Moskau. Wer Schnee vermisst, findet klirrende Kälte bei einer Zugfahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn – etwa von Moskau nach Ulan Bator.

Urlaub dort, wo es noch echte Winter gibt, lautet der Entschluss. Doch selbst in den Hochtälern der Alpen, wo immer Verlass auf Frost und Schnee war, kann man auf die Nase ­fallen. Wohin dann? Man denkt an Reisereportagen aus dem Osten oder an Kindertage, als man mit glänzenden ­Augen russische Märchen im Fernsehen verfolgte. Die spielten oft in schneereichen Wintern. Warum nicht zu Väterchen Frost nach Russland reisen? Wenn schon, dann richtig.

Ein Blick auf die Temperatur­diagramme der Internet-Wetterdienste zeigt: Moskau minus 10 Grad, das klingt gut, Irkutsk minus 20 Grad noch ­besser. Wenn dann am Baikalsee klirrende minus 25 Grad zu erwarten sind, wird es langsam perfekt. Also ab nach Moskau und von dort – das Flugzeug links liegen gelassen – auf dem Tausende Kilometer langen Schienenband der Transsibirischen Eisenbahn in die Kältekammer Asiens rollen. Sibirien wartet, und ein kleiner Sprung darüber hinaus, Sonderzugwagen machen es möglich. Der Abschluss der Wintermärchen-Tour ist in Ulan Bator und der Mongolischen Schweiz.

In Jekaterinburg steht man zugleich in Europa und Asien

Aber gemach. Bis dahin sind es noch ­einige Kilometer, die der Zug in Richtung Osten rollen muss. Zwei Tage ­erstes Winterschnuppern in Moskau. Alexandergarten, Jungfrauenkloster und Arbat mit leichtem Schneebesatz. Noch war kaum ein Unterschied zum Schmuddelwetter in Deutschland zu spüren. Sicher, der Bummel über den nächtlichen Roten Platz beeindruckt. Da stört auch nicht, dass vorm legen­dären Kaufhaus Gum mächtiger Trubel herrscht.

Mittlerweile liegen aber fast 1700 Kilometer und manch Zugerlebnis hinter den Passagieren. Niemand ist ­böse, dass in Jekaterinburg ein erster längerer Stopp im Plan steht. Die ­Kathedrale auf dem Blut wird zum emotionsgeladenen Halt. Dies prächtige ­russisch-orthodoxe Gotteshaus ist dem Gedenken an die Ermordung der letzten Zarenfamilie gewidmet. Zar Nikolaus II. wurde hier mit seiner Frau, den Kindern und dem Dienstpersonal erschossen.

Mit einem Bein in Europa, mit dem anderen in Asien

Das Stadtzentrum des ehemaligen Swerdlowsk ist ein idealer Ort, sich die Beine zu vertreten, bevor es wieder in den Zug geht. Nicht zu vergessen ein kurzer Ausflug vor die Tore der Stadt, wo sich im Ural die Grenze zwischen Europa und Asien entlangschlängelt. Dort kann man mit je einem Bein auf beiden Kontinenten stehen – der perfekte Augenblick, dieses Erlebnis mit einem Glas Sekt zu würdigen.

Am Abend hat der Zug seine Pas­sagiere wieder. Die vier Waggons, drei Schlaf- und ein Speisewagen, haben ihren Platz hinter einer neuen Lok ­gefunden und rollen über Omsk, Nowosibirsk, die Hauptstadt Westsibiriens, und Krasnojarsk immer weiter den schier endlosen Schienenstrang entlang. Lesen und schauen, schauen und ­lesen, unterbrochen von köstlichen Ausflügen in die ­russische Küche, von Vorträgen und einer Einführung in die Landessprache – so der Alltag an Bord. Unterbrochen auch von interessanten Vorträgen und einer kleinen Einführung in die Tücken der rus­sischen Sprache. Die fest eingeplante Wodka- und Kaviarverkostung gehört zu den Höhepunkten.

Mit Luftkissenboot über den zugefrorenen Baikalsee

Winterliche Kälte bleibt drau­ßen. Das aber ändert sich abrupt. In ­Irkutsk heißt es, dem lieb gewonnenen ­Abteil erst mal Tschüs zu sagen. Am ­Baikal wartet nicht nur das Wintermärchen, das alle erhofft hatten, sondern auch ein modernes Hotel mit Duschen. Nach fünf ­Tagen im Zug schmerzlich vermisst. Aber auch ungewohnter Luxus hält keinen im Zimmer. Schlappe 6 Grad unter null und Sonne – der Baikalsee zeigt sich von seiner schönsten Seite. Das ehemals winzige Fischerdorf Listwjanka hat sich zu einem touristischen Hotspot entwickelt. Selbst im Winter sind reichlich Urlauber vor Ort.

Das merkt man nicht nur im Baikalmuseum, wo man so ziemlich alles über den schönsten und größten Binnensee der Erde erfährt. Zwar versteckt er seine mächtigen Dimensionen im Winter unter einer festen Eisdecke, doch allein schon die Zahlen sprechen für sich. 636 Kilometer lang ist er und zwischen 27 und 80 Kilometer breit. Seine maximale Tiefe beträgt 1637 Meter. Beliebt bei Anglern (und Feinschmeckern) im Sommer wie im Winter ist der Omul, ein Lachsfisch, der nur im Baikalsee lebt. Frisch geräuchert, warm aus dem Ofen, wird er auf dem Markt angeboten.

Dampfbad im Holzhaus

Mit einem Luftkissenboot geht es über die unendlich scheinende Eisdecke bis dorthin, wo die Angara, der einzige Abfluss des Sees, ihren Anfang nimmt. Deren Fließgeschwindigkeit sorgt dafür, dass dort an einer scharfen Grenze plötzlich Schluss ist mit dem blendenden Eis. Für die Luftkissenboote kein Problem. Doch schöner ist ein Stopp auf dem Eis, eine kleine Eiswanderung und ein Begrüßungsschluck für den Tag am Baikal. Nicht vergessen, die ersten Tropfen aufs Eis zu geben. Das Gewässer verzichtet ungern auf seinen Anteil.

Die Tropfen, die in die Gläser der Gastfamilie in einem typischen Holzhaus laufen, sind dagegen nur für die Gäste gedacht. Russische Gastfreundschaft selbst erleben. Auch wenn natürlich der Reiseveranstalter seine Hände im Spiel hat, es kommt schon eine ­Menge rüber von dem, was so gerühmt wird. Ein schöner Ausklang des Tages, noch dazu kombiniert mit einem Dampfbad im Holzhaus nebenan.

In der Mongolei ist die Landschaft nur von Schnee betupft

Bevor es nach Irkutsk geht, wo eine weitere Hotelnacht und ein interessantes Programm warten, schnell noch gleich am Morgen eine Fahrt mit dem Sessellift auf den Panoramaberg, der einen grandiosen Ausblick über den See und die Angara bereithält. Nun sind es nur wenige Kilometer per Bus bis zum Freiluftmuseum Talci. Hölzerne Architekturdenkmale aus ganz Sibirien hat man hier zusammengetragen und mit Leben erfüllt. Ein lohnenswerter Blick zurück. Der Schnee hat den Gebäuden eine weiße Haube verpasst. Alles im Zeichen des Wintermärchens. Da wartet sogar eine Troika für einen Abstecher durch die Winterlandschaft. Fast entwöhnt vom gleichmäßigen Rattern startet nun der letzte Abschnitt der insgesamt 6349 Kilometer langen Stecke von Moskau nach Ulan Bator.

Viel Schnee ist nicht typisch für die Mongolei. Das Klima ist ganz einfach zu trocken. So ist es eine nur leicht „betupfte“ Landschaft, die am Zugfenster vorbeizieht. Dafür sieht es klirrend kalt aus. Ein kurzer Sprung auf den Bahnsteig an einem der vielen kleinen Haltepunkte bestätigt das. 15 Grad minus, und für die nächsten Tage ist noch Kältenachschub „angedroht“. Nachts bis unter minus 30. Ein guter Grund, in Ulan Bator nachts das Hotel lieber nicht zu verlassen. Vom Zug hat man sich mit einem weinenden und einem lachenden Auge verabschiedet.

Recht früh am Morgen fährt der Bus zum Gandan-Kloster, des größten des Landes. Viel wärmer ist es noch nicht. Das Kloster gilt als Zentrum des Buddhismus in der Mongolei. In der weitläufigen Anlage befinden sich zehn Tempel. In dem Zhanrajsig-Tempel steht eine 26 Meter hohe Statue des ­tibetischen Schutzherren Bodhisattva. Da in der Regel in mindestens einem der Tempel Gottesdienst stattfindet, kann man den Lamas und ihren Schülern über die Schulter schauen. Mehr als 900 von ihnen leben und studieren zurzeit im Kloster. Nach einem Bummel über den Suchbaatar-Platz, der überstrahlt wird vom Dschingis Khan Memorial vor dem Parlamentsgebäude, geht es zurück in die Geschichte, zum Tschojdschin-Lamatempel, der sich in Architektur und Gestaltung deutlich vom Gandan­kloster unterscheidet. Kehlkopfgesang, Pferdegeigen und Nationaltracht bestimmen das Folkoreprogramm am Abend.

Wer will, kann in der Mongolei in einer Jurte schlafen

Der letzte Tag des Wintermärchens bricht an. Es geht weiter in die Schweiz, die Mongolische. Vor den Toren der Stadt Ulan Bator, die selbst bereits 1300 Meter hoch liegt, schwingen sich die Berge auf über 2000 Meter. Die Gegend ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Städter. Wer von den Reisenden will, kann hier eisige Nächte in der Jurte genießen. Doch jetzt scheint die ­wärmende Sonne und Terrelsch, das Ziel der Gruppe, liegt etwas abseits der Hauptstrecke. Es lebt von der Weite des Blicks und der Ruhe der Landschaft. Man ist versucht, die Kälte zu vergessen. Besonderes beim Besuch einer Bauernfamilie in ihrer Winterjurte. Spannend, was Batchylkun und ihr Mann Bayarsaikhan über ihre Familie und ihren Alltag zu erzählen haben. ­Dabei sorgt in der Jurte ein Kanonenofen für wohlige Wärme. Die Kälbchen vor der Tür haben warme Decken übergelegt bekommen.

Im touristischen Teil des Camps gibt es ein regionale Spezialität – Hammel aus der Milchkanne, über dem Feuer gekocht. ­Typischer geht es kaum. Und so wird der abschließende Abstecher zum ­großen Dschingis Khan nur noch zu einer, wenn auch attraktiven Randnotiz einer überwältigenden Reise. Mit 40 Metern in der Höhe ist es das größte ­Reiterstandbild der Welt. Ein Fahrstuhl bringt die Gäste hinauf in die Mähne des Pferdes. Auge in Auge mit einem der größten Massenmörder der Geschichte, bleibt in der anderen Blickrichtung ein weiter, beruhigender Ausblick über die Mongolische Schweiz.

Tipps & Information

Zarengold: Die vorgestellte Reise wird jeden Winter an zwei Terminen angeboten. Die nächsten Termine sind 24. Februar bis 8. März 2017, 27. Dezember 2017 bis 8. Januar 2018 sowie 24. Februar bis 8. März 2018. Die Reise kostet ab 3840 Euro zuzüglich Visakosten für Russland. Dreitägige Verlängerung bis Peking ab 740 Euro. Über www.lernidee.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung von Lernidee.)