Paphos. Zyperns geschichtsträchtiger Westen wurde jahrzehntelang vernachlässig. Jetzt ist Paphos Europas Kulturhauptstadt des Jahres 2017.

Die meisten Frauen haben ja irgendein Schmuckstück, von dem sie sich nie trennen. Auch wenn sich die Mode drumherum ändert – immer bleibt ­dieser eine Ring mit Brilli. Oder der von Oma geerbte Armreif. Mal angenommen, Paphos wäre eine Frau, dann hätte sie einen Bernstein als Evergreen-Schmuckstück: den in der Abendsonne leuchtenden, gedrungenen Kastellturm von 1592, Paphos’ Wahrzeichen.

Ein­gefasst von den Molen des Alten Hafens sieht er aus wie eine goldbraune Brosche. Die sich daran links und rechts wie eine Halskette anschließende Prome­nade aber mag nicht recht dazu passen: Mal karg, mal palmengesäumt, mit ­angejahrten Souvenirläden quasi als bonbonfarbenem Strass und Hotelanlagen aus den 80er-Jahren als klotzigen Klunkern schlängelt sie sich um den Südwestküstenzipfel Zyperns – und ist dann so­zusagen ­Paphos’ Dekolleté, dieses Touristenviertel.

Am 1. Juli wird mit Feuerwerk und Lichtshow groß gefeiert

Jahrzehntelang war die alternde Dame hier so auf Bling-Bling fokussiert, dass sie ihr verwittertes Gesicht darüber ganz vergaß: Kitima, die enge Altstadt, drei Kilometer nördlich auf dem Berg. Nach zwei Jahren Bagger- und Bulldozer-Facelifting begrüßt Paphos – so gut es geht entrümpelt von Trümmergrundstücken und Bröckelfassaden – seine Gäste zum Kulturhauptstadtjahr nun mit immer noch faltigem, aber ­feierfreudigem Antlitz.

Etwa 320 Sonnentage hat Zypern – ein Topwert in Europa. Klar, dass Paphos’ Party draußen steigt: „Open Air Fac­tory“ heißt denn auch das Motto der gut 300 Veranstaltungen des kommenden Jahres. Bei der zweitägigen Eröffnung inszeniert Paphos antike griechische Mythen mit Tanz, Theater und Per­formance rund ums Rathaus in der Altstadt. Ein Logenplatz in der ersten ­Reihe dürfte dafür die Terrasse von Nicolaou Demetris’ Café sein. „Koutourou“ hat er es genannt, frei übersetzt „egal, nach Lust und Laune“.

Genau so dekoriert Demetris das Altstadt-Bürgerhaus alle paar Monate neu. Rennräder baumeln unter hohen Decken, Retroschreibmaschinen, -tele­fone und -kameras in den Regalen lassen die Gespräche bei Demetris’ täglich neu kreierten Gemüsesnacks, Espresso und Ouzo zu Zeitreisen in die Vergangenheit werden. Ein paar Gassen weiter steht das The Place: In dem umgebauten ehemaligen Lagerhaus kann man seit 2015 täglich sogenannten Mosaizisten, das sind Kunsthandwerker, die Mosaike legen, Glaskünstlern und Holzschnitzern bei ihrer Arbeit zuschauen und sogar mit ihnen gemeinsam kleine Kunstwerke schaffen. Oder nebenan beim „Karagiozis“ zuschauen, dem typisch zypriotischen Marionettentheater, das – meist augenzwinkernd – aktuelle Entwicklungen in der Stadt aufgreift.

So wie Demetris, der Cafébetreiber, schaut auch Natalia Antoniou, die Direktorin des The Place, optimistisch auf die wieder belebte Altstadt. Beide Inselbewohner hoffen auf neuen Schwung durch das Kulturhauptstadtjahr. Doch wie viel wird’s am Ende sein? „Als wir den Titel 2012 ­gewannen, hatten wir ein Budget von 24­ Millionen Euro für 2017“, sagt Ga­latia Georgiou vom Organisationskomitee, „dann aber kam die Finanzkrise, und jetzt sind nur noch acht Millionen übrig – da müssen wir natürlich sehr viel improvisieren!“ Und immer wieder auch imponieren – mit satter Geschichte, die man hier buchstäblich fast überall mit Füßen tritt, auf und in diversen ­Ausgrabungsstätten.

Antike Hausführungen lassen die Geschichte aufleben

Perser und Ptolemäer, Byzantiner und Briten – wer seit 10.000 Jahren nach Zypern und ­Paphos kam, meist um beides zu besetzen, das zeigen 16 Schautafeln in der schattigen Promenade: „Faces of Pafos – A Journey Through History“. Sie liegt etwas versteckt unterhalb der Straße Petraki Miltriadou beim Hamam. Gewissermaßen im Vorbeigehen ­erlebt man Zypern hier als eine Art belebte Viel­völkerkreuzung der Weltgeschichte – und das ist sogar eines der drei Leit­motive des Kulturhauptstadtprogramms: Einwanderer, Reisende und Migranten auf Zypern werden Thema der großen Sommer-Highlight-Veranstaltung sein, mit Schiffsflotten, Feuerwerk und Lichtshow am 1. Juli rund um den Hafen.

Für Besucher sind die kulinarischen Einflüsse einstiger arabischer, mediterraner oder afrikanischer Invasoren das gesamte Jahr über zu genießen – bei den „Garden of Taste-Events“ beispiels­weise, einer geplanten Serie von Gastro-Festivals in Paphos. Das aus dem
2. Jahrhundert stammende römische Odeion, ein kleines Theater mit Rundtribüne, ist damals wie heute Livebühne. Unesco-Welterbe seit 1980 – wie alle antiken Ruinen in Paphos – liegt das Odeion im Archäologischen Park, zu dem auch Paphos’ weltberühmte und bestens erhaltene Mosaike gehören, entdeckt 1962 vom Bauern Hasip beim Pflügen. Sein Haus steht noch immer am Rande des Areals, ganz in der Nähe des prächtigsten der vier seitdem ausge­grabenen Villenfundamente aus dem 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. Es ist das Haus des Dionysos, gut 500 Quadrat­meter groß, verziert mit einem Bodenmosaik, das wohl den ersten Betrun­kenen überhaupt zeigt – angeschickert vom Fusel, dessen Rezept der abge­bildete Weingott ihm zuvor verriet.

Solche – nun ja – nicht eben geschichtsbuchkompatiblen, aber sehr unterhaltsamen Bildinterpretationen hört, wer sich auf antike „Hausführung“ mit Stylianos Estathiou begibt. Der bestens deutsch sprechende Guide bekäme wegen bester Faktenkenntnis trotzdem eine „Eins“ in zypriotischer Geschichte und weiß außerdem, wann er seine Gäste an Touristenkarawanen vorbeilotsen kann.

Ein Besuch bei der alten Dame Paphos lohnt also, auch wenn noch nicht so richtig klar ist, wie die Kulturhauptstadtjahr-Feiern so werden. Schließlich ist da ja auch noch eine Nebenbuhlerin – diese andere, ewig jung gebliebene Dame: Aphrodite. Allgegenwärtig auf Plakaten, in Namen von Restaurants, Busunternehmen oder Freizeitparks. Am 25 Kilometer entfernten Postkarten-Felsen Petra Tou Romiou soll die griechische Liebesgöttin der Sage nach dem Meer entstiegen sein, weshalb verliebte Paare bis heute hinpilgern und die Hügel drumherum mit Kieselstein-Herzen und ihren Namen dekorieren.

Tipps & Informationen

Anreise von Hamburg nonstop mit Germania nach Paphos.

Übernachten Hotel Axiothea, Altstadt, Ivis Malioti Street 2,
www.axiotheahotel. com, DZ/F ab 45 Euro. Wer Badelandschaft und Küstenflair, aber keinen Touristen-rummel möchte, ist im Capital Coast Resort & Spa richtig. Tomb of the Kings Road 69, DZ/F im Studio 145 Euro, www.capitalcoastresort. com.

Essen Direkt am Alten Hafen lotsen Kellner von allerlei Fischrestaurants die Kunden an die Tische. Das Pelican ist eines der besseren, serviert frischen Fisch am Kai oder auf der Terrasse des renovierten Lagerschuppens. Im ehemaligen türkischen Viertel der Stadt, unter Olivenbäumen auf der Terrasse, speist man im Ta Perix zwischen Einheimischen.

Auskunft www.pafos2017.eu, www.visitcyprus.com