New York . New York ist nicht nur Manhattan. Wer auf der Brooklyn Bridge weiterläuft, dem eröffnet sich eine völlig andere Seite der Metropole.

Willkommen im richtigen New York!“ Un­sere Gastgeberin Sara Jo begrüßt uns herzlich, drückt uns direkt ein Bier in die Hand. Ein Brooklyn Lager. Wir sind an­gekommen. Brooklyn. Endlich. Mein Freund Marcus und ich haben unsere Unterkunft über die Mitwohnzentrale Airbnb gebucht. Das Besondere: Für die nächsten Tage ist unser Zuhause ein kleines Baumhaus in­mitten eines Lofts im Künstler- und Street-Art-Viertel Bushwick.

Sara ist Künstlerin und wollte irgendetwas Besonderes aus ihrer Wohnung machen. „Ich lerne so gern Leute aus aller Welt kennen. Einen großen Raum ohne Trennwände und Türen konnte ich ja schlecht vermieten“, erklärt die 32-Jährige. So werkelte sie kurzerhand ein paar Wochen rum, und – schwupps – war ihre Traumwohnung fertig und stand für den Besuch von Gästen und Freunden bereit.

Brooklyn drei Mal so groß wie Manhattan

Sara ist nur ein Beispiel für die vielen krea­tiven Freigeister auf der anderen Seite des East River. Denn Brooklyn – nach der holländischen Gemeinde Breukelen bei Utrecht benannt – ist mit circa 2,5 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von gut 250 Quadrat­kilometern fast dreimal so groß wie Manhattan.

Viertel wie Carroll Gardens, Park Slope und Williamsburg besitzen alle ihren ganz eigenen Charme, und es gibt überall unheimlich viel zu erkunden. Touristen, die denken, ein Tag in Brooklyn reicht, um alles gesehen zu haben, werden gerne belächelt. Einheimische würden sagen: „Fuhgeddaboudit!“ Das könnt ihr vergessen. Und genau das tun wir auch und bleiben eine ganze Woche hier.

Dank Jetlag sind wir früh auf den Beinen und gehen zum Flohmarkt

Nach kurzem Plausch gibt Sara uns einige Tipps. Welche ist die beste Bar in der Ecke, wo gibt es gute Live-Musik und – was für uns gerade das Wichtigste ist: Wo finden wir die leckerste Pizza?! Wir möchten an unserem ersten Abend direkt ins Brooklyn-Leben einsteigen. Wie gut, dass unser Ziel nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt ist.

„Roberta’s“ ist aus Bushwick nicht mehr wegzudenken. Seit 2008 gibt es die Steinofenpizzeria, die in einer ehemaligen Garage zu Hause ist. Die ­Variationen reichen von klassisch bis ausgefallen, Zutaten werden superlokal bezogen, teilweise vom eigenen Garten auf dem Dach. Reichlich positiver Presse und gelegentlich prominentem Besuch wie beispielsweise von Bill und Hillary Clinton zufolge ist es bei ­„Roberta’s“ immer voll.

Bushwick kommt vom niederländischen Wort Boswijck

Eigentlich sollte man Wochen im Voraus einen Tisch bestellen. Wir haben jedoch Glück, draußen im Biergarten wird gerade etwas frei. Glücklich und satt fallen wir am Abend ins Bett – in Bushwick, was vom niederländischen Wort Boswijck kommt und so viel wie „kleines Dorf im Wald“ heißt. Passt irgendwie. Wie im Wald fühlen wir uns auch – in unserem Baumhaus auf Stelzen.

Am nächsten Morgen sind wir schon früh auf den Beinen. Etwas Gutes hat der Jetlag ja doch. „Good morning, early birds! Happy saturday!“, schallt es uns fröhlich entgegen, als wir unseren Unterschlupf verlassen. Nachdem Sara und ihr Freund Jeph uns mit Kaffee verwöhnt haben, machen wir uns auf nach Fort Greene.

Flohmarktfans kommen auf ihre Kosten

Wir sind riesige Flohmarktfans, und so darf ein Besuch des Brooklyn Flea natürlich nicht fehlen. Schon auf dem Weg kommen wir an zahlreichen Trödelständen vorbei, die vor Haustüren aufgebaut werden – „Stoop Sale“ wird das hier genannt. Am Ziel angekommen, eröffnet sich uns ein ­buntes Potpourri aus Antiquitäten, Vintage-Kleidung, vielen handgemachten Dingen, Schmuck und T-Shirts.

Meine Ausbeute: Eine Schallplatte von Simon & Garfunkel, ein ­Bilderrahmen für unsere Fotowand, eine tolle Müslischale mit einem Pinguin drauf. Solche macht Susannah Tisue von SKT ceramics & illustration, die mit ihrem Mann Michael und ihrem Sohn Theodore seit einiger Zeit in Brooklyn lebt.

„Genau wegen solcher Momente machen wir das hier!“

„Wir kommen so gut wie jedes Wochenende hier auf den Markt, schon seit drei Jahren. Letzte Woche war ein Pärchen aus München hier. Die haben ein ganzes Set gekauft. So etwas Schönes hätten sie in Deutschland noch nicht gesehen. Genau wegen solcher Momente machen wir das hier! Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn die Menschen deine handgemachten Stücke genauso toll finden wie du selbst.“

Genug geshoppt. Uns knurrt der Magen. Und wir wissen auch schon, wohin wir gehen, um das zu ändern.

Schwarzwälder Kirschtorte ist hier der Renner

Quasi direkt um die Ecke vom Brooklyn Flea warten ein Stück Deutschland und eine alte Bekannte auf uns. An der Fassade steht in großen weißen Buchstaben: Black Forest Brooklyn. Tausende Kilometer weit weg vom Schwarzwald haben sich Ayana und Tobias Holler hier ein kleines Stück Zuhause geschaffen. Beide stammen aus Nachbardörfern in Südbaden, kennengelernt haben sie sich aber erst fernab der Heimat: in New York. ­

Schnell funkte es zwischen ihnen, und ebenso schnell war die Idee eines eigenen Restaurants geboren. Von Anfang an brummte der Laden, und sie konnten das Essen gar nicht so schnell kochen, wie es gegessen wurde. „Mit unserer badischen Küche haben wir eine Marktlücke in New York entdeckt und im Viertel Fort Greene die perfekte Location gefunden“, berichtet Ayana.

In Hamburg nach New York eingeladen

Nur ein paar Wochen vor ihrer Auswanderung über den großen Teich haben Marcus und ich bei ihrer Wohnungsauflösung in Hamburg ein altes Radio und eine Jeans gekauft und ihr versprochen, dass wir sie in Brooklyn besuchen kommen. „Läuft das Radio noch?“, will Ayana wissen. „Klar, tipptopp. Ist immer noch täglich in Gebrauch.“

Die Frage, ob die Hose passt, ignoriere ich gekonnt und bestelle stattdessen ein großes Stück Schwarzwälder Kirschtorte – ein Renner auch bei den Amerikanern. Nach dem ersten Bissen weiß ich warum. Die ist richtig gut. Auch Flammkuchen, Kartoffelpuffer mit Apfelmus und Käsespätzle finden sich auf der Karte und kommen bei ihrer Kundschaft sehr gut an. „Die ist so bunt gemischt wie Brooklyn selbst“, sagt Tobias Holler.

Brooklyn hat sich verändert

Frisch gestärkt machen wir uns auf den Weg in Richtung Wasser, zur Brooklyn Heights Promenade und zum Brooklyn Bridge Park. Wo einst baufällige Anlegestellen, Industriebauten und Lagerräume standen, gibt es nun eine circa zwei Kilometer lange Parklandschaft mit Fahrradwegen, Spiel- und Sportplätzen und eine Promenade, die alles mit­einander verbindet.

Früher kam man nur ­wegen der Ausblicke auf die Freiheitsstatue, die Brooklyn Bridge und auf die Skyline hierher. Heutzutage ist Manhattans kalte Mauer aus Glas und Stahl zwar nach wie vor ein beeindruckender Hintergrund, aufgrund der Schönheit der hiesigen Seite des Flusses allerdings auch ein Stück weit unnötig. Wir halten kurz an, um an einer der Anlegestellen eine Jugendmannschaft beim Fußball anzufeuern, nähern uns dann aber immer weiter dem ­Fuße der Brücke und setzen uns ans Ufer des Flusses und beobachten das Treiben.

Die besten Köche des Stadtteils treffen sich hier

Vom Brooklyn Bridge Park aus entscheiden wir uns für den Wasserweg. Mit der East River Ferry sind es nur zwei Stopps bis zu unserer nächsten Station: Smorgasburg in Williamsburg. Jeden Sonnabend trifft sich hier das „Who’s who“ der Gastroszene Brooklyns – Blick auf die Manhattan-Skyline inklu­sive.

Die „New York Times“ bezeichnet den Markt auch gerne als „The Woodstock of Eating“. Genau das ist es: ein Festival des guten Geschmacks. An der einen Ecke riecht es nach Burger, an der anderen nach gepökelten Leckereien, und ein paar Schritte weiter stößt uns der Duft von frischen Doughnuts in die Nase. Die für mich weltbesten Doughnuts überhaupt. Smorgasburg ist zu einem beliebten Treffpunkt geworden, und jede Woche zieht es eine junge hungrige Meute hierher.

Das Feierabendbier wird lokal gebraut

„Brooklynites“ – so werden Leute, die in Brooklyn leben, genannt – pfeifen auf Cosmopolitans, schicke Clubs und Designerklamotten, schmeißen sich lieber in Jeans und Karohemd, stutzen ihren Bart zurecht und freuen sich abends aufs wohlverdiente Feierabendbier. Gern aus einer lokalen Brauerei – wie zum Beispiel der Brooklyn Brewery in Williamsburg. Hier treffen wir uns abends mit unseren Airbnb-Vermietern und neuen Freunden Sara und Jeph und berichten von unserem Tag. „Vier Brooklyn Lager, bitte!“

Tipps & Informationen

Anreise ab Hamburg z. B. mit Air France über Paris oder Air Berlin über Düsseldorf nach New York (JFK). Alternativ dazu nonstop mit United Airlines nach Newark (EWR).

Unterkunft Die Plattform der privaten Vermieter, Airbnb, bietet zahlreiche Unterkünfte in den unterschiedlichen Neighborhoods an. Ansonsten steht in Cobble Hill das NU Hotel. Es ist ein sehr modernes Hotel mit insgesamt 93 Zimmern in unmittelbarer Nähe der Brooklyn Bridge und der Brooklyn Heights Promenade. 85 Smith Street.

Informationen im Internet unter http://explorebk.com sowie ­ www.nycandcompany.org

Literatur Die Autorin hat gerade den ersten deutschsprachigen Reiseführer über Brooklyn geschrieben. Er hat 192 Seiten und viele tolle Fotos. Nähere Info und Bestellung im Internet auf: www.brooklynguide.de