Hanoi. In Nord- und Mittelvietnam haben Archäologen Spuren einer bewegten Geschichte entdeckt. Viele Gebäude-Fundamente wurden freigelegt. und prächtige Tempelanlagen

Furcht einflößend und den vietnamesischen Verteidigern weit überlegen, fuhren große chinesische Dschunken vom Meer aus in den Bach-Dang-Fluss nördlich von Haiphong ein. Gleichzeitig zogen sich die flachen vietnamesischen Kampfboote immer weiter in den Fluss zurück und lockten die siegessicheren Chinesen ins seichte Gewässer. Just in dem Moment, in dem die Gezeiten wechselten und das Wasser abzulaufen begann, gab der vietnamesische General Ngo Quyen den Angriffsbefehl.

Entsetzt stellten die Chinesen fest, dass sich am Flussboden befestige Pfähle, deren scharfe Spitzen mit Eisen beschlagen waren, in ihre Dschunken bohrten und sie zum Sinken brachten. Für Ngo Quyen endete die Schlacht mit einem Triumph, für die Chinesen in einem blutigen Desaster. Der Sieg am Bach-Dang-Fluss beendete im Jahr 938 die 1000-jährige chinesische Besatzung.

Zitadelle von Hanoi ist Weltkulturerbe

Im Nationalmuseum für Geschichte in Hanoi sind Nachbildungen jener legendären Pfähle ausgestellt, mit deren Hilfe Vietnam vor weit mehr als einem Jahrtausend seine Unabhängigkeit erlangen konnte. Das 1958 eingeweihte Museum ist eine Schatzkammer, die die Vergangenheit des südostasiatischen Landes von prähistorischer Zeit bis zum Jahr 1945 mit bildlichen Darstellungen, Kopien, aber auch zahlreichen Original­objekten dokumentiert. Wie hoch die Bedeutung der länger zurückreichenden Geschichte für die Identität des Landes ist, zeigt der hohe Stellenwert, den die Archäologie in Vietnam genießt.

Nicht weit entfernt, in der Zitadelle Thang Long, ist viel davon zu spüren. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als man mit dem Neubau des nationalen Parlaments beginnen wollte, entdeckten Archäologen zahlreiche Fundamente historischer Gebäude, die inzwischen gesichert und freigelegt wurden. Im Jahr 2010 erklärte die Unesco die Zitadelle von Hanoi zum Weltkulturerbe.

Kolonialzeit hat Spuren hinterlassen

Tatsächlich hat sie nicht nur für die Historie von Hanoi, sondern ganz Vietnams enorme Bedeutung. „Es war ein gelber Drache, der aus den Fluten stieg und unserem König Ly Thai To zeigte, wo er seine Hauptstadt bauen sollte, nämlich auf den Trümmern einer chinesischen Festung am Roten Fluss“, erklärt unser Guide, der uns bei strömendem Regen über das weitläufige Gelände zum gut erhaltenen Südtor der Zitadelle führt, die im Jahr 1010 zu Beginn der Ly-Dynastie zur neuen Residenz wurde. Mit einigen Unterbrechungen ist Hanoi damit mehr als 1000 Jahre Hauptstadt des Landes.

Obwohl Hanoi eine Stadt mit vielen jungen Gesichtern ist, wird sie noch immer von der jüngeren Vergangenheit geprägt. Die französische Kolonialzeit hat ebenso tiefe Spuren hinterlassen wie die beiden Indochina-Kriege. Aber genauso präsent ist auch die Jahrtausende alte Geschichte mit ihren Monumenten und Mythen.

Pagode in Form einer Lotosblüte

So sind es nur ein paar Schritte vom trutzigen Mausoleum des nationalen Übervaters Ho Chi Minh, der von den Menschen nicht als „Vater“, sondern als „Onkel“ verehrt wird, bis zur Einsäulenpagode, die auf einen im Jahr 1049 in Form einer Lotosblüte errichteten Tempel zurückgeht.

Den Präsidentenpalast, ein gelbes Palais, das die Franzosen 1900–06 als Residenz für Generalgouverneure errichteten, hat der Revolutionsführer und kommunistische Präsident nie bewohnt. Er ließ sich vielmehr ein schlichtes Stelzenhaus bauen, das an die Architektur der Bergvölker erinnert. Dort hat er von 1958 bis zu seinem Tod 1969 gelebt und gearbeitet.

Verwunschene Berglandschaft mit Reisfeldern

Die Bergvölker sind heute nationale Minderheiten, die unter staatlichem Schutz stehen und ihre eigene, oft sehr archaische Kultur pflegen. In der Bergregion von Mai Chau, zwei Autostunden südwestlich von Hanoi, begegnen wir den „Weißen Thais“, die hier in schlichten Dörfern leben und Landwirtschaft treiben. Natürlich haben sie sich längst auf den Tourismus eingestellt und versuchen uns auf Französisch ihre kunsthandwerklichen Produkte zu verkaufen.

Einige von ihnen arbeiten in der vorzüglich geführten Mai Chau Ecolodge, deren mit Palmenblättern gedeckte komfortable Bungalows sich wunderbar in die verwunschene Berglandschaft mit den terrassierten Reisfeldern einfügen. Erkunden lässt sich diese malerische Gegend recht bequem mit einem der Mountainbikes, die man in der Ecolodge ausleihen kann. Ein noch großartigeres, allerdings touristisch komplett durchgetaktetes Landschaftserlebnis bietet die sogenannte trockene Halong-Bucht.

Bootsfahrt durch Grotten

Der Name ist gut gewählt, denn das Landschaftsbild nahe der Stadt Ninh Binh erinnert in der Tat an die pitto­resken Felsen der nördlich von Haiphong gelegenen „nassen“ Halong-Bucht. Doch während dort die fantastisch geformten Felsen aus einer Meeresbucht aufragen, liegen die hiesigen Karstberge in einem von üppiger Natur und Reisfeldern geprägten Tal, das von einem Flüsschen und vielen kleinen Kanälen durchzogen wird.

Wir lassen uns von Booten durch diese Wasserstraßen fahren, müssen bei der Durchfahrt durch Grotten manchmal den Kopf einziehen und bewundern unseren Bootsführer, der uns nicht mit den Händen, sondern mit den Füßen rudert, was er anschließend mit einem Trinkgeld belohnt wissen will.

Fußweg wird zur temporären Garküche

Der Kontrast zum modernen Leben in der Hauptstadt, in die wir nach einigen Stunden Fahrt zurückkehren, könnte kaum größer sein. Gut möglich, dass sich der noch immer hoch verehrte „Onkel Ho“ in Hanoi inzwischen ein wenig fremd fühlen würde, angesichts der vielen westlichen Re­klame und der Statussymbole eines ungebremsten Kapitalismus, die dem Alltag im pro forma noch kommunistischen Vietnam längst ihren Stempel aufgedrückt haben.

Wer das Leben in der Altstadt betrachten möchte, kann sich mit einer Fahrradrikscha oder einem der zahlreichen Elek­troautos durch die Gassen fahren lassen und beobachten, wie hier auf engstem Raum gewerkelt und gewirtschaftet, gekocht und verkauft, geschwatzt und gehandelt wird. Da sitzen Menschen auf Plastikstühlen auf dem Fußweg, der kurzerhand zur temporären Garküche umfunktioniert wurde, während nebenan in einer Boutique teure Designerkleidung an Touristinnen verkauft wird.

Einheimische heißen Touristen willkommen

Noch erstaunlicher ist ein morgendlicher Spaziergang durch die „Rail Street“ auf dem einspurigen Bahngleis, das mitten durch ein Stadtquartier führt. Tagsüber kann man hier gefahrlos laufen, da enden die Züge in einem Bahnhof hinter der von den Franzosen 1899 bis 1902 erbauten Long-Bien-Brücke, die in einer Eisenkonstruktion auf 1682 Metern den Roten Fluss überspannt, nur von abends bis morgens fahren sie zum Hauptbahnhof.

Am Tag nehmen die Menschen das Gleis in Besitz, stellen Stühle auf, gehen ihrem Tagwerk nach, schlachten Hühner, waschen Kleidung, kochen Essen oder treffen sich zum Kaffee. Als Touristen fühlen wir uns beim Spaziergang wie Eindringlinge, doch die Einheimischen lächeln uns zu und haben auch gegen Fotos nichts einzuwenden.

My Son zeugt von reicher hinduistischer Kultur

Doch zurück zu den Spuren der Geschichte, die uns wenig später in Zen­tralvietnam begegnen. Von Hanoi aus braucht das Flugzeug eine knappe Stunde bis in die Hafenstadt Da Nang, in der die Amerikaner während des Krieges eine Marinebasis unterhielten. Die meisten Touristen zieht es an die breiten Strände, viele in die alte Kaiserstadt Hue oder in das historische Handelszentrum Hoi An, beides sind Unesco-Welterbestätten.

Etwas weniger bekannt, aber keineswegs weniger bedeutend ist die Ruinenstätte My Son, die etwa 40 Kilometer südwestlich von Hoi An liegt. Es war im Jahr 1898, als der französische Archäologe Camille Paris die Gegend erkundete. In einem Tal stieß er dort im Dschungel auf Tempelruinen. Es war das spirituelle Zentrum des Cham-Reichs, das ab dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert seine Macht über Mittel- und Südvietnam ausdehnen konnte.

Eindrucksvolle Tempelruinen

Die Tempelbauten von My Son, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts erforscht und freigelegt wurden, sind Zeugnis einer reichen hinduistischen Kultur und eines erstaunlichen architektonischen Gestaltungswillens. Ihre Blütezeit erlebten die Champa im zehnten Jahrhundert, wurden dann nach und nach durch das neue Reich im Norden zurückgedrängt, konnten sich aber bis ins 17. Jahrhundert hinein halten.

Die Zerstörungen der Natur, aber auch die Indochina-Kriege haben der Tempelstadt im Dschungel, die seit 1999 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, heftig zugesetzt. Trotzdem sind die Reste der Tempel, in denen die Cham hinduistischen Göttern wie Shiva huldigten, enorm eindrucksvoll. Der ganzen Fülle der Cham-Kultur kann man in Da Nang im Cham-Museum begegnen.

Tipps & Informationen

Anreise Vietnam Airlines fliegt täglich von Frankfurt nach Hanoi.

Einreise Bei einem Aufenthalt von maximal 15 Tagen ist für deutsche Staatsbürger kein Visum erforderlich.

Reisezeit Die klimatisch angenehmsten Monate für Nord- und Zentralvietnam sind November bis Mai.

Unterkunft Das Mercure Hanoi la Gare liegt in der Nähe des Hauptbahnhofes. Von hier aus erreicht man die Innenstadt schnell per Taxi, und man kann den Spaziergang über den „Rail Train“ unternehmen. Doppelzimmer ab ca. 78 Euro. www.mercure.com/de/booking/hotels-list.shtml
Die Mai Chau Ecolodge bietet sehr komfortable Bungalows und ein gutes Restaurant in naturnahem Ambiente mit gutem Blick auf die Bergregion. Doppelzimmer ab ca. 93 Euro. www.agoda.com/de-de/mai-chau-ecolodge/hotel/mai-chau-hoa-binh-vn.html

Pauschal Gebeco bietet Studienreisen nach Hanoi, zu den Bergvölkern, in die nasse und trockene Halong-Bucht, nach Hoi An und die Tempelstadt My Son an. Info: www.gebeco.de

(Die Reise wurde unterstützt von Gebeco. Länder erleben.)