Kittilä. In Finnisch-Lappland hat jetzt die milde Zeit des Winters begonnen. Für Touristen hat die Jahreszeit dabei durch einiges zu bieten.

Die Bäume wachsen hier langsam. Gut sieben Monate dauert der Winter. Und überhaupt ist die hektische Welt der Großstädte weit weg, in Lappland im Norden Finnlands. Der Nationalpark Pallas-Yllästunturi erstreckt sich über gut 100 Kilometer Länge von Kittilä aus in nördliche Richtung. Schweden und Norwegen sind nicht weit weg, die russische Grenze im Osten liegt gut 200 Kilometer entfernt.

Mitte Februar hat in dieser Gegend der schöne Teil des Winters begonnen. Die Tage werden wieder länger – um gut eineinhalb Stunden in der Woche. Die Minus-20-Grad-Marke kann zwar noch erreicht werden, das aber ist selten. Bis in den Mai hinein liegt hier Schnee. Auch im März und im April müssen Urlauber sich keine Sorgen machen, dass es – anders als in Mitteleuropa – daran fehlt.

Ein Gefühl für Lappland bekommen

Der Norden Finnlands ist speziell. Mensch und Natur begegnen sich hier auf Augenhöhe – und nicht immer gewinnt der Mensch. Wer nach einem Saunagang durch ein in die Eis­decke geschlagenes Loch in das Wasser des nahe gelegenen Sees steigt, merkt wenige ­Sekunden später, wie die Natur obsiegt. Erst stockt einem der Atem, dann beginnt das Blut seine Raserei durch die Adern. Wenig später stellt sich ein leichter, angenehmer Schwindel ein und mahnt: Nur raus hier! Sofort! Zurück in die rettende Wärme! Es sind Momente wie diese, in denen der Körper einen Temperatursturz von gut 80 Grad erlebt, die von der eigenen Lebendigkeit zeugen.

Und Achtsamkeit dafür wecken, was einen umgibt. Man bekommt für einen Moment eine Ahnung davon, wie schwer das Leben in früheren Jahrhunderten ohne Ölheizung, Elektrizität, von Schnee geräumten Straßen und Mobilfunkempfang gewesen sein muss. Dem Besucher öffnen sich die Augen für die Wildheit, die Lappland ausmacht.

50.000 Urlauberbetten um Kittilä sind fünfmal mehr als Einwohner

Müsste man in einem Satz formulieren, was diese Region für den abenteuerlustigen Mitteleuropäer so interessant macht, so lautete dieser: Lappland ist Wildnis und Einsamkeit mit asphaltierten Straßen und gutem Mobilfunknetz, in der man alles bedenkenlos essen und trinken kann. Auch wenn Finnlands Hauptstadt Hel­sinki im Süden des Landes gut 1000 Kilometer entfernt liegt und die Mitte Europas gut vier Stunden Flug, fühlt man sich hier vom ersten Moment an heimisch. Freundlich, aber nicht aufdringlich sind die Gastgeber. Mehr als etwas Englisch ist nicht vonnöten, um sich zu verständigen.

Gut 50.000 Urlauberbetten gebe es in der Region um Kittilä, heißt es – fünfmal mehr als Einwohner. Der Ort eignet sich mit dem international gut angebundenen Flughafen – Frankfurt, München und Düsseldorf werden direkt angeflogen – als Ausgangsort für jene, die keine lange Autoreise planen. Reisende aus Hamburg und Berlin steigen in Helsinki um.

Eine der Attraktionen ist natürlich das Nordlicht, das bei wolkenlosem Himmel ein zauberhaftes Schauspiel an den Nachthimmel malt. Die Aurora borealis könne man im Übrigen schon Anfang September beobachten – wenn der goldene Herbst Besitz von den ­Birkenwäldern ergreift und diese in kräftige Farben tunkt. Als Hauptreisezeit gilt aber die Wintersaison. Sie beginnt Ende November und reicht bis weit in den März. Das Klima in Lappland ist trocken; richtige Winterstürme gibt es selten. Auf gut einen Meter wächst die Schneedecke im Verlaufe der Monate – sie bietet perfekte Bedingungen zum Skifahren.

Auf der Suche nach Abgeschiedenheit

Leider kann (will) auch Finnland sich dem Trend nicht entziehen, die Möglichkeit alpiner Skiabfahrten anzubieten – allein, es fehlen die aus den Alpen bekannten majestätischen Berge mit steil hinabführenden Pisten. Die Fjells, wie hier die Berge heißen, schaffen es um Kittilä nicht mal auf 1000 Meter Höhe, was aber der Lieblichkeit des Geländes nicht abträglich ist. Die Gletscher der letzten Eiszeit haben Lappland geprägt. Die mächtigen Eismassen schliffen das Gestein zu flachen, runden Bergen und lagerten Boden von einigen Metern Mächtigkeit ab. Riesige Wälder ziehen sich bis zum Horizont und wecken Erinnerungen an die Märchen, die man als kleines Kind zu hören bekam und in denen von Geistern, Trollen oder Riesen die Rede war.

Viele Urlauber suchen hier die Abgeschiedenheit – und wer seine Auszeit im Freien und mit körperlicher Bewegung füllen will, kann aus einem reichlichen Angebot wählen. Zum Beispiel dem neuesten Trend in Finnland – einer Tour mit dem Fat-Bike, einem Mountainbike mit gut 15 Zentimeter dicken Reifen. Die haben ein mächtiges Profil und sind nicht allzu sehr aufgepumpt. Dadurch lässt sich das Gefährt auch auf niedriger Schneedecke oder festgetretenen Wegen fahren.

Eine Alternative zum Skifahren ist eine Fat Bike Tour

Erik, der solche Fat-Bikes zur Ausleihen für 35 Euro am Tag anbietet, erzählt von äl­teren Menschen „über 50“, die sich vermehrt die Räder ausleihen. „Viele von ihnen würden im Sommer niemals auf ein Mountainbike steigen.“ Mit einem robusten Rad querfeldein zu fahren, scheint zu riskant. Zu groß ist die Gefahr, zu stürzen und sich zu verletzen.

Bei den Winter-Fat-Bikes ist das anders. Das mag daran liegen, dass das Rad nicht hoch und ausgezeichnet gedämpft ist. Man fühlt sich sicher, weil die Füße im Falle eines Falles rasch den Boden erreichen. Zwei Gänge „vorn“ und zwei „hinten“ ermöglichen langsame Geschwindigkeiten, und es hängt am Ende vom eigenen Gleichgewichtsgefühl ab, nicht umzukippen.

Ich mache mich auf den Weg. Zunächst habe ich mir einen breiteren Weg zwischen zwei präparierten Loipen ausgesucht, auf dem der Schnee festeren Untergrund bildet. Es dauert keine 20 Sekunden, und die Fahrt klappt problemlos. Selbst jemand, der im Alltag nicht so häufig mit dem Rad unterwegs ist wie ich, dürfte keine Probleme haben. Langsam rolle ich vorwärts, bewege vorsichtig den Lenker. Das Rad ändert die Richtung, nicht zu schnell, dass die Gefahr des Wegrutschens entsteht, aber rasch genug, um auf Unebenheiten im Schnee zu reagieren.

Mit dem Fat-Bike die Steigungen hoch

Ich trete in die Pedale, schalte die Gänge hoch, gewinne an Geschwindigkeit. Ein wunderbares Gefühl, die Schneelandschaft so zu genießen. Kleinere Hügel passiere ich ohne große Kraftanstrengung, indem ich den Gang verändere. Wird es steiler, merke ich, dass Fat-Biken meinen Körper sehr fordert. Der Puls wird langsam rascher, mein Atem geht schneller. Schnell habe ich den „letzten“, sprich leichtesten Gang erreicht. Jetzt heißt es „Treten, treten, treten“.

Nun will ich es genau wissen. Ich biege rechts ab und fahre auf einen schmalen Pfad, auf dem sonst nur Schneemobile unterwegs sind. Die ersten Meter laufen gut, doch dann verlässt mich der Mut, und in einer ­Kurve reicht die Geschwindigkeit nicht mehr aus, das Gleichgewicht zu halten. Ich kippe um und versacke im Tiefschnee. Außerhalb des Pfads gibt der Schnee rasch nach. Das muss man wissen, zumal das Aufstehen und das Wiederaufsteigen einiges an Körperbeherrschung verlangen. Vor allem, wenn man vorher schon ins Schwitzen gekommen ist. Ich schaffe es endlich und rolle langsam voran.

Die Luft in Finnisch-Lappland soll so klar sein wie nirgends in Europa

Neben dem Fat-Bike gibt es eine Neuerung, die Liebhabern des Langlaufs ge­fallen dürfte. Man könnte es „All-in-one-Ski“ nennen: etwa so lang wie ein Snowboard – gut 1,25 Meter – und viermal so breit wie Langlaufski. Das ­Tolle an diesem Ski: Man kann mit ihm die vorgegebenen Wege verlassen und querfeldein durch die verschneiten Wälder laufen. Ich versuche es, und schon nach ein paar Metern merke ich, wie einfach es geht. Das ist eine gute Alternative für ­jene, denen Skilanglauf zu schwierig ist. Allerdings sind die Ski nicht ganz billig. 40 Euro am Tag kostet die Ausleihe, rund 400 Euro der Kauf. Zum Vergleich: Langlaufskier inklusive Bindung schlagen mit rund 200 Euro zu Buche.

Neben diesen Neuerungen bietet die Region um den Pallas-Yllästunturi-Nationalpark auch alles Weitere, was das Herz eines Winterliebhabers begehrt. Fahrten mit Schneemobilen, Schneeschuhwanderungen oder Ausflüge auf von Huskys oder Rentieren gezogenen Schlitten. Dazu kommen rund 1000 Kilometer gut präparierte Loipen und ein wie in ganz Nordeuropa selbstverständliches, umfangreiches Angebot für Kinder.

Man hört in Finnisch-Lappland oft, dass es hier die sauberste Luft Europas gebe. Das mag angesichts der geringen Industrialisierung stimmen. Besonders in sehr kalten Nächten ist die Luft so klar, dass nichts den Blick ins Weltall aufhält. Die Sterne scheinen zum Greifen nah. In so einem Moment fühlt man, ein winziger Teil von etwas viel Größerem zu sein. Demut überkommt jene, die sich einlassen auf diese Region. Sie gibt einem etwas zurück, was man in Skigebieten, in denen die Party nie endet, nicht finden wird: Reinheit.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Finnair über Helsinki nach Kittilä.

Region Ylläs ist eine Skiregion mit 330 Kilometern gespurten Loipen. Ca. 40 Kilometer sind beleuchtet. Das Streckennetz für Schneemobile umfasst 400 Kilometer.

Auskunft http://www.nationalparks.fi/en/ pallas-yllastunturinp

Blog über Finnland – http://tarjasblog.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Visit Finland.)