Hamburg. Die Bergedorfer Schifffahrtslinie setzt bei Flusskreuzfahrten auf die Abwesenheit von Attraktionen und Ablenkung. Dafür gibt es Ruhe.

Bereits die erste Kontaktaufnahme mit der Bergedorfer Schifffahrtslinie lässt aufhorchen. Auf die Frage, ob es denn während der angebotenen Mini-Kreuzfahrt über die Kanäle zwischen Hamburg und Berlin irgendein Enter­tainment an Bord des Ausflugsschiffes „Serrahn Queen“ gebe, stockt die freundliche Dame am Telefon. Um dann, nach kurzem Zögern, einzu­räumen: „Wir haben Brettspiele. Aber die nutzt eigentlich keiner.“ Sonstige Zerstreuung an Bord: ein Stapel tagesaktueller Zeitungen, ein paar Magazine – das war’s.

Minimalismus pur. Allerdings nicht aus Versehen oder Finanzknappheit, sondern aus voller Überzeugung, wie der Eigentümer der nach eigener Darstellung mit drei Fahrgastschiffen kleinsten Reederei Hamburgs betont. „Das ist eine grundehrliche Geschichte“, sagt Heiko Buhr. „Wir wollen unseren Gästen die Wasserstraßen zeigen, die sie so garantiert noch nie gesehen haben.“ Und da würde Ablenkung jedweder Art eher stören, wie Binnenschifffahrtskapitän Buhr betont.

Die Natur gibt ihm recht. Eigen­händig steuert der 46-Jährige die „Serrahn Queen“ über die Dove Elbe durch die Vier- und Marschlande, von alters her der Obst- und Gemüsegarten der Hansestadt. Der Trubel einer Millionenmetropole ist hier weit entfernt. Im Gegenteil: Windmühlen und Treibhäuser stehen am Ufer, Bäume recken ihre Äste wie dichte Fächer über das Flussbett, ein paar Graureiher stürzen sich in mäandernden Seitenarmen auf Nahrungssuche ins Wasser.

Viele Flusskreuzfahrtschiffe fahren ausschließlich nachts

Manchmal ist die Fahrrinne so eng, dass meterhohes Schilf am Schiff schabt, während es sich mit gerade mal zwölf Stundenkilometern in Richtung Elbe-Seitenkanal schiebt. Zügiger geht es nicht. „Die meisten anderen Schiffe könnten diese Route gar nicht fahren“, sagt Buhr.

Die 33 Meter lange „Serrahn Queen“ kommt auf gerade mal 110 Zentimeter Tiefgang – ähnlich wie die ortstypischen Ewer, jene Segelschiffe mit Flachkiel, die an den zahlreichen Anlegern am Ufer vertäut sind. Diesen Booten fällt das Navigieren in dem vor langer Zeit eingedeichten Seitenarm der Elbe leicht, während große Kabinen-schiffe, wie sie beispielsweise auf der Donau kreuzen, hier definitiv aufgeschmissen wären.

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Zumal diese Schiffe nach Meinung von Reeder Buhr den Sinn einer Flussreise ins Gegenteil verkehren: Um die Fahrt als solches gehe es da nicht, sondern eher darum, möglichst viele Orte abzuklappern. Und damit die Passagiere tagsüber die angesteuerten Städte erkunden können, „klüddern diese Pödde meistens abends oder nachts“, wie er in seinem hartnäckigen Hamburger Dialekt sagt. Von den Schönheiten der Landschaft kriegen die Passagiere deswegen kaum etwas mit.

Vielen Gästen ist das Hetzen durch Städte zu stressig

Die 40 Gäste, die auf der „Serrahn Queen“ über die norddeutschen Kanäle schippern, wissen das – und haben sich genau deswegen für eine Tour mit der Bergedorfer Schifffahrtslinie entschieden. Vielen ist das Hetzen durch meh­rere Städte an Rhein, Mosel oder Donau auch einfach zu stressig. Elisabeth Runge beispielsweise, eine 88-Jährige, die eigentlich anders heißt, ihren richtigen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will, hat schon zahlreiche Touren mit großen Kreuzfahrtschiffen gemacht.

Sie hat Feuerland umrundet, den Panama-Kanal durchfahren, Bangkok gesehen, in Australien die Füße in den Pazifik getaucht. Mehr als 100 besuchte Länder stehen auf ihrer eindrucksvollen Liste. Ihr hohes Alter sei allerdings nicht der Grund, solche Reisen nicht mehr ins Auge zu fassen. „Ich habe viel von der Welt gesehen“, sagt die fidele Rentnerin, die sich nach jedem Mittagessen an Bord ein Glas Rotwein gönnt. „Aber meine Heimat kam immer zu kurz. Ich will entdecken, was Norddeutschland zu bieten hat.“

Nach den beeindruckenden Flussauen der Dove Elbe und der herbst­lichen Vegetation der Lüneburger Heide, die an den ersten beiden Tagen an den Passagieren vorbeiziehen, leider erst mal nicht viel. Vor allem das Stück zwischen Wolfsburg und Magdeburg auf dem Elbe-Havel-Kanal ist, genau genommen, Ödnis pur. Wenig Bewuchs schmückt das Ufer, die betonierten Mauern des Kanalbeckens kennen kaum Abwechslung.

Jede Nacht wird ein anderes Hotel angesteuert

Die Passagiere stört es nicht. Sie sitzen auf dem Panoramadeck, betrachten die Landschaft, dösen in der Sonne und entspannen. Diverse Schleusen, ein Shopping-Ausflug ins Wolfsburger Designer-Outlet-Center oder die Autostadt des VW-Konzerns sind die Höhepunkte des Tages. Anschließend hat Kapitän Buhr Pause, seine Passagiere fahren mit dem Bus weiter in ihr Vier-Sterne-Hotel in der Magdeburger Innenstadt, suchen sich dort ein Restaurant, relaxen im hoteleigenen Spa oder tapern erkundungswillig durch die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts.

Ein weiterer Unterschied zu den herkömmlichen und viel größeren Kabinenschiffen. Dort beziehen die Passagiere ihre eigene Kabine, während die Gäste der „Serrahn Queen“ jeden Nachmittag in ein anderes Hotel gehen. Für Marion Prestine, die sich kurz vor Brandenburg an der Havel auf dem Panoramadeck des Schiffes in eine weiche weiße Decke kuschelt, ist das ideal.

„Ich schlafe lieber in einem echten Bett als in einer engen Koje“, sagt die 62-Jährige, die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten die Tour nach Berlin gebucht hat. Ob es sie nicht stört, dass es kaum ein vorgegebenes Programm auf der Reise gibt? „Überhaupt nicht“, sagt sie, „für mich ist das Entschleunigung pur.“ Schließlich könne sich jeder selbst überlegen, wie er die Nachmittage und Abende auf der Fahrt gestaltet. „Wir sind ja alle drei mal sieben.“

Eine Verbindung der Städte ohne lange Transfers

Der Altersschnitt auf den Mini-Kreuzfahrten der Bergedorfer Schifffahrtslinie ist tatsächlich ein wenig höher als auf anderen Schiffen – doch Heiko Buhr legt Wert darauf, dass es sich um keine reine Rentnerbespaßung handelt.

„Zwei oder drei jüngere Pärchen sind immer dabei“, sagt er, die meisten seien aus Hamburg und Umgebung. Zwar buchten in den letzten Jahren immer mehr Amerikaner seine Touren, die während ihres Hamburg-Trips eine Abwechslung zur Großstadtkulisse und das ländliche Deutschland suchten. Auch afrikanische Gäste fuhren bereits mit. Dass aber jemand eigens aus München hoch nach Hamburg kommen würde, um eine seiner Fahrten mitzumachen, hält er für nahezu ausgeschlossen.

Sein Angebot richte sich eher an Hamburger und Berliner, die einfach die kurzen Wege schätzen und ihre Heimat kennenlernen wollen. Keine langen Transfers mit Auto oder Zug zum Airport, kein stundenlanger Flug – einfach aus der Haustür stolpern, direkt in Bergedorf (oder in Berlin) an Bord gehen, ein paar Tage durch die Gegend schippern und die Landschaft genießen, wie es sonst kaum möglich ist.

Nur Bootsstege verraten die Anwesenheit von Zivilisation

Vor allem die letzte Etappe zwischen Brandenburg an der Havel und Berlin entschädigt für die ein oder andere ­Länge an den vorherigen Tagen. Frühmorgens bricht die „Serrahn Queen“ auf, lediglich ein paar Reiher auf Nahrungssuche durchbrechen den Morgennebel über der Havel. Der Bewuchs wird dichter, spätestens auf Höhe Potsdam und dem Wannsee sieht man vor lauter Weiden, Birken und Eichen kaum noch die zahlreichen Villen am Flussufer. Oft verrät nur ein einsamer Bootssteg die Anwesenheit menschlichen Lebens.

Eingerahmt von den typischen bunten und kleinen Bungalowbooten, den sogenannten BunBos, nähert sich das Binnenschiff langsam Berlin. Die ge­ringe Höhe der „Serrahn Queen“ von 3,30 Metern ist ideal für das Brücken- und Kanalnetz der Hauptstadt. Die maxi­male Durchfahrtshöhe sind vier Meter, die wenigsten Ausflugsschiffe können das einhalten.

Und als das Schiff dann den Spreebogen erreicht und den Reichstag auf Steuerbord passiert, versammeln sich alle Passagiere auf dem Panoramadeck, „um der Kanzlerin zuzuwinken“, wie Heiko Buhr sagt. Kurz darauf legt sein Schiff nahe der Friedrichstraße an. ­Berlin ist an diesem Frühlingstag angenehm ruhig, der übliche Trubel der Weltstadt meilenweit entfernt – und doch sind manche Passagiere wirklich betrübt. Sie wollen das Schiff eigentlich gar nicht verlassen.

An Bord war es die fünf Tage während der Mini-Kreuzfahrt ruhiger, langsamer, entspannter sowie reizarm – und genau dadurch enorm reizvoll.

• Tipps & Informationen

Anreise Mit der Bahn nach Hamburg, dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis Bergedorf, die Mini-Kreuzfahrten mit der „Serrahn Queen“ starten im Bergedorfer Hafen an der Serrahnstraße.

Angebot Mini-Kreuzfahrt Hamburg–Berlin oder Berlin–Hamburg, fünf Tage, vier ächte/Frühstück in Vier-Sterne-Hotels, Mittagessen an Bord, zwischen 789 Euro und 899 Euro pro Person.

Hamburg–Berlin 2018 17. bis 21. Mai, 14. bis 18. Juni, 5. bis 9. Juli, 23. bis 27. August, 27. September bis 1. Oktober

Berlin–Hamburg 2018 20. bis 24. Mai, 17. bis 21. Juni, 8. bis 12. Juli, 26. bis 30. August, 30. September bis 4. Oktober

Auskunft Bergedorfer Schifffahrtslinie, Tel. 040/73 67 56 90, www.barkassenfahrt.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch die Bergedorfer Schifffahrtslinie.)