Cagliari. Busreisen haben ein angestaubtes Image. In einem bequemen Fahrzeug können sie aber viele angenehme Seiten haben – etwa auf Sardinien.

Mediterraner Frühling, prall und sinnlich: wilder Mohn, immergrüne Macchia, ein intensiv duftender Blütenteppich. Wäsche, die in engen Gassen zwischen den Häusern flattert. Bougainvillea, die über die Balkone quillt. Alte Herren, die in der Nachmittagssonne auf dem Dorfplatz sitzen und an ihrem Mirto nippen, dem lokalen Likör, der den Magen aufräumen oder die Zeit bis zum Abendessen strecken soll. Es sind die vertrauten Szenen, die Sehnsuchtsbilder und die Aromen des Südens, die uns schon im Bus auf diese Insel einstimmen.

Gut drei Stunden dauert die Fahrt quer über die Insel, von Olbia im Nordosten bis in das pittoreske Hafenstädtchen Alghero im Nordwesten. Es ist ein besonderer Bus, der uns am Flughafen abgeholt hat: Setra S 516 ist seine offizielle Typbezeichnung, „2+1 Panoramabus“ nennt ihn Guido Gröpper, Chef der Kieler AK Touristik, die 2001 aus der traditionsreichen Autokraft hervorgegangen ist. Großzügige Glasflächen, insgesamt nur 30 bequeme Ledersessel, eine Beinfreiheit, die es mit mancher Business Class in der Luftfahrt aufnehmen kann und – neu in der Bustouristik – erstmals nur jeweils ein Sitz auf der ­linken Seite, ideal für Singles.

Der Service fängt schon vor dem Abflug an

Viele Küsten auf Sardinien sehen malerisch aus.
Viele Küsten auf Sardinien sehen malerisch aus. © Bernd Schiller | Bernd Schiller

Zum Komfort ein Service, der das angestaubte Image der Busreisen früherer Jahre vergessen lässt: Die Passagiere werden ohne Extrakosten mit dem Taxi von ihren Wohnungen in Hamburg, Schleswig-Holstein, aus dem nördlichen Niedersachsen und dem westlichen Mecklenburg-Vorpommern zum Abfahrtsort oder zum Flughafen gebracht. Zur Begrüßung im Bus ein Glas Sekt, die Hotels im Vier-Sterne-Bereich, insgesamt ein solides Preisniveau. Diese Mischung kommt bei dem vorwiegend norddeutschen, gutbürgerlichen Publikum gut an.

Die meisten Reisen, bei denen der Bus am Zielflughafen wartet, dauern sieben bis neun Tage. Von Irland bis Spanien, von Norwegen bis Kroatien sind Europas reizvollste Reiseländer im Katalog vertreten. Italienische Regionen sind dabei besonders gefragt, allen voran so viel besuchte wie die Toskana, die Amalfiküste oder Sizilien. Bei Sardinien hingegen wird häufiger von der Liebe auf den zweiten oder dritten Blick berichtet. Der eher raue Charme dieser Insel zwischen Europa und Afrika – Tunesien ist nur 180 Kilometer entfernt – wirkt wie ein fremdartiger Zauber. Seine prähistorischen Turmbauten, die Nuraghen, lassen sich nur schwer erschließen. Oft wird Sardinien mit einem smaragd­grünen Edelstein verglichen, noch öfter auf die Costa Smeralda reduziert, dem in die Jahre gekommenen Refugium der Schönen und Reichen, manchmal sogar, wegen seiner weißsandigen Strände und seines klaren, türkisfarbenen Wasser mit der Karibik verglichen.

Das Juwel im Mittelmeer hat viele Höhepunkte

Die Insel ist ein Juwel, das so viele Facetten mehr hat als ihr Ruf und viele überraschende Seiten zeigt. Eine Woche nur sind wir mit dem Panoramabus die Küsten entlang und „quer durch“ gefahren. Wir haben die bizarren, rosafarbenen Granitfelsen an den einsamen Buchten angestaunt und in ihnen, jeder seiner Fantasie entsprechend, Figuren, Skulpturen und Gebilde gesehen: Elefanten, Bären, Henry-Moore-Monumente, die Elbphilharmonie oder eine versteinerte Brandung.

Wie ausgestorben sind uns auf den langen Fahrten durchs Inselinnere die Landschaft und viele Dörfer vorgekommen, „als höre hier die Welt auf“, wie einst der englische Autor D. H. Lawrence in seinem Reisetagebuch notierte. Er war vor knapp 100 Jahren auf Sardinien, und seine so kritischen wie amüsanten Eindrücke lassen sich noch heute nachvollziehen. Dann wieder, ein paar Serpentinen weiter, wuseliges Leben, auf Plätzen, in Markthallen, in den Pinten rund um den Hafen von Cagliari. Oder in Bosa, dem Städtchen an der Westküste, das sich sein Gassenlabyrinth unterhalb einer Burg aus dem 12. Jahrhundert bewahrt hat. Ein Ort zum Verlieben und zum Verlaufen schön.

Man mag Sardinien als ein reines Badeziel buchen, weil die Strände und Buchten wirklich so traumhaft und an vielen Orten so ruhig sind wie im Reiseführer versprochen. Man kann aber auch, wie wir es getan haben, sieben Tage lang mit dem Bus durch Sardinien fahren, von einem Höhepunkt zum anderen – und sich am Schluss nicht einig sein, wo schließlich die Liebe zu diesem Mittelmeer-Juwel eingesetzt hat. In Bosa? Oder doch an einer der unzähligen Felsbuchten auf den Inselchen des Maddalena-Archipels, die so viel spannender sind als das vermeintliche Millionärs-Paradies Porto Cervo im Zentrum der Costa Smeralda. Oder gleich zu Anfang, in der Altstadt von Alghero, das für mich auch in der Rückschau die schönste Stadt der Insel bleibt.

Die Costa Smeralda war Ziel des internationalen Jetset

Klein-Barcelona, wie sie gern genannt wird, war lange Zeit eine katalanische Hochburg, von den Königen von Aragon zu einer Festung ausgebaut. Die dicken Mauern, die Paläste und Kirchen, die Plätze und Flaniermeilen am Hafen atmen jeden Tag bis in die Nacht hinein spanisch-italienisches Flair. Refugien der Ruhe, wie etwa der Kreuzgang der Klosterkirche San Francesco, bilden ­dazu den angenehmen Kontrast.

Sardinien lässt sich auch bequem mit dem Bus erkunden.
Sardinien lässt sich auch bequem mit dem Bus erkunden. © Bernd Schiller | Bernd Schiller

Es gehören auch die ­Nuraghen zu unserem Programm, so wie Paris ohne Eiffelturm oder Rom ­ohne Kolosseum nicht möglich sind. Für die einen sind diese geheimnisvollen Hügel imposante Zeugnisse einer frühen Hochkultur, für andere ein Haufen klobiger Steine, geschichtet zu Rund­türmen, mehr als 1000 insgesamt, die einen Blick in eine ferne Vergangenheit erlauben. Wie auch immer: Gesehen haben muss man sie. Aber wenn die Zeit so knapp ist wie bei uns, dann wenigstens Su Nuraxi, eine Art ­Zitadelle, die seit gut 3000 Jahren aus der Hochebene der Marmilla ragt, Weltkulturerbe seit 1997.

Natürlich wollen wir ebenfalls sehen, was aus Aga Khans Traum geworden ist, der vor 50 Jahren die Costa Smeralda und ihr Zentrum Porto Cervo zu einem Hotspot des internationalen Jetsets aus­gebaut hat. Und sie kamen alle, Soraya und Roger Moore, die Beatles und die Royals, Roman Abramowitsch und ­neuerdings auch Wladimir Putin. ­Geblieben sind, rund um einen Springbrunnen, die üblichen Verdächtigen des Luxushandels, von Chopard bis Gucci, von Hermés bis Versace: kühler, zum Teil kitschiger Protz, heutzutage kopfschüttelnd bestaunt von Kreuzfahrtpassagieren – oder eben Bustouristen aus Norddeutschland.

Mit kulinarischen Souvenirs kann man das Inselglück zuhause verlängern

Wir haben zum Glück längst nicht ­alles „abhaken“ können und wollen, was sehenswert ist auf dieser Insel. Gewiss wäre es auf der einen Seite sehr schön gewesen, wenn wir etwas mehr Zeit gehabt hätten in Cagliari, der lebhaften Inselhauptstadt. Oder für eine Wanderung auf den Punta la Marmora, mit fast 1900 Metern der höchste Berg auf Sardinien. Oder für die Dünen an der Costa Verda im Südwesten.

Auf der anderen Seite haben wir es wohl genau richtig ­gemacht, wir haben einige Highlights gesehen und andere dafür ausgelassen. ­Irgendwann haben wir auch auf die dritte ­Nuraghe verzichtet und uns statt­dessen in einer gemütlichen Osteria nieder­gelassen. Bei einem Glas Rotwein – vielleicht ­waren es auch zwei –, frischem Landbrot, deftiger Wurst und würzigem Käse haben wir die Götter der grauen Vorzeit hoch leben lassen und abends im Hotel dafür die Nuraghen-Geschichte im Reiseführer studiert.

Mit den Szenen des Südens, mit ­Bildern von einsamen Felsbuchten, von den Salinen und den Flamingokolonien bei Cagliari, gespeichert in der Kamera und im Kopf, sind wir nach einer Woche in Olbia wieder in den Flieger nach Hamburg gestiegen. Und mit Salsiccia Sarda, der luft­getrockneten Schweinewurst im Handgepäck, dazu einem Fläschchen Mirto und einem Tütchen feinster Safran­fäden von den Krokus­feldern bei San Gavino Monreale, haben wir sogar zu Hause unser kleines Inselglück genüsslich verlängern können.

• Tipps & Informationen

Anreise von Hamburg nach Olbia nonstop mit Germanwings oder mit Airberlin via München.

Veranstalter AK Touristik Kiel, Tel. 0431 / 77 70 00 oder Hamburg Tel. 040 / 76 75 89 89, im Internet: www.ak-touristik.de

Termin Sardiniens Höhepunkte, achttägige Busreise, 12. bis 19. Mai, 1695 Euro p. P. inklusive Abholung und Flug. Andere Bus-Ziele in Italien sind z. B. Toskana, der Golf von Neapel oder Sizilien.

Reiseführer Dumont „Sardinien“, 17,99 Euro.

Auskunft www.sardinien.com; www.sardegnaturismo.it

(Die Reise wurde von AK Touristik unterstützt)