Start in New York, weiter via Baltimore, Charleston und Miami bis in die Karibik – das ist eine der Spezialrouten im Herbst.

Die Aussicht macht sprachlos: An Backbord die Skyline von Manhattan mit Empire State Building, dem Chrysler-Gebäude und dem neuen World Trade Center. An Steuerbord die Freiheitsstatue und dahinter die Hochhäuser auf der Seite von New Jersey. Achteraus wird die George Washington Bridge immer kleiner, voraus blinken die Lichter der Verrazano Narrows Bridge.

Wissenswertes

Langsam gleitet die „Aida Luna“ mit Südkurs auf dem Hudson gen Atlantik. Kein Wunder, dass Seeleute die Ausfahrt aus New York zu den fünf schönsten der Welt zählen. Sie ist der perfekte Auftakt für eine Kreuzfahrt entlang der US-Ostküste. Und der Herbst ist die ideale Jahreszeit für diese 14-tägige Tour bis in die Dominikanische Republik. Je weiter man nach Süden kommt, umso wärmer wird es.

Nach drei bis vier Tagen wird weniger gegessen

Nach einem Tag im Big Apple und der Welcome Party am Pool auf Deck 11 ist das Schiff am nächsten Tag unterwegs – Seetag. Zeit zum Entspannen in der Sauna mit Meerblick, zum Trainieren im rund um die Uhr geöffneten Fitnessbereich Body & Soul, zum Faulenzen an Deck, zum Erkunden des schwimmenden Hotels. 1035 Kabinen, 13 Decks mit Glücksspiel und Show-Theater, Kino und Ladenstraße, elf Bars und sieben Restaurants – irgendwo gibt es immer etwas zu essen und zu trinken.

Die beliebteste Verpflegungsstelle ist das „Markt Restaurant“ auf Deck 9. Dieses Lokal gibt es auf jeder Aida, es hat auch mal Schnitzel oder Rouladen mit Rotkohl im Angebot. Nach drei bis vier Tagen unterwegs wird übrigens weniger gegessen. „Dann hat man sich durchprobiert und den Verlockungen genügend nachgegeben“, weiß Günther Kroack, Chef aller Küchenchefs der Flotte und seit 15 Jahren dabei. Bis zum letzten Abend: „Da werden traditionell Spargel und Hummer serviert und die Teller ein letztes Mal vollgeladen.“

Der Stopp in Washington macht Lust auf mehr

Anlauf in Baltimore. 1729 gegründet, rund 620.000 Einwohner, im 19. Jahrhundert durch eine Dampfschifffahrtslinie des Norddeutschen Lloyd mit Bremerhaven verbunden. Noch heute werden sonntags deutsche ­Gottesdienste in der evangelischen ­Kirche abgehalten. Über den Baltimore–Washington Parkway sind es nur rund 60 Kilometer bis zur US-Hauptstadt.

Die Kapitale begrüßt mit strahlendem Sonnenschein. Memorials für die Präsidenten Jefferson, Lincoln und Washington, die Denkmale für die Kriege in Vietnam und Korea, das Kapitol und das Weiße Haus mit dem US-Präsidenten sowie die Mall mit all den verschiedenen Museen der Smithsonian Stiftung – in Washington könnte man Wochen verbringen.

Pro Tag knapp 3000 Eier

Am nächsten Seetag haben die „Jungen Wilden“ ihren Einsatz, sieben Köche sowie ihr Erfinder Stefan Marquard. Die engagierten Männer machen ihren Beruf mit Leidenschaft, sind bereit, Regeln zu brechen und alles dem Geschmack unterzuordnen. Sie tischen den Gästen Ente, Ei, Kraut und Rüben auf oder Kaisergranat mit Saibling.

Pro Tag sind es knapp 3000 Eier, 4500 auf dem Schiff gebackene Brötchen, 800 Kilogramm Fleisch, 600 Kilogramm Fisch, 600 Liter Weißwein, 500 Liter Bier, 250 Liter Eiscreme, 250 Rollen Klopapier, die auf dem Schiff verbraucht werden. Rund 12.000 verschiedene Artikel sind an Bord – Lebensmittel und Getränke, Putzmittel, Bettwäsche, Handtücher und allein 10.000 Kugelschreiber. Den Überblick über alle Lagerbestände hat Proviantmeister Alexander Heisterkamp. „Der Hamburger ist seit anderthalb Jahren bei Aida und hat selbst Koch gelernt. Was ist für ihn eine Herausforderung? „Wenn ein Container mit Ware nicht pünktlich kommt, denn alle Produkte werden aus Deutschland angeliefert.“

Das letzte Wort an Bord hat der Kapitän

Das letzte Wort an Bord hat natürlich der Kapitän. Thomas Mey ist ein Seemann mit viel Erfahrung, Witz und natürlicher Kompetenz. Der Dresdner hat in der damaligen DDR als Matrose angefangen, besuchte die Seefahrtsschule in Warnemünde und fuhr vor der Wende auf vielen DDR-Frachtern um die Welt. Sein Lieblingshafen? „Ich lege überall gerne an.“ Faszinierend findet er die norwegischen Fjorde. Im Geirangerfjord geht er schon mal bei zwölf Grad Wassertemperatur baden. „Das amüsiert die Crew und natürlich auch die Passagiere.“

Bei der Rostocker Reederei hat er gleich nach der Gründung vor 20 Jahren angefangen. Den Gästen steht er bei regelmäßigen Fragestunden zur Verfügung, außerdem macht Mey jeden Tag gegen zehn und 18 Uhr Durchsagen an Bord über Wetter, Wind, Positionsangaben und nautische Besonderheiten.

Zerstörungen von Hurrikan „Hugo“

Nächster Hafen ist Charleston in South Carolina. Der Fußweg ins Zen­trum ist nur kurz, nach den Zerstörungen von Hurrikan „Hugo“ im Jahre 1989 hat die „Southern Belle“ sich wieder hübsch herausgeputzt. Die 110.000-Einwohner-Stadt hat USA-weit die meisten Häuser aus dem 18. Jahrhundert – und selbstverständlich Südstaaten-Romantik. Die 80er-Jahre-Schmachtserie „Fackeln im Sturm“ wurde zum Beispiel in Boone Hall gedreht, ein Herrenhaus nur wenige Kilometer von Charleston entfernt.

Die stattliche Villa am Ende einer prächtigen Allee stammt aus dem Jahre 1936. Auf der Plantage, die auch mal einer deutschstämmigen Familie namens Horlbeck gehörte, werden Obst und Gemüse angebaut. Natürlich wurden dort auch Sklaven gehalten. Heute unvorstellbar, wie mindestens zehn Menschen es in einer 20 Quadratmeter kleinen Backsteinhütte ohne Wasser und Elektrizität ausgehalten haben.

In Port Canaveral lockt ein toller Strand

Das Meer wird immer blauer, Delfine umspielen das Schiff. Mit fünf bis sechs Knoten Schleichfahrt dümpelt die „Aida Luna“ die Küsten von South Carolina und Georgia entlang gen Florida. Die lange Atlantikdünung lässt das Schiff angenehm rollen. Sonne, kaum Wind von achtern, 27 Grad. Sonnendecks und Pools sind voll an diesem Seetag wie aus dem Bilderbuch.

In Port Canaveral lockt ein toller Strand in Sichtweite des Anlegers. Und natürlich das Kennedy Space Center. Mit viel Pathos und Nationalstolz sehr gut inszeniert und perfekt organisiert erfährt man alles über Raumfahrt. 15.000 Besucher pro Tag erleben den ­simulierten Start eines Space Shuttles, fahren mit einem Bus über das Gelände und beenden die Tour natürlich im Souvenirshop.

Alligatoren dösen am Ufer

Anlauf in Miami. Wir gehören zu den vier Millionen Kreuzfahrtgästen, die hier jedes Jahr an Bord gehen oder die Schiffe verlassen. Am Ocean Drive reihen sich Bars und Restaurants in bunten und etwas heruntergekommenen Art-déco-Häusern aneinander. Auf den zahlreichen Inseln liegen die Villen der Prominenz.

In den Everglades westlich der Zweimillionenstadt dösen ­Alligatoren am Ufer. Dieses tropische Marschland ist kein Sumpf, sondern ein dicht mit Gras und Seerosen bewachsener Fluss, der einen Meter pro Stunde fließt. Ziemlich laute Propellerboote fahren mit Besuchern auf den Wasserläufen herum. Unser Steuermann Steve berichtet von einem Umweltproblem: „Privatleute lassen ihre Schlangen, die sie zu Hause im Terrarium nicht mehr haben wollen, hier einfach frei. Das ist ein ­Angriff auf das Ökosystem der Everglades.“

Blaues Meer, weiße Strände, warme Tage

Es folgen noch Anläufe in Nassau auf den Bahamas sowie dann zum Schluss am Ziel in der Dominikanischen Republik. Blaues Meer, weiße Strände, warme Tage. Karibik-Feeling. Die Abschiedsparty am letzten Abend auf der „Aida Luna“ möchte eigentlich ­niemand feiern, nicht an den Rückflug und Alltag im kühlen Europa denken. Ja, es gibt ein Leben nach einer Kreuzfahrt. Aber auch eins vor der nächsten See­reise.