Yogyakarta. Im Jeep einen Vulkan erklimmen oder in Yogyakarta uralte Handwerkskunst erleben: Die indonesische Insel Java bietet Natur und Kultur.

Noch umhüllt die Nacht den Borobudur. Doch schon bald steigt die Sonne über den Horizont und taucht nur wenig später das Land in feuchte Hitze. Auf Java währt die Dämmerung nur kurz. Es ist halb vier am Morgen, und dennoch zieht es die Besucher bereits zu dem mehr als 1200 Jahre alten Tempelberg. Sie wollen den Sonnenaufgang auf diesem steingewordenen Abbild buddhistischen Glaubens erleben.

Taschenlampen werden im Besucherzentrum an die Touristen verteilt. Niemand soll auf dem Weg zum Heiligtum verloren gehen, das sich massig in der tintenblauen Dunkelheit abzeichnet. Still und zielgerichtet streben die Menschen zu den steilen Treppenstufen, die hinauf zu den sechs Terrassen der Pyramide führen. Fast schon abstrakt wirkt der Borobudur in seiner geometrischen Formensprache.

Im Osten zeigt sich ein kaum wahrnehmbarer Lichtschein. Wo mag die Sonne genau aufgehen? Hinter dem majestätischen Merapi? Aus der Ferne sieht der Vulkan mit seinem ebenmä­ßigen Kegel nahezu perfekt aus. Seine Schönheit lässt fast vergessen, dass er zu den aktivsten Indonesiens und den gefährlichsten der Welt gehört. Zuletzt brach er 2010 aus und versetzte die Menschen bis in die rund 40 Kilometer entfernte Sultansstadt Yogyakarta in Angst. Danach kam es immer wieder zu kleineren Eruptionen.

In fast 80 glockenförmigen Stupas sitzen Buddha-Figuren

Gerade gibt sich der Merapi friedlich, eine zarte Rauchwolke steigt aus dem Krater in den zartrosa Morgenhimmel auf. Zwischen den fast 80 glockenförmigen Stupas suchen sich die Touristen ihren Platz für das perfekte Foto.

Als sich der erste Sonnenstrahl über die fruchtbare Ebene zwischen Merapi und Borobudur ergießt, ist die Szenerie fast magisch. Wie Seide umschmeichelt das Licht die üppig grüne Natur. Nebelschwaden verfangen sich in den Banyan-Bäumen mit ihren bizarren Luftwurzeln. Die Vulkane liegen in der Ferne wie in einer Urlandschaft.

Wenn Hühner Götter besänftigen

Einmal im Jahr wird am Mount Bromo auf der indonesischen Insel Java das Kasada-Fest gefeiert. Hunderte Pilger erklimmen mühsam den Mount Bromo.
Einmal im Jahr wird am Mount Bromo auf der indonesischen Insel Java das Kasada-Fest gefeiert. Hunderte Pilger erklimmen mühsam den Mount Bromo. © dpa | Fully Handoko
Viele Bauern pilgern zum Vulkan und werfen Tiere und Früchte hinunter, um die Götter zu besänftigen.
Viele Bauern pilgern zum Vulkan und werfen Tiere und Früchte hinunter, um die Götter zu besänftigen. © dpa | Fully Handoko
Doch weiter unten im Vulkan warten hunderte Hungrige und versuchen die Gaben zu fangen.
Doch weiter unten im Vulkan warten hunderte Hungrige und versuchen die Gaben zu fangen. © REUTERS | BEAWIHARTA
Ausgestattet mit Säcken, Tüten und Keschern werden die Lebensmittel auf halber Strecke eingesammelt.
Ausgestattet mit Säcken, Tüten und Keschern werden die Lebensmittel auf halber Strecke eingesammelt. © dpa | Fully Handoko
Seit vermutlich Ende des 15. Jahrhunderts besteht dieser Opferbrauch. Ein kinderloses Herrscherpaar erklomm der Sage nach den Vulkan und bat die Götter um Hilfe. Das Paar wurde erhört und bekam 25 Kinder. Einzige Bedingung: ...
Seit vermutlich Ende des 15. Jahrhunderts besteht dieser Opferbrauch. Ein kinderloses Herrscherpaar erklomm der Sage nach den Vulkan und bat die Götter um Hilfe. Das Paar wurde erhört und bekam 25 Kinder. Einzige Bedingung: ... © dpa | Fully Handoko
... das Letztgeborene sollte geopfert werden. Nachdem das Kind in den Vulkan geworfen wurde, befahl eine Stimme jährlich eine Feier am Vulkan abzuhalten.
... das Letztgeborene sollte geopfert werden. Nachdem das Kind in den Vulkan geworfen wurde, befahl eine Stimme jährlich eine Feier am Vulkan abzuhalten. © dpa | Fully Handoko
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Erst jetzt wird sichtbar, dass in jeder der durchbrochenen Stupas ein Buddha sitzt. Vielen Figuren fehlen die Köpfe, Kunstdiebe haben sie gestohlen. Auch die wunderbaren Reliefs des Borobudur haben teilweise arg gelitten. Sie zeigen Buddhas Weg zur Erleuchtung, aber auch ganz profane Szenen aus dem Alltag der Javaner. In der Vergangenheit wurde mit den kunsthistorisch bedeutenden Darstellungen wenig sorgsam umgegangen. Das tropische Klima setzt ihnen zu, das Reinigen mit Sandstrahlern tat sein Übriges. Inzwischen pflegt man das Unesco-Weltkulturerbe mit mehr Fingerspitzengefühl.

Wer aus sicherer Entfernung einen Eindruck von der zerstörerischen Kraft des Merapi gewinnen will, kann das bei einer Offroad-Tour tun. Abenteuerlich sind weniger die Pisten, sondern die Jeeps, die von jungen Guides gefahren werden. Lässig lenken sie ihre betagten Fahrzeuge durch die vom Vulkan geformte Landschaft. Die meist asiatischen Touristen werden in den offenen Wagen hin und her geworfen, Frauen quietschen vor Angst und Vergnügen, und einige Männer wagen es, den rüttelnden Trip im Stehen zu bewältigen.

Viele Vulkanausbrüche haben die alte Sultansstadt immer wieder heimgesucht

Ein Stopp ist das kleine Museum „Sisa Hartaku“ („Meine verbliebenen Schätze“). Das Dorf, das an dieser Stelle stand, hat der Merapi verwüstet. Seine Bewohner haben zur Erinnerung Fundstücke und Fotos zusammengetragen. Die in einer 300 Grad heißen Asche­wolke geschmolzenen Reste ihrer Habseligkeiten, die hier ausgestellt sind, wirken inmitten der Zerstörung eigentümlich anrührend. Doch das Leben hat sich zurückgekämpft, junges Grün und schnell wachsende Bäume besiedeln die Berghänge. Sogar Leoparden soll es in den undurchdringlichen Wäldern am Merapi geben, sagt Tourguide Narno.

Der 54-Jährige hat die Katastrophe in Yogyakarta miterlebt. Asche bedeckte Dächer und Straßen knietief, das Kratergrollen war bis in die Stadt zu hören. Mit Schaufeln und Besen rückten die Menschen damals dem feinem Staub zu Leibe, der das Atmen so schwer machte.

Ein Hauch von „Tausendundeiner Nacht“

Immer wieder wurde die alte Sultansstadt in der Vergangenheit von verheerenden Vulkanausbrüchen heimgesucht. Mitte des 19. Jahrhunderts zerstörte eine Eruption den Wasserpalast Taman Sari. Von dem einstigen Lustschloss steht heute nur noch eine Ruine. Restauratoren versuchen mit bescheidenen Mitteln, das Gebäude und die unterirdische Moschee vor weiterem Verfall zu bewahren. An die einstige Pracht erinnern die Wasserbassins, die in der drückenden Mittagshitze für Erfrischung sorgen. Mädchen sitzen am Beckenrand, tuscheln und kichern. Pärchen posieren vor den Torbögen, ein Hauch von „Tausendundeiner Nacht“ weht durch die verlassenen Räume.

Im Laufe der Zeit siedelten sich in der Palastanlage neue Bewohner an. Es entstand eine eigenes kleines Viertel mit verwinkelten Gassen. Hier leben zahlreiche Künstler und Kunsthandwerker. Vor seinem Haus arbeitet ein alter Mann an einer „Wayang“-Figur, einer der berühmten Schattenspielpuppen. Mit einer Muschel schabt er Büffelleder ganz dünn, dann sticht er mit einem feinen Meißel die filigranen Konturen heraus. Zuletzt werden die Puppen kunstvoll bemalt und vergoldet. Doch erst ihr Schatten erweckt die zweidimensionalen Götter und Dämonen zum Leben. Sammler zahlen für besonders schöne Stücke Höchstpreise.

Sultan Hamengkubuwono X. gilt als aufgeklärt

Yogyakarta ist auch Zentrum der Batik-Kunst. Man ahnt nicht, wie viel Mühe in den handgearbeiteten Textilien steckt. Erst nach vielen Arbeitsschritten ist ein hochwertiges Stück vollendet. In der Werkstatt von Ibu Agus Suwito hocken gut zwei Dutzend Frauen auf kleinen Schemeln vor Kochern, in denen Wachs simmert.

Geschickt nehmen sie es mit einer Art grober Füllfeder auf und zeichnen filigrane Muster auf den Stoff. Das muss schnell gehen, bevor das Wachs erkaltet, doch darf die Flüssigkeit nicht unkontrolliert herabtropfen. Danach wird der Stoff gefärbt, an den versiegelten Stellen nimmt er die Farbe nicht an. Das Wachs wird abgeschabt, neu aufgetragen und Hemd oder Sarong erneut gefärbt. Je mehr Farben und je feiner die Muster, desto kostbarer die Batik.

Frau Suwito hat die Manufaktur von ihrer Mutter übernommen. Stolz zeigt die 80-Jährige im Showroom ihre schönsten Stoffe. Auch der Sultan kaufe bei ihr ein, berichtet die rüstige Geschäftsfrau. Hamengkubuwono X. möge kein großes Zeremoniell, zum Shoppen komme er „einfach so“ bei ihr vorbei.

Auf dem Weg zur Modernisierung

Der 71 Jahre alte Herrscher sei ein aufgeklärter Mann, sagt auch Wiwin. Sie ist Touristenführerin im Sultanspalast, dem Kraton. Neben prächtigen Möbeln, rituellen Geräten und kostbaren Musikinstrumenten wirken die ebenfalls ausgestellten Alltagsgegenstände seines Vaters fast rührend. Kleine Siebe aus Plastik, Löffel aus Zinn sind darunter, aber auch die geliebte Fotokamera des neunten Sultans, der Indonesien mit in die Unabhängigkeit führte.

Den Weg der Modernisierung geht auch Hameng­kubuwono X. Da er ausschließlich Töchter hat, keimen sogar Ideen auf, die älteste zur Sultanin zu machen. Die 44 Jahre alte Wiwin könnte sich das gut vorstellen – sogar dass die vorwiegend muslimische Bevölkerung einen solch revolutionären Schritt im einzigen Sultanat Indonesiens mittragen würde.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. von Frankfurt/M. mit Singapore Airlines nach Singapur. Weiter mit SilkAir nach Yogyakarta. Oder ab Amsterdam mit Garuda Indonesia über Jakarta nach Yogyakarta.

Reisezeit In Indonesien herrschen tropisches Klima mit zwei Jahreszeiten und Temperaturen zwischen 25 bis 35 Grad. Die Trockenzeit dauert in der Regel von April bis Oktober, die Regenzeit von November bis März. Doch auch in diesen Monaten lässt sich das Land gut bereisen, die Schauer fallen meist gegen Abend, und es ist weniger heiß.

Unterkunft In Yogyakarta z. B. im Hotel The Phoenix Yogyakarta, DZ ab 61 Euro, www.accorhotels.com

Literatur „Indonesien“, DuMont Reise-Handbuch, 26,99 Euro und ebenfalls „Indonesien“, Stefan Loose Travel Handbücher, 26,99 Euro.

Auskunft Visit Indonesia Tourism Office, Tel. 069/175371-038

Internet www.tourismus-indonesien. de; www.indonesia.travel

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch das indonesische Tourismus­ministerium und das Generalkonsulat der Republik Indonesien.)