Schönau. Der deutsch-französische Burgenweg verbindet das, was eigentlich zusammengehört: Geologie, Natur, Geschichte und viele Geschichten.

Auf Burg Lutzelhardt gegenüber nistet der Kolkrabe, die Ruine ist für Besucher gesperrt. Aber es scheint sowieso kaum jemand unterwegs zu sein im größten westeuropäischem Waldgebiet zwischen Nordvogesen und Pfälzer Wald: 3000 Quadratkilometer Biosphärenreservat, diverse Grüntöne auf schön geschwungenen Bergkuppen, grenzenlose Stille. In die plötzlich das Handy funkt: „Willkommen in Frankreich“, meldet der Telefonanbieter, als wir gerade den Bayerischen Windstein, eine gesicherte Aussichtsplattform auf rotem Sandstein, erklommen haben.

Der Name erinnert an die Zeit, als die Pfalz noch zu Bayern gehörte. Und die Grenzsteine, die von hier mitten durch den Wald steil hinab nach Obersteinbach im Elsass führen, an ein bayerisch-französisches Grenzabkommen von 1825. Seitdem ist viel passiert, eine höchst wechselvolle Geschichte zwischen Deutschland und Frankreich, auf deren Spuren man heute grenzenlos wandern kann.

30 Kilometer langer Weg voller Geschichte

Der Deutsch-Französische Burgenweg von Schönau über Wegelnburg, die höchstgelegene Burganlage der Pfalz, bis nach Obersteinbach und über eine weit geschwungene Schleife wieder zurück ist dafür ein junges Beispiel. Der Weg ist über 30 Kilometer lang, er verbindet Geschichte und Geschichten, markante Felsformationen aus verwittertem Sandstein und acht Burgruinen auf kühnen Plateaus.

Am bekanntesten ist die Vogesenburg Fleckenstein, die einzige, bei der Öffnungszeit und Eintritt zählen. Alle anderen sieben Burgen bieten rund um die Uhr Aussicht, Rastplatz und bisweilen auch – zum Missfallen der Wegbetreiber aus dem Dahner Felsenland – Ruhestätte.

Sand, Muschelkalk und Ton prägen die gesamte Region

Die Ruine Chateau de Fleckenstein bei Obersteinbach, Frankreich.
Die Ruine Chateau de Fleckenstein bei Obersteinbach, Frankreich. © picture-alliance / DUMONT Bildar | Martin Kirchner

Dabei muss wirklich niemand draußen bleiben angesichts zahlreicher Übernachtungsmöglichkeiten und Unterschlüpfe in Fußnähe: Das Gebiet zwischen Pfalz und Elsass gilt als ebenso wander-voll wie stein-reich. Die erdgeschichtliche Verkittung aus Sand, Muschelkalk und Tonsedimenten hat die Region geprägt und auch dazu geführt, dass eine kleine Gemeinde wie Ober­steinbach mit gerade mal 230 Einwohnern sich ein Haus der Burgen leistet.

„Wie wollten erklären, warum hier so viele kleine Burgen standen, wie sie gebaut wurden und wie man sich darin verteidigt hat“, sagt Dominique Wittmer, ehemaliger Bürgermeister von Obersteinbach, unter dem das Museum eröffnet wurde. Es listet besondere geografische und historische Bedingungen auf, die den Bau von 36 Burgen rund um die kleine Gemeinde möglich machten.

Beste Aussicht auf das Tal

Deutlich wird das auch vor Ort, in den Resten der Wohnturmanlage Petit Arnsberg oberhalb des Museums. Zum einen ist da der steile Felsen, der immer noch beste Aussicht auf das Tal rund um den Steinbach bietet; zum anderen der Sandstein, den Wind und Wetter zu Bänken und Gesimsen, Hohlkehlen und Spalten geformt haben. Ein beliebtes Baumaterial – im Mittelalter so wie heute.

„Wir haben doch nichts als den Sand, daraus mussten wir etwas machen“, sagt Christelle Ullmann und lacht. Die 74-Jährige ist Mitinitiatorin des Museums, Hotelbetreiberin und ein Original aus Obersteinbach. Schon der Großvater lebte als Bäcker vor Ort, die Eltern haben das Haus nach dem Krieg neu aufgebaut, und Christelle hat schon als Jugendliche Wälder und Felsen erkundet.

Eine Wanderung verbindet auch Teile des Burgenweges

Auch den Petit Arnsberg, heute Burg Nummer sieben, wenn man sich an die empfohlene Streckenführung der Wegbetreiber hält. „Hier war der Burg­graben, der heute trockengelegt ist, und hier die Schutzmauer gegen Eindringlinge, die von der Bergseite kamen“, erklärt Ullmann unterhalb der Burg vor einem Gerüst, das heute auch müden Wanderern die Besichtigung der Oberburg erheblich erleichtert.

So leicht hatte es Christelle nicht, als sie vor fast 60 Jahren mit ein paar Freunden allerlei Geröll und Schutt aus dem verfallenen Brunnenschacht holte – und unter anderem auf grüne Ofenkacheln aus dem 15. Jahrhundert stieß. „Die sind heute noch im Maison des Châteaux Forts zu besichtigen“, betont sie stolz.

Mittelalterlicher Imbiss auf der Burg

Ein Wanderer erkundet die Burgruine Wasigenstein.
Ein Wanderer erkundet die Burgruine Wasigenstein. © picture alliance / Klaus-Dietmar | Klaus-Dietmar Gabbert

Ullmann versteht sich auch ein wenig als Botschafterin ihrer Region – für beide Seiten: „Die Franzosen, die uns besuchen, wissen überhaupt nichts von dem Heiligen Römischen Reich.“ Und damit auch wenig von der Geschichte des Elsass und einer kaiserlichen Verwaltung in Haguenau, wo die vielen feudalen Lehnsherren mit all ihren Burgen Tribut zahlen mussten.

Ihnen empfiehlt die Gastgeberin den Chemin du Walt­hari-Lied, eine 15 Kilometer lange Wanderung, die auch Teile des Burgenweges verbindet – inklusive der Burg Wasigenstein, wo die Ritter Walther, Günther und Hagen ihre sagenhaften ­Kämpfe ausgetragen haben sollen. „Einmal im Sommer tragen wir das Epos auch vor Ort vor.“ In französischer Sprache und angereichert von einer mittelalterlichen Imbisseinlage: Gemüsebrot mit Wildkräutern.

Es ist eine Errungenschaft, heute frei hin- und herwandern zu können

Die Deutschen lernen ihre Lektion spätestens, wenn sie auf den Höhenkamm des Maimont gelangen: Ein Friedenskreuz erinnert hier an die ­Sinnlosigkeit des Krieges und einen 15-stündigen Kampf zwischen deutschen und französischen Soldaten. Heute verläuft die Grenze immer noch über den Höhenkamm, aber es gibt weder pa­trouillierende Zöllner noch Grenzübergänge, an die sich Ullmann noch erinnert: „Mein Vater hat in Deutschland immer Zigaretten gekauft und meine Mutter Strümpfe – und das musste man verstecken und sich ganz ruhig verhalten im Wald.“ Dass man heute so frei hin- und herwandern könne, sei eine große Errungenschaft. „Wenn ein französischer Feiertag ist, kaufen wir halt in Deutschland ein.“

Inzwischen verbindet der deutsch-französische Burgenweg das, was zusammengehört – Geologie, Natur, Geschichte. Und lässt doch noch kleine Unterschiede zu: „Die Gastronomie ist raffinierter bei uns“, betont Ullmann. Allein rund um den Wasigenstein gibt es fünf Restaurants, aber kein Geschäft, wo Wanderer sich mit Proviant versorgen könnten. Dafür habe die deutsche Seite das bessere Marketing, lobt Ehrenbürgermeister Wittmer. „Dahner Felsenland ist ein toller Name, aber er funktioniert im Französischen nicht.“

Zudem klinge Vosges du Nord viel zu kalt und zu nordisch – erst recht für Franzosen. Aber da hat Ullmann schon einen Gegenvorschlag: „Wir sind das Massif de grès rose, das rote Sandsteingebirge.“

Tipps & Informationen

Naturpark Der Pfälzerwald ist einer der ersten und größten Naturparks Deutschlands. Zusammen mit dem Parc naturel regional des Vosges du Nord bildet er seit 1998 das grenzüberschreitende Unesco-Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen.

Wandern Die Nordvogesen unterhalten einen Burgenweg auf der französischen Seite, der durch ein rotes Rechteck markiert wird. Für eine Tagestour kann man im Touristenbüro in Bitche eine komplette Wanderausrüstung ausleihen: Test Center des Vosges du Nord, www.pays-de-bitche. com. Wanderung zum Waltarilied: www.tourisme-nordalsace.fr/de. Das Dahner Felsenland hat zwölf Wanderwege als Premiumwege zertifizieren lassen, der deutsch-französische Burgenweg ist einer davon, er gilt mit 1477 Höhenmetern als schwer. Am besten mit der Bahn bis Hinterweidenthal in der Pfalz oder Wissembourg in Frankreich, dann weiter per Bus. Tourist-Information Dahner Felsenland, www.dahner-felsenland.net