Maskat. Ein prachtvolles Musikhaus ist Magnet im Scheichtum am Golf – ein Land, das sich durch Weltoffenheit von den Wüstennachbarn absetzt.

Schuld ist mein Neffe“, sagt der freundliche, ein wenig schüchterne Mann im weißen Kaftan, „er liebt Opern.“ Der Mann heißt, wie er in der Pause verraten wird, Khalid Zaid, ist Buchhalter in einer Klinik und sein Neffe ­Mohamed erst 16 Jahre alt. Gebannt folgen die beiden den Irrrungen und Wirrungen eines tanz- und gesangsstarken Ensembles aus der Ukraine. Rund 40 Tänzer und Tänzerinnen wirbeln beim Ballettmusical „Die Seiden­straße“ über die Bühne, und da die alte Handelsstraße von Andalusien über den Oman bis Peking führt, gibt’s Sonderapplaus bei jedem heimischen Bezug.

Von allen Seiten sind die Zuschauer über einen Marmorplatz in das prachtvolle Opernhaus von Maskat geströmt. Am Eingang des ­Kulturpalasts spiegeln sich die Menschen im glatt polierten Marmor in der anbrechenden Dunkelheit wie in einem See. Eng­lische, deutsche, französische, japanische, indische und ­arabische Sprachfetzen klingen durch die Nacht.

Das erste Opernhaus in den Golfstaaten

Männer in Dishdasha-Tuniken unter­halten sich mit jungen Frauen in weißen Jeans mit Glitzertops, betagte Engländerinnen in ­Kleidern mit Schärpe warten neben Inderinnen in bestickten Saris. Von außen wirkt der Opernbau wie eine eher moderne Festung aus Sandstein und Marmor, von innen wie ein Märchenschloss aus „1001 Nacht“. Neuschwanstein mit Wüstenflair.

Ein Musikhaus nach westlichem Vorbild ­erwartet der Oman-Reisende nicht unbedingt. Das Royal Opera House Muscat – die könig­liche Oper von Maskat– wurde 2011 eröffnet und war das allererste der Golfstaaten; im vergangenen Jahr zog Dubai mit einem kleineren Musikhaus nach. Der Urlauber steht vor dem majestä­tischen Bau und ist froh, sich nach seinen Wüstenausflügen der letzten Tage gründlich entstaubt und in Schale geworfen zu haben.

Ikonen wie Placido Domingo und der Jazzer Al Jarreau traten hier auf

Meist blicken die Reisenden in der uralten Bauern- und Intellektuellenstadt Niswa gebannt auf ein Dattelpalmenmeer von den ­Zinnen einer Dattelfestung aus dem 17. Jahrhundert. Angreifern goss man hier früher zur Verteidigung ganz ­unzimperlich kochend heißen Dattelhonig über den Kopf, wenn sie zu ­nahe kamen. Heutzutage gibt es in Niswa auch eine Mädchenuniversität, dort allerdings, so versichern Landeskundige, soll es friedlicher ­zugehen. Nach so viel Dattelanekdoten nun ­also Hochkultur.

Klassik-Ikonen wie Placido Domingo und Anna Netrebko sind bereits in der königlichen Oper aufgetreten. Die Regensburger Dom­spatzen wurden ebenso umjubelt wie der ­verstorbene Jazzer Al Jarreau. Im Publikum ­finden sich Einheimische, im Oman lebende Ausländer, aber auch immer mehr Touristen, für die der Opernbesuch einer der Höhepunkte ihrer Reise ist. „Mit Klassik in der Wüste hatten wir nicht gerechnet“, sagte ein Ehepaar aus ­Lübeck erfreut über das unerwartete Erlebnis.

Gäste in der Oper von Maskat.
Gäste in der Oper von Maskat. © Tapper | Andrea Tapper

Die Spielstätte ohne eigenes Ensemble lebt von hochkarätigen Gastauftritten aus ­aller Welt, die Wiener Staatsoper zum Beispiel kam mit Figaros Hochzeit im Gepäck. Musik kennt keine Sprachbarrieren, und wenn doch: In den Rücksitzen gibt es einen kleinen Bildschirm mit Übersetzungen. Man kann sich die Oper mit einem Reiseführer auch hinter den Kulissen zeigen lassen. Das Repertoire sei ­„bewusst breitgefächert zwischen Oper, Schlager und Weltmusik“, erläutert Sultanssprecherin Radhiya Al Zadjali, schließlich ­wolle der Landesherrscher sein Volk „behutsam an westliche Klassik heranführen“. Ein eigenes Symphonieorchester unterhält das Land am östlichen Rand der arabischen Halbinsel bereits seit 30 Jahren.

Der Oman will seine Schätze bewahren und gleichzeitig weltoffen sein

Behutsam scheint tatsächlich das Stichwort im Oman – nicht für den Spagat zwischen westlicher und orientalischer Kultur, sondern für den gesamten Lebensstil im einzigen Scheichtum mit Bergen und Geschichte auf der Arabischen Halbinsel. Nicht höher, schneller, weiter wie bei seinen größenwahnsinnigen Wüstennachbarn Dubai und Abu Dhabi lautet hier die Devise: Der Oman, der auf eine 5000-jährige Seehandelstradition zurückblickt, will seine Schätze bewahren und gleichzeitig weltoffen sein.

Innerhalb einer Generation hat die Heimat von Sindbad, dem Seefahrer, einen rasanten Wandel hingelegt, gilt heute mit einem Grundeinkommen von umgerechnet etwa 1000 Euro und kostenlosen Schulen als „die Schweiz Arabiens“: sicher, sauber, wohlhabend. Moder­nisiert hat den lang gezogenen Wüstenstaat im Alleingang der allseits beliebt scheinende Reformsultan Qabus bin Said.

1970 gab es nur drei Kilometer Straße im Oman

Als der heute 77-Jährige 1970 seinen Vater an der Macht ablöste, gab es drei Kilometer Straße in dem Königreich mit riesigen Gas- und Ölvorkommen. Inzwischen kurvt eine wachsende Zahl Urlauber in Leihwagen über ein perfektes Straßennetz. 3165 Kilometer Küste hat das Land am östlichen Rand der arabischen Halbinsel, das im Süden bis an den Jemen reicht. Fast so groß wie Deutschland, hat der Oman nur vier Millionen Einwohner.

Während die Balletttänzer über die Bühne wirbeln, hat der Urlaub machende Opernbesucher Zeit, seinen eigenen Orienterlebnissen nachzuhängen. Im Beduinencamp Desert Nights in der Wahiba Wüste zum Beispiel ist er mit Allradjeeps auf die Kronen der Dünen gerast. Pärchen saßen eng umschlungen auf dem Wüstenkamm, vor den Luxuszelten parkten Kamele. Die Wüste Wahabi ist nur 180 Kilometer lang und 80 Kilometer breit, weist jedoch die gleiche Pflanzen- und Tiervielfalt auf wie die großen Wüsten dieser Welt.

70 Prozent des Oman sind Wüste. Eine Wadi-Oase, einen Canyon, ein Fort, ein Wüstencamp und einen der tollen Strände – beispielsweise auf der Halbinsel Musandam im Norden, im Badeort Salalah im Süden oder direkt vor der Hauptstadt – gehören zu den ­Besonderheiten des Landes, die man auf jeden Fall gesehen ­haben will. Auch der Stadtstrand von Maskat vor dem beliebten Luxushotel The Chedi ist gut zu benutzen. Häufig liegt über der arabischen Halbinsel zwar ein Dunstschleier, doch die ­Sonne bräunt trotzdem.

Der Muttrah Souk ist aufgeräumt wie ein deutscher Supermarkt

Das Stück „The Great Journey“ in der Oper von Maskat.
Das Stück „The Great Journey“ in der Oper von Maskat. © AFP/Getty Images | MOHAMMED MAHJOUB

Im Süden kann man auf Weihrauchplantagen zusehen, wie der mythische Duftstoff aus der Rinde gewonnen wird. Noch mehr Orientdüfte gibt es direkt vor den Toren Maskats in einem kleinen Familienbetrieb. Er stellt das teuerste Parfüm der Welt her, Amouage genannt.

Alles ist hochmodern, man sieht frische Kräuter in kleinen Boxen, die auf ihre Verarbeitung warten, und Laborgläser. Ein 100-Milliliter-Flakon kostet 340 Euro. Preiswertere Düfte gibt es an der Corniche, der Uferpromenade von ­Maskat, im blitzsauberen Muttrah Souk: Ro­senwasser, schwere Orientparfüms, Gewürze und Ledertaschen gehören zum Sortiment. Der Souk ist mindestens so aufgeräumt wie ein deutscher Supermarkt.

Die Orgel stammt aus Bonn

Zurück in die Oper: Die ebenso pompöse wie filigrane Innenausstattung – Decken-Intarsien aus echtem Gold und großflächige Holzschnitzereien – wurde nach traditio­nellen omanischen Techniken gefertigt. Schon für den Bau der Großen Moschee 2001, einer weiteren Sehenswürdigkeit Maskats mit einem hand­geknüpften Teppich von 4000 Quadratmetern, rief Landesvater Qabus Holzschnitzer-Workshops ins Leben, in denen alte Fertigkeiten wieder erlernt werden sollten. Die 500 Tonnen schwere Opernorgel mit 4542 Orgelpfeifen stammt vom Orgelbauer Klais aus Bonn.

Weil der Staatschef ein Liebhaber von ­Klassikmusik ist, finanzierte er den millionenschweren Opernbau aus seiner Privattasche. ­Alles kann man Opernsprecherin Radhiya ­fragen, doch wie viel der Kulturpalast gekostet hat, verrät sie nicht. Nur so viel: Geld spiele „doch wirklich keine Rolle, wenn einem etwas ans Herz gewachsen ist“. Der Sultan habe sich in Deutschland, ja konkret in München, in klas­sische Musik verliebt. Es heißt, dass er dort ­wegen eines Krebsleidens seit einigen Jahren in Behandlung ist.

Die Karten kosten zwischen sieben und 160 Euro und können online gebucht werden

Radhiya hat eine PR-Ausbildung durchlaufen und findet es „selbstverständlich“, als Frau im Scheichtum zu arbeiten“. „Finden Sie nicht, dass ich den schönsten Arbeitsplatz der Welt habe?“, fragt sie und zupft den dünnen Seidenschal zurecht, der ihre Haare kaum ­bedeckt. Die Karten, hochsubventioniert, kosten zwischen sieben und 160 Euro und können übers Internet gebucht werden. „Die Oper ­gehört inzwischen definitiv zum Gesellschaftsleben im Oman dazu“, sagt der deutsche Verleger Dietrich Olms, der mehrere wissenschaftliche Bände über das Land veröffentlicht hat und oft in Maskat zu Gast ist.

Nach 40 Minuten des ersten „Seidenstraßen“-Akts macht das ukrainische Ballett eine Pause. Wie überall auf der Welt drängen die ­Zuschauer plappernd und fröhlich ins Foyer, vor einem Ausschank bilden sich Schlangen. Auch der omanische Onkel und sein Neffe sind unter den War­tenden. Wer sich jedoch in der Pause nach so viel schönen Erlebnissen in guter Operntradition ein Gläschen Champagner gönnen will, wird enttäuscht.

Im Oman wird öffentlich kein Alkohol ausgeschenkt

Ob der höflich ausgesprochenen Bestellung lacht der Barmann nur freundlich und verweist auf eine eher traurige Galerie süßer Limo­naden in 0,5-Liter-Plastikflaschen. Wie konnte man es vergessen: Im Oman wird öffentlich kein Alkohol ausgeschenkt. Nur in den großen Hotels und westlichen Restaurants bekommenen die Besucher Bier, Wein und Spirituosen serviert.

So landen auf der Jagd nach Genuss­vollem nach Ende der Vorstellung alle in der glitzernden Mall, die der Oper angeschlossen ist. Besonders populär: die Dependance des franzö­sischen „Fauchon“-Restaurants, mit Bergen verlockender Macarons in den Aus­lagen. Hier trifft sich ganz Maskat zum Ab­sacker. Was dem Deutschen sein Wein, scheint dem Araber sein Süßes. Nur die Oper, die gefällt allen

Tipps & Informationen

Anreise: z. B. mit Lufthansa und Oman Air über München nach Maskat.

Unterkunft: z. B. Hotel Chedi in Maskat (www.ghmhotels.com ), Anantara in Salalah (www.anantara.com); DZ/F ab 340 Euro über airtours.de; günstigere Hotels auf www.omantourism.de

Touren: z. B. acht Tage im Geländewagen mit Hotel ab 1700 Euro, Tischler Reisen. Kombi Dubai-Oman, ab/ bis Dubai, 9 Tage ab ca 1525 Euro mit Tui. Oman deluxe im Jeep mit Reiseführer und Top-Hotels, 7 Tage ab 2600 Euro (www.airtours.de).

Operntermine: www.rohmuscat.org.om

Auskunft: www.omantourism.de

(Die Reise wurde unterstützt durch Oman Tourism Board und Oman Air.)