Whistler. Kanadas Skigebiete gehören zu den besten Nordamerikas. In Whistler gibt es Après-Ski-Programm, Banff bietet entspannte Atmosphäre.

Es ist dunkel, als wir uns mit den Skiern auf den Schultern auf den Weg machen. Ein Bus? Fährt um 5.45 Uhr noch nicht. Als wir die knapp einen Kilometer entfernte Talstation der Whistler Village Gondola erreichen, stehen wir am Eingang hinter 30 noch gierigeren Menschen, aber vor den 600, die noch kommen werden – ausgestattet mit einem „Fresh tracks“-Ticket (frische Spuren) für 21,99 Kanadische Dollar, umgerechnet 15,60 Euro. Nun heißt es warten.

Erst in gut einer Stunde nimmt die Gondelbahn die ersten Gäste auf 1900 Meter hoch. Dort soll es ein deftiges Frühstück im Bergrestaurant geben, und dann, wenn die Glocke die Strecken freigibt: „Champagner Powder“! Der heiß ersehnte, pulvrige Neuschnee. Endlich.

Aber zurück auf Los. Sechs Tage zuvor hat die Jagd nach dem fluffigen, leichten Schnee ­begonnen. Neun bis zehn Meter schneit es pro Saison in den westlichen Provinzen Alberta und British Columbia. Eine verlockende ­Aussicht auf beste Bedingungen also. Doch während des neuneinhalbstündigen Flugs nach Calgary klopft dieser lästige innere Fragesteller immer wieder hartnäckig an: Echt jetzt? Du fliegst nur zum Skilaufen 7500 Kilometer um die halbe Welt? Muss das sein?

Obligatorische Pancakes in der Lodge

Erster Zielort ist das 90 Autominuten vom Flughafen entfernte Banff. Hier wurde 1885 der Grundstein für den ersten Nationalpark Kanadas – heute Unesco-Weltkulturerbestätte – gelegt. Als wir in den 8000 Einwohner zählenden Ort einfahren, sorgt der feste Schnee auf den Straßen für eine wohlig-gedämpfte ­Atmosphäre. Jetzt noch schnell die Ausrüstung ausleihen und einen abendlichen Snack einnehmen.

Am nächsten Tag läuft während des Frühstücks in der Banff Park Lodge Led Zeppelins Klassiker „Whole lotta love“, ein idealer kleiner musikalischer Adrenalinschub zu den obligatorischen Pancakes. Albert Neuhaus gibt das Zeichen zur Abfahrt. Albert sieht aus wie 40 und ist 52 Jahre alt. Sein Name klingt nach Europa. „Meine Eltern sind 1956 aus Danzig nach Kanada ausgewandert“, erklärt er in lupenreinem Deutsch.

Kein lästiges Anstehen vorm Lift

In Banff fährt es sich ohne zu viel Trubel.
In Banff fährt es sich ohne zu viel Trubel. © Getty Images/All Canada Photos | Randy Lincks

Nur gut 15 Minuten dauert die Anreise ins Sunshine Village, einem der drei Skigebiete im Banff-Nationalpark. „No smoking“ steht am Lifteingang, gefolgt von „No foul language“. Aber für Pöbeleien gibt es gar keinen Anlass. Kein Gedränge, sondern rücksichtsvoller Reißverschlussverkehr vor dem Lift, kein Anstehen, man fühlt sich fast wie ein Auserwählter, der die Weite der kanadischen Rocky Mountains genießen darf. Wo sonst in den ­Tälern der Alpen kleine Dörfer stehen, bilden Tausende weiß bestäubte Bäume einen endlosen Waldteppich. Ein Blick wie ein Beruhigungsmittel.

Zweite Besonderheit: Wem die durchaus auch anspruchsvollen, gewalzten Pisten zu wenig aufregend sind, der darf auch in Waldabschnitte abbiegen und die Bäume zu Slalomstangen umfunktionieren. Das Gebiet als eine einzige Piste – ein ungewohnter, neuer Spaß. Wer es noch extremer mag, steigt in den Delirium Drive mit einem durchschnittlichen Gefälle von 39 Grad, in einigen Sektionen sind es fast 50 Grad unpräparierte Abfahrt. Das Adre­nalin lässt jeden Jetlag und jedes Kältegefühl bei zweistelligen Minusgraden vergessen.

Lakie Louise ist das größte Skigebiet der Rockies

Einen Tag später dauert die Fahrt nach Lake Louise eine gute halbe Stunde. Wer die Skirennen der Profis verfolgt, kennt das Resort als Weltcup-Austragungsort. „Wenn du mal Skirennfahrerin Lindsey Vonn per Handschlag begrüßen willst, musst du hierherkommen“, grinst unser Guide Albert und dreht die Countrymusik im Van etwas lauter.

Die Anzahl der Parkplätze verrät allerdings, dass es durchaus voller werden kann. Mit 17 Quadratkilometer Fläche und 145 markierten Strecken darf sich Lake Louise das größte Skigebiet der Rockies nennen. 2013 kürte es ein Magazin zum besten Skiresort ­Kanadas. „Good morning“, grüßt uns ein freundlicher Herr. Er wartet auf Neuankömmlinge: Als „ski friend“ bieten Freiwillige ausländischen Touristen an, sie mit auf eine geführte Runde zu nehmen. Kostenlos natürlich.

Bison Short Ribs zum Niederknien

Wie bereits in Sunshine Village fällt auf, dass die Piste so gut wie eisfrei ist, obwohl es schon einige Tage nicht geschneit hat. Aber die kühle, trockene Luft hält den Schnee angenehm griffig. Breite Pisten locken genauso wie tiefschwarze Abfahrten („double black ­diamond“). Die nächste Überraschung: Im Whitehorn Bistro gibt es für 20 Euro Bison Short Ribs zum Niederknien. Gehobene Küche auf 2042 Meter Höhe – ein Erlebnis für Gaumen und Auge.

Wir können nur ahnen, wie traumhaft es wäre, auf diesen Pisten in federleichten, pudrigen Schnee einzutauchen, genau wie im dritten, kleineren Skigebiet Mount Norquay, das zwar einen spektakulären Blick nach Banff zu bieten hat und knackige Pisten, aber keinen Neuschnee.

Freeride-Tour in unberührter Landschaft

Ein beliebtes Paket mit dem Basiscamp Banff beinhaltet ein zweitägiges Heliskiing in den Selkirk Mountains mit garantierten 6000 Höhenmetern in zwei Tagen. Mehr als 200 Abfahrten garantieren unberührte Hänge. Zu 90 Prozent sind es Männer, die sich einmal im Leben den weißen Traum einer Freeride-Tour in unberührter Landschaft erfüllen wollen. Obwohl – bei einem Mal bleibt es häufig nicht. Über ein Drittel der Powder-Süchtigen kehrt spätestens nach drei Jahren zurück.

Eine Seilbahn in Lake Louise, dem größten Skigebiet der Rockies.
Eine Seilbahn in Lake Louise, dem größten Skigebiet der Rockies. © AFP/Getty Images | DON EMMERT

Am fünften Tag ziehen wir weiter, steigen in Calgary in den Flieger nach Vancouver, um olympisches Flair in Whistler einzuatmen. Hier in der Provinz British Columbia wurden 2010 die Winterspiele ausgetragen. Dreimal in Folge ist Whistler/Blackcomb zuletzt zum besten Skigebiet Nordamerikas gewählt worden. Und es braucht nur einen Gang durchs Village um zu wissen: Vorbei ist es mit der Einsamkeit der Rockies, willkommen im Trubel.

Andere Welt in Whistler

Mehr als 10.000 Leihski und -snowboards warten in den Shops auf Fahrer, in den Kneipen wie dem Merlins sorgt am späten Nachmittag eine Liveband für Stimmung. Wem Einkehrschwünge so wichtig sind wie die Kurven auf der Piste, der ist hier genau richtig.

Der Wetterbericht kündigt kräftige Niederschläge an. Und tatsächlich: Innerhalb von zwei Tagen fällt gefühlt ein Meter Neuschnee. Unten im Tal zwar anfangs als Regen, unter den Berggipfeln jedoch deuten sich paradiesische Zustände an. Und als die Prognose für Freitag „Sonne, Wolken, minus zwei Grad“ lautet, sichern wir uns die eingangs erwähnten Tickets für die Frühskifahrer. Um 8.10 Uhr erklingt die Glocke. Freie Fahrt, wir dürfen auf die Piste. Der Schneefall hat aufgehört.

Gondel in 436 Metern Höhe

Während unten noch eine Nebelwolke das Tal bedeckt, beleuchtet die Sonne die ersten Bergzipfel. Der Vorhang des atemberaubenden ­Panoramas ist gelüftet. Wir ziehen die ersten Tracks – und plötzlich ist es ganz still, ganz so, als ob jemand den Ton abgeschaltet hat. Auf die nachts präparierte Piste hat sich knapp zehn Zentimeter Schneeflaum gelegt, der sich ohne Widerstand zur Seite schieben lässt. Wie auf Watte gleiten wir Richtung Tal. Ein ­Genuss, der viel zu schnell vorüber ist.

Als weitere Lifte öffnen, finden wir Hänge mit noch mehr Schnee. Links, rechts, links, die breiten Skier gehorchen auf sanftem Druck. Ein Hauch von Heliskiing. Ein Aha-Erlebnis ist auch die Gondel Peak 2 Peak, die auf einer Länge von 4,4 Kilometern 436 Meter über dem Fitzsimmons Creek zwischen zwei Berggipfeln entlangschwebt – nichts für Menschen mit Höhenangst.

Wilde Fahrt im Snowmobile

Nicht in den Rockies, sondern hier haben wir die ersehnte Dosis Neuschnee bekommen. Punktsieg also für Whistler gegen Banff? Eher nein. Das Olympiagelände bietet mit seiner über 30 Quadratkilometer großen Fläche und 200 markierten Abfahrten eine schier endlose Spielwiese und hat eine Vielzahl an weiteren Attraktionen im Angebot wie eine wilde Fahrt im Snowmobile in die Berge von Sproatt Mountain. Preislich langt Whistler auch deutlich mehr zu – bei Tagesskipässen in Höhe von 139 Kanadischen Dollar (99 Euro) lohnt es sich, aus Europa ein günstigeres Pauschalangebot zu buchen.

Wer gerade – wie wir – aus Banff kommt, der sehnt sich aber eher zurück in die Idylle. Die entspannte Atmosphäre, die Freundlichkeit der Menschen gepaart mit der Naturlandschaft und der Vielzahl an Pisten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sind einfach zu verlockend. Wie hat unser Guide Albert gesagt: „Im Januar sind viele Australier da, achte außerdem auf die Ferienzeiten der Kanadier. Der März wäre ein guter Monat, um wiederzukommen.“

Während des Rückflugs meldet sich wieder die innere Stimme: Du, so in drei Jahren sollten wir aber noch mal dahin und ausprobieren, wie es sich anfühlt, im Helikopter aufzusteigen und dann in die berauschende Stille und Weite der Natur Kanadas einzutauchen. Abgemacht.

Tipps & Informationen

Anreise ab Hamburg z. B. mit British Airways über London oder mit KLM über Amsterdam nach Calgary.

Banff Die Saison in den drei Skigebieten Sunshine Village (1660–2730 Meter), Lake Louise (1646–2637 Meter) und Mount Norquay (1630–2133 Meter) dauert von Mitte November bis Ende Mai. Weitere Informationen unter www.skibig3.com.

Whistler/Blackcomb Whistler liegt nur 675 Meter über dem Meeresspiegel, der Blackcomb-Peak ist mit 2184 Metern der höchste mit Skiern erreichbare Punkt. Hier ist auch Sommerskilauf möglich. Weitere Informationen unter www.whistlerblackcomb.com.

Pauschal Skisafaris oder Heliskiing bieten Veranstalter wie Stumböck an (www.stumboeck.com). Einstiegsangebote inklusive Flug nach Calgary ab 998 Euro, Komplettangebote inklusive Heliskiing ab 3478 Euro.

(Die Reise wurde unterstützt von Travel Alberta, Destination British Columbia und Stumböck Club Reisen.)