ort ein Gemeinde-Restaurant für Touristen zu eröffnen.

Mit Musik und Tanz geehrt

„Es gab schon ein Gebäude, aber wir haben rund 300.000 Dollar für die Küchenausrüstung, das Restaurant und die WCs investiert. Außerdem hat ein Koch aus Cusco hier drei Monate lang die Köchinnen ausge­bildet“, sagt Bruce Poon Tip, der sichtlich gerührt ist von der Zeremonie mit Musik und Tanz, die ihm zu Ehren abgehalten wird. Die Leute wollen ihre tiefe Dankbarkeit ausdrücken – denn sein Investment hat den ganzen Ort verändert. Nicht nur, dass 15 Köchinnen und weitere 45 Männer und Frauen eine Arbeit gefunden haben, die Gemeinde finanzierte aus den Gewinnen zudem einen Computerraum für die Schulkinder, eine Bibliothek und ein Stipendienprogramm.

„Das Restaurant hat mein Leben so verbessert“, sagt Chefköchin Rocio. „Vorher war ich nur zu Hause, wir konnten uns kaum etwas leisten. Jetzt verdiene ich Geld, wir haben ein schönes Haus und meine Kinder bekommen eine gute Ausbildung.“ Zudem haben die 35-Jährige und ihre Kolleginnen bereits 35 wei­tere Köchinnen ausgebildet, die nun Berufsperspektiven in anderen Restaurants haben. Und inzwischen kommen auch andere Touristengruppen in das schöne Dorf. „Viele unserer Reisenden finden es gut, dass sie mit ihrem Besuch etwa Gutes tun“, sagt Bruce Poon Tip.

Nach Machu Picchu geht es zu Fuß – oder in einem vollverglasten Zug

Vom Parwa Community Restaurant ist es nur eine Stunde bis zum Hotel Casa Andina Premium, mitten im Heiligen Tal, nur 20 Minuten vom Bahnhof Ollantaytambo entfernt. Von dort geht es am nächsten Tag zu einem Höhepunkt jeder Peru-Reise, der Inka-Stätte Machu Picchu. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese versteckt liegende Ruinenstadt auf 2400 Meter Höhe zu erreichen – zu Fuß in vier Tagen über den Inka-Trail oder mit einem vollverglasten Zug, was auch ein Erlebnis ist.

Die Strecke nach Aguas Calientes führt mit dem Zug nicht nur vorbei an Inka-Ruinen, spektakulären Schluchten und schneebedeckten Bergen, die Schaffner servieren auch Kaffee und Snacks und führen bei einer Modenschau zu fetziger südamerikanischer Musik Pullover und Jacken vor, die man auf dem Rückweg von dem Unesco-Welt­kulturerbe direkt im Zug erwerben kann.

Unser Führer in Machu Picchu ist Chocho. Er ist ein „CEO“ – Chief Experience Officer. Bei G Adventures werden so Reiseleiter genannt, die Bezeichnung soll ihnen Selbstbewusstsein geben und den Touristen die Sicherheit, mit einem Experten unterwegs zu sein. Chocho ist bereits seit sieben Jahren dabei, sehr mit der Natur und dem kulturellen Erbe verbunden, und sein Gang durch die imposante Inka-Ruine wird so für unsere Gruppe zu einem besonderen, spirituellen Erlebnis, das auf der mehrstündigen Busfahrt zurück in die schöne Inka-Stadt Cusco noch nachwirkt.

Auf Märkten bieten die Einheimischen Lebensmittel und Stoffe an.
Auf Märkten bieten die Einheimischen Lebensmittel und Stoffe an. © Getty Images/Universal Images Group | Education Images/UIG

In der Altstadt besuchen wir Andres Zu­niga Peña, der in einem Kolonialhaus aus dem 17. Jahrhundert das Restaurant und Hotel Fallen Angel aufgemacht hat. In seinem Haus stellt Andres Werke junger Künstler aus der Gegend aus. Seine Dekoration ist allerdings etwas bizarr, es gibt Engel in allen Variationen, manche erscheinen wie direkt aus einem Alptraum gestiegen – das Fallen Angel könnte wahrscheinlich auch im West Village von New York überleben.

Ehemaligen Reiseleitern wird bei der Existenzgründung geholfen

Auf der Peru-Tour treffen wir immer wieder ehemalige Reiseleiter, die sich mit einem kleinen Geschäft selbstständig gemacht haben. „Einige unserer Mitarbeiter sind nach den vielen Touren, bei denen sie oft wochenlang weg von ihrer Familie sind, ausgebrannt und wollen etwas Eigenes aufmachen. Das finden wir gut und unterstützen sie dabei, meistens arbeiten wir danach zusammen. Davon können wir dann alle profitieren“, erklärt Unternehmer Bruce Poon Tip, der dafür extra Geld in den firmeneigenen G Values Fund gegeben hat.

Bei diesem Fonds können sich ehemalige Mitarbeiter mit ihrer Projektidee bewerben und Kredite zu günstigen Konditionen erhalten. Einer von ihnen ist Ruben Diaz, der vor zwei Jahren aufgehört hat, um die Welt zu reisen, einen Kredit von 5000 Euro erhalten hat und nun in Perus Hauptstadt Lima mit seiner Agentur Best Bite Peru besondere Führungen anbietet. So geht Ruben mit uns über einen lokalen Lebensmittelmarkt und erklärt ausführlich die Obst-, Gemüse- und Fischsorten des Landes.

Danach geht es ins La Trastienda direkt am Meer, wo wir neben dem Nationalgericht Ceviche – Fisch, mariniert in einem Limonensud mit Chilis – auch Pisco Sour zubereiten. Der landestypische Cocktail wird aus Traubenschnaps (Pisco), Limettensaft, Zuckersirup und Eiweiß gemixt. Rubens amüsante Führungen kommen gut an, und für die, die sich zunächst ein paar Tage in Lima aufhalten, ist es eine tolle Einführung in die peruanische Kultur. Für Ruben bedeutet es, dass er, statt immer im Land herumzureisen, nun seine Kinder aufwachsen sieht.

Tipps & Informationen

Anreise Nach Lima fliegen zum Beispiel KLM über Amsterdam oder Lufthansa und Brussels Airlines über New York.

Übernachtung zum Beispiel im Casa Andina Premium Valle Sagrado, Uru­bamba, ab 130 Euro, Cusco Casa Andina Private Collection, ab 120 Euro, Hotel Fallen Angel, Cusco, ab 200 Euro.

Rundreisen durch Peru bietet z. B. G Adventures.

Unternehmung Eine kulinarische Tour durch Lima bietet Best Bite Peru.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch G Adventures.)