Kambalda. Outback-Fairways führen zwischen Giftschlangen und Krähen über den längsten 18-Loch-Kurs der Welt: 1365 Kilometer durch Australien.

Ein Akku-Bohrer wäre jetzt gut. In die harte rostrote Outback-Erde drückt kein noch so starker Daumen ein Plastik-Tee, die Abschlaghilfe in Form einer Riesenstecknadel. Ersatz dafür hat hier jeder Golfer in der Schlägertasche – einen zurechtgeschnittenen Plastikflaschenhals. Auf den Boden legen, Deckel ab, Golfball drauf. Ihn zu fixieren, den Schläger zu justieren – kaum möglich, denn Dutzende Fliegen surren am Ohr und krabbeln unter die Sonnenbrille in Schweißrinnsale.

Der Abschlag zerschneidet die sengende Hitze, schmiert im langen Rechtsbogen ab, prallt auf einen Stein und schlägt seitwärts einen Haken ins Dickicht wie kurz zuvor die von der Golfbahn, dem Fairway, hüpfenden Kängurus. Par 4, also mit den durchschnittlich benötigten vier Schlägen ­einlochen? Wird eng auf diesem 392-Meter-Stoppelacker, gut 3300 Kilometer westlich von Sydney, in Kambalda.

Fairway Nr. 4 hat viele Löcher – gebuddelt von Wombats

Es ist Loch 16 von Nullarbor Links, dem längsten Golfkurs der Welt. Er flimmert als Kopfkino noch mal vorüber, beim Fußmarsch zum verschossenen Ball: 1300 Kilometer sind geschafft seit dem Start vor vier Tagen in Ceduna. Nach den ersten beiden Löchern im dortigen Golfclub – bitte umsteigen vom Elektro-Cart in den Mietwagen – folgten die weiteren im Abstand von jeweils mehreren Hundert Kilometern entlang des ­Eyre-Highways.

Ein eintöniges Asphaltband durch eine spärlich mit Grasbüscheln bewachsene Landschaftsglatze, so riesig wie Deutschland ohne Bayern und Baden-Württemberg: Nullarbor Plain, von Lateinisch nullus arbor – kein Baum. Hier schrieben AC/DC ihre Hymne „Highway to Hell“ im Tourbus, denn hier geht nur: Tempomat auf maximal 110 km/h, Zeigefinger-Lenkung, bloß nicht einnicken beim Abscannen des Horizonts nach dem nächsten Rasthaus. Denn daneben oder dahinter ist wieder ein Fairway mit diesen „special effects“.

Nummer 4 zum Beispiel hat nicht nur ein Loch am Ende, auf dem Green, sondern Tausende auf dem Weg dorthin, weil dachsartige Wombats ihn komplett unterhöhlt haben. Danke für diese vielen Hole-in-One-Chancen bei jedem Schlag! Bei Loch Nummer 5 wird der Ball jäh entführt: Eine Krähe greift ihn und schwebt davon. Also doch dieses ­ulkige Warnschild ernst nehmen und vorm Abschlag den Ball zur flying Vogelscheuche machen – mit Lippenstift oder einem Stink-Spray. 184 Kilometer weiter, für Loch Nr. 6, wird der Ball unter einem fünf Meter hohen Plastik-Känguru aufgeteet, im Örtchen Norseman tanzt vorm Abschlag schon mal eine Gruppe Ngadja-Aborigines, und das ­Balladonia Roadhouse hat – nein, keine Fata Morgana – die US-Raumstation Skylab auf dem Dach.

Bloß nicht in die Büsche fassen – es könnten Schlangen drin sein

Teile derselben sind hier ­Ende der 70er beim – eigentlich kontrollierten – Absturz heruntergefallen, weshalb sich US-Präsident Jimmy Carter telefonisch beim Ex-Wirt entschuldigte und dieser ein Skylab-Museum einrichtete. Offenbar ein idealer Ort für schräge Ideen: Hier ersannen Roadhouse-Manager Bob Bongiorno und Tourismus-Manager Alf Caputo 2009 den XXL-Golfkurs. „Ja, wir hatten drei, vier Flaschen guten Roten“, sagt Caputo, „vor allem aber die Vision: weniger Müdigkeitsunfälle auf dem Highway und mehr ­Gäste in den Roadhouses. Also erfanden wir einen Grund für regelmäßige Stopps: den längsten Golfkurs der Welt.“

Neben dem von Ästen, Känguruködeln und Furchen übersäten Fairway zu Loch 16 müsste der Ball hier in diesem Gestrüpp aus Akazien und Salzbüschen liegen. Bloß nicht hineinfassen, ein Biss der Brown Snake wäre tödlich, und die nur fies zwickende Bulldoggen-Ameise muss auch nicht sein. Also „besserlegen“, wie Golfer sagen, nur eben mit neuem Ball, und ein Grasbüschel als Hilfs-Tee nutzen. Der Schläger mit dem angeschrägten Eisen 5 produziert keine Wunschweite, aber einen roten Staubvorhang. Wird wohl wieder ein Triple Bogey, also vier Schläge über dem Durchschnitt für dieses Loch.

Umgerechnet 50 Euro Startgeld

Ärgern? Nö, schon seit dem zweiten Tag nicht mehr. Denn auf Nullarbor geht’s für umgerechnet 50 Euro Startgeld nicht um möglichst wenige Schläge für 18 Löcher, sondern um Cross-Coun­try-Golf-Spaß und den einmaligen Drive in die australische Seele. Zu netten Mitspielern etwa, über 60, dauernd im Camper unterwegs und vom Down-Under-Volksmund „Druids“ getauft: Drivin’ Round Until I Die.

Hinter den Bars der Roadhouses regieren rustikal-freundliche Grobiane, Typ „Crocodile Dundee“. Und wer bei Loch 13 auf der dortigen Farm übernachtet, wird das Stillleben der im Sonnenuntergang farbenprächtig glühenden Oldtimer-Rostlauben fotografieren und Farmer Ben Holman beim Bier erstaunt zuhören, wenn er von der Jagd auf Kängurus („Landplage!“) erzählt.

Weder Natur- noch Kunstrasen widerstehen hier Sonne und Wind

Etwa 16.000 Golfer haben Nullarbor Links bisher gespielt, darunter der aus­tralische Profi Matt Jager mit einer ­72er-Runde. Und ein kanadisches Ehepaar, das die ganze Strecke zu Fuß ging – für einen wohltätigen Zweck. Ebenso der Mann in „Star Wars“-Sturmtruppen-Uniform – er spielte jeden Schlag an allen 18 Löchern mit einem Putter. Für den ist es nun Zeit am Loch 16, dessen Green tiefschwarz ist. Denn weder Natur- noch Kunstrasen widerstehen hier Sonne und Wind, nur ein schweres Öl-Sand-Gemisch.

Das muss vorm Bespielen geharkt werden. Es sei denn, Eric Donkin sitzt gerade auf seinem Quad. Damit zieht der 75-Jährige die Schwarz-Greens glatt. Nicht nur hier in Kambalda, sondern – von Hand – entlang der gesamten 1365 Kilometer. Alle acht Wochen fährt der Nullarbor-Greenkeeper mit seiner Frau die Strecke hin und zurück, sammelt Müll von den Fairways, bessert sie aus und ersetzt Fahnen. Die schneiden Souvenirjäger gern ab und hängen stattdessen Hotelhandtücher hin. Glücklich eingelocht am Loch 16 und wieder zurück beim Tee Off ist da dieses schnarrende Geräusch: Ein „Druid“ hockt am Boden und drückt seinen Akku-Bohrer in die Erde­ . . .

Tipps & Informationen

Anreise: Zum Beispiel mit Emirates ab Hamburg oder Berlin über Dubai nach Perth. Von dort mit Qantas oder Virgin Australia nach Kalgoorlie. Weiter im Mietwagen.

Übernachten: Auf dem Nullarbor-Links-Golfkurs bieten Roadhouses einfachen Motel-Standard, DZ ab ca. 50 Euro.

Allgemeines: Der Nullarbor-Links-Golfkurs kann von Ost (Ceduna) nach West (Kalgoorlie) und umgekehrt gespielt werden. Das Spielen einzelner Löcher ist ebenfalls möglich. Score Cards und Leihschläger gibt es an beiden Startpunkten und in Roadhouses. Greenfee für den Kurs ca. 50 Euro (www.nullarborlinks.com).