Tabernas. In der wüstenhaften Region der andalusischen Provinz Almeria entstanden bereits 200 Kinofilme. Sogar Regisseur Sergio Leone drehte hier.

Die meisten Cowboys sind lange weg, die hektischen Menschen mit Klappen, Kameras und Scheinwerfern – nach Übersee abgereist. Nur drei Pferde stehen an diesem Vormittag vorm Büro des Sheriffs, zwei Cowboys in langen Lederjacken harken mit Plastikrechen Pferdemist zusammen. Einer stolpert, flucht auf Spanisch und schlurft in den Saloon mit frisch gestrichener Holzfront und Schwingtür. Ein paar Minuten später fährt die Postkutsche durchs Bild: auf Rundfahrt mit jubelnden Kindern. Es muss bessere Zeiten für Cowboys gegeben haben. Sogar in Andalusien.

Auch die Indianer scheinen fortgezogen – aber auf Zuruf kehren sie zurück, sobald sich wieder Leute aus Hollywood ankündigen, jemand „Action!“ ruft und ein Handgeld an Statisten auszahlt. Wie damals, als die ganz Großen regelmäßig hier waren und Kameras fast im Dauerbetrieb surrten: Henry Fonda, Steve McQueen und Yul Brynner. Ihre Fotos hängen im Salon, manche haben sie signiert. Sogar das Double von Harrison Ford ließ ein Autogramm da.

Der Salon ist geöffnet, zweimal am Tag gibt es Stuntshows

Wenn gerade kein Kino-Western in der wüstenhaften Landschaft der andalusischen Provinz Almeria gedreht wird, steht Fort Bravo Urlaubern offen – als eine von drei solchen Kulissenstädten in der Region um Tabernas, alle mit Hollywood-Karriere. Deshalb ist der Saloon geöffnet, deshalb gibt es zweimal am Tag Stuntshows. Und deshalb hat irgendwer ein modernes Gebäude an den Rand der Szenerie bauen und einen Geldautomaten installieren lassen. Diesen Vormittag verweigert er den Dienst.

Die Landschaft doubelt Arizona, New Mexico, Nevada und Kalifornien perfekt: den Wilden Westen der USA. Die Häuschen von Fort Bravo aus Holz und Pappmaché sind bloß das i-Tüpfelchen. „Die Glorreichen Sieben“ wurde hier ebenso gedreht wie „Spiel mir das Lied vom Tod“. Später waren es „Die Daltons gegen Lucky Luke“ – und zwischendrin Italo-Western mit Terence Hill und Bud Spencer, zuletzt Bully Herbigs Parodie „Der Schuh des Manitu“.

Auch „Indiana Jones“ wurde hier gedreht

Das nordöstliche Andalusien ist karg, wüstenhaft sogar, gebirgig, von Canyons durchzogen, mit Kakteen gespickt. Windräder thronen auf Türmen aus Holz oder Metall in den Tälern, helfen, Wasser aus Tiefbrunnen hinaufzubefördern, um Pferde zu tränken oder ein paar Bäume und einen Garten zu bewässern, die Steinhäuser sind flach, oft eingeschossig – und manches sieht nach allerlei Improvisation aus. Die ­Kulisse jedenfalls passt ohne viel Zutun für all das, was Regisseur Sergio Leone und seine Zunftkollegen drehen wollten. Es passt alles haargenau so ins Bild wie in den 60er- und 70er-Jahren. Nur haben Western gerade keine Hochkonjunktur.

Irgendwann kam ersatzweise Steven Spielberg und produzierte hier mit Sean Connery und Harrison Ford „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Das passte ebenfalls gut. Und mancher der Filmleute kommt privat wieder hierher: auf Urlaub, weil er sich in das Double des Wilden Westens verliebt hat, in die herzhafte andalusische Küche, das Licht, die Luft, die viele Sonne.

Dörfer haben hier Seltenheitswert, Großstädte sind weit weg

Nachts ist es so still, dass man sogar das Knistern der alten Glühlampen­fäden in der Beleuchtung hört, so finster vielerorts, dass das Milchstraßenband um so viel klarer als anderswo zu sehen ist – so prachtvoll, so unglaubwürdig schön, so nah sogar, dass man glaubt, man müsste nur aus dem Schaukelstuhl aufstehen und könnte die Sterne einzeln vom Himmel sammeln.

Stimmen gibt es nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr, Fahrgeräusche von Autos nur selten von irgendwo in der Ferne hinter den Kaktushecken. Dörfer haben Seltenheitswert, die Großstädte sind weit weg: Cordoba 320, Sevilla sogar 390, die Provinzhauptstadt Almeria immerhin 30 Kilometer.

In den ersten Monaten des Jahres trägt der Wilde Westen hier einen zarten Grünschleier, einen flaumweichen Film aus Frühling. Ab Mitte Mai herrscht wieder Wüste vor. Dabei hat die Region den Canyonlandschaften der USA eines voraus: das Meer. Keine Dreiviertelstunde sind die Strände zwischen Steilküsten und Buchten mit dem Auto vom Arbeitsplatz der Kulissen-Cowboys entfernt.

Filmleute kamen wegen der Preise, weil sich alles günstiger produzieren ließ

Hans aus Holland ist seit über 30 Jahren da, war eigentlich mit dem Campmobil auf Durchreise und blieb: „Schöner und abwechslungsreicher konnte es anderswo nicht werden.“ Inzwischen engagiert er sich im Umweltschutz am Cabo de Gata. Fort Bravo kennt er gut – aus unzähligen Statistenrollen. Für manche Szene musste er ein Dutzend Mal an der Kamera vorbeireiten . Sogar als römischer Legionär hat er gejobbt, aber meistens war er Cowboy: „Mit silbrig angestrichener Holzpistole im Halfter!“ Er lacht. „Das war billiger, als echte Revolver zu beschaffen.“ Überhaupt kamen die Filmleute wegen der Preise: weil sich hier einschließlich aller Reisekosten viel günstiger produzieren ließ als im „echten“ Wilden Westen.

Ginge es nach Azucena Laguia Allue und ihrer Freundin Conchita Hermida Bun, kann gar nicht genug über die Glanzzeiten gesprochen werden. Beiden ist daran gelegen, neue Produktionen für die Region zu gewinnen. Laguia ist Location Scout, sucht die besten Settings, castet Statisten. Hermida stattet als Kostümschneiderin Stars und Statisten aus – und würde das gern häufiger tun. Und noch einen Grund gibt es: Beide sammeln Autogramme.

Tipps & Informationen

Anreise Von Hamburg z. B. nonstop mit Germania, von Berlin z. B. mit Iberia über Madrid nach Almería.

„Fort Bravo“ (www.fortbravooficial. com), Eintritt 19,40 Euro, Kinder 9,90; Übernachtung in Holzbungalows ab 75 Euro für zwei Personen.

Weitere Westernstädte in Tabernas auf www.oasysparquetematico.com
und www.western-leone.es.

Auskunft www.spain.info