Kalmar. 35 Elchparks locken in Schweden Touristen an. Viele der Parks liegen in der Provinz nördlich und westlich der Küstenmetropole Kalmar.

Wie es für Bengt Delmeby sein wird, „Tschüss“ und „ha de så bra – mach’s gut“ zu seinem knapp 500 Kilo schweren August zu sagen, der nach Jön­köping umziehen wird? Der Mann in Karohemd und Jeans schweigt und schaut irritiert – aber der Augenausdruck scheint sagen zu wollen, dass es wahrscheinlich nicht ganz einfach werden würde. Und dann kommen doch ganz andere Worte über die Lippen: Dass Elche ja keine Haustiere seien. Dass sie auf den 16 Hektar Wald- und Moorlandschaft hinter Bengts blutrotem Schuppen herumlaufen und die meiste Zeit doch nur bis zur Hüfte im Morast stehen und genau das toll finden. Und dass er Katzen habe, richtige Haustiere also, die meistens im hellgelb getünchten Wohnhaus auf der verglasten Veranda in den Kissen sitzen und mit ihm leben. Das wäre was anderes. Wenn da irgendwer käme und die tauschen wollte, da wäre er dagegen.

Elchparkbetreiber tauschen für den Zuwachs ihre Tiere aus

Regelmäßig tauchen Leute bei Bengt Delmeby in Småland auf, um mit ihm ­Elche zu tauschen. Sie kommen nicht aufs Geratewohl. Sie kennen ­einander, haben dasselbe Hobby oder sogar denselben Beruf – und arrangieren das Wechselspiel professionell. Und manchmal mit etwas Traurigkeit. Trotzdem geht es nicht anders. Für morgen hat sich ein Paar aus Jönköping weiter im Norden angekündigt, das mit ihm ­Elche tauschen will. Für den Bauern im Ruhestand ist das normal. Weil es nicht erlaubt ist, Zuwachs für die eigene Elchesammlung direkt aus der Wildnis heraus zu fangen.

Wer in Schweden einen privaten Elchpark betreibt und frisches Blut braucht, Abwechslung sucht oder ab und zu bei der Wanderung durchs Gelände mal in andere Gesichter schauen will, ist deshalb darauf angewiesen, mit einem anderen Elchparkbetreiber zu tauschen – und dafür fährt er von Zeit zu Zeit bei Kollegen mit dem Pferde­anhänger vor.

Diesmal geht es um Elchbulle August. Dabei ist er erst vor einem Dreivierteljahr wieder Vater geworden – und enorm fotogen. Ein Bilderbuchelch mit weit ausladenden Schaufeln des Geweihs. Genau so einer, weswegen Touristen vor allem in der Sommersaison zwischen Anfang Juni und Ende August in den Elchpark von Bengt Delmeby kommen. Sie wollen Schwedens Nationaltiere aus der Nähe sehen, Fotos schießen, so etwas wie eine kleine Safari machen, die – anders als in freier Wildbahn – mit Erfolgsgarantie verbunden ist. Denn einerseits sind die Elche in solchen Parks nicht ganz so schreckhaft und zur Flucht entschlossen wie in freier Wildbahn, wenn sich ein Mensch nähert. Andererseits sind die großen Grundstücke dieser Parks eingezäunt: damit keines der Tiere abhauen kann.

„Vor allem aber“, sagt Delmeby lachend, „damit keiner hineinkommt! Denn wenn wilde Elche während der Brunft die Zäune überwinden und sich an Augusts Elchkuh Hilma heranmachen sollten, gäbe es Stress. Sie versuchen es regelmäßig. Ich habe den Zaun erst wieder erhöhen müssen – auf inzwischen zwei Meter fünfzig.“

Allein in Schweden sollen 250.000 Elche wild leben

35 Elchparks gibt es in Schweden, viele davon in der Provinz Småland nördlich und westlich der Küstenmetropole Kalmar. Bengt ist der Sechste, der eine Lizenz bekam – und hat bereits 2002 eröffnet. Es gibt welche, da fährt man im Schritttempo mit dem eigenen Auto durch. Wieder andere sind so etwas wie Wildtierzoos. Bei weiteren hockt man sich auf montierte Sitzbänke auf die Anhänger eines Traktors, wird so durchs weitläufige Gehege gekurvt und kann besonders zutrauliche Exemplare von dort oben aus mit bei Elchen besonders angesagten Pappeln- und Birkenzweigen füttern.

Wie viele ­Elche dort sorglos und doch in Gefangenschaft leben, ist nicht bekannt. Der Bestand an wild lebenden Großhirschen dieser Art wird allein in Schweden auf etwa 250.000 geschätzt. Dabei sind sie bei Einheimischen nicht mal sonderlich beliebt – weil ihre Zahl rasant zugenommen hat, sie in der Land- und Forstwirtschaft Schäden anrichten, vor allem aber für viele schwere Autounfälle zumindest mitverantwortlich sind. Im Ausland dreht sich das Bild: Schwedenreisende lieben Elche. Weil sie in Mitteleuropa nicht vorkommen und deshalb exotisch sind. Sie sind Symbol für schwedische Lebensweise – und damit Synonym für Freiheit, Weite, für die fast grenzenlose Natur.

Bei Bengt Delmeby, Jahrgang 1946, war der Elchpark immer Nebenerwerb, ein schönes Hobby. Im Hauptberuf war er Farmer. Und jetzt, seit er in den Ruhestand getreten ist, führt er die Besucher über Fahrwege und auf schmalen Pfaden zu Fuß über das Gelände – manchmal bis auf 15 Meter ­Luftlinie an seine Elche heran. „Für mich ist der Park ein Zubrot, ich bin jetzt Rentner.“

Elchpark mit Bimmelbahn und Souvenirshop

August steht derweil bis zum Bauch im Morast und kaut Zweige – wie so oft. Wachsam verfolgt er jeden Schritt der Menschen, dreht den Kopf Millimeter für Millimeter mit, wenn sie sich bewegen – und scheint zu posieren. Bis es ihm doch zu bunt wird, er mit langen Schritten und quietschenden Geräuschen aus dem Moor steigt, sich mit dem Hinterbein an der Schulter kratzt und schließlich erst im Trab, dann im Galopp im Wald verschwindet. Ein bisschen sieht es so aus, als wollten die Hinterbeine die Vorderbeine überholen. Bengt kann offenbar Gedanken lesen: „Das muss so. Die laufen so“, sagt er.

Um die 1000 Besucher kommen jedes Jahr hierher, zahlen 60 Kronen Eintritt, etwa sechs Euro. Manche sind einfach plötzlich da, weil sie auf der Durchreise sein selbst gebautes Hinweisschild an der Landstraße oder den geschnitzten Holzelch in der Einfahrt eine halbe Stunde von Kalmar entfernt gesehen haben und auf den Hof einbiegen. Andere machen vorher einen Termin aus, weil sie auf die Website geraten sind. Im Elchbusiness gibt es alles, auch die Familienvariante des Elchparks mit Bimmelbahn und Riesensouvenirshop.

Bei Bengt ist das nicht so: „Lieber klein, authentisch, persönlich.“ Sou­venirs verkauft er trotzdem: Geweihe zum Beispiel. Und Schnitzereien. Und manchmal tauscht er: Elche. Je mehr Nachwuchs es gibt, desto besser laufen die Tauschgeschäfte. Elchkalb Julius aber will Delmeby nicht hergeben – vorerst jedenfalls: Denn Urlauber schauen sich besonders gern die Jungtiere an – und knipsen sie. Sie haben so etwas wie einen Niedlichkeitsbonus. Mal sehen, was die Tauschpartner sagen. Und was sie anzubieten haben. Einen neuen großen Bullen, den würde er nehmen – und seinen August dafür hergeben. Auch wenn es ihm nicht ganz leicht fallen würde. Was die Elchkuh Hilma sagt? Bengt zuckt mit den Schultern. „Sie wird nicht gefragt. Natürlich nicht.“

Tipps & Informationen

• Anreise z. B. mit dem Auto auf die Fähren von Stena Line (www.stenaline.de) von Rostock oder Saßnitz aus bis Trelleborg, über die E 22 weiter Richtung Kalmar.

• Unterkunft z. B. über www.novasol.de oder www.smaland-ferienhaus.de.

• Elchparks Bengt Delmebys Park in Vassmolösa, (www.hallagarden.com ); durch den Virum Älgpark bei Vimmerby geht es auf Traktor­an­hängern (www.virummoosepark.se); über Holzstege läuft man im Målilla Älgpark (www.algpark.eu) in Målilla durchs Gelände. Die Parks sind meist geöffnet von Mai bis September.

• Auskunft www.smaland.com, www.visitsweden.com

(Unterstützt durch Regionförbundet i Kalmar Län und Stena Line.)