Montuïri. In dem kleinen, touristisch kaum erkundeten Ort Montuiri werden alte Gebäude ebenso gepflegt wie ursprüngliche Sitten und Gebräuche.

Weiße Flecken gibt es auf Mallorca nicht mehr. Dafür ist die Baleareninsel schon viel zu lange Lieblingsziel sonnenhungriger Urlauber. Die schönsten Strände, die entzückendsten Dörfer – alles schon beschrieben. Doch es gibt noch Orte, die bislang weitgehend ­unentdeckt und vom Massentourismus verschont geblieben sind. Montuïri beispielsweise, eines der ältesten Dörfer der Insel. Es hat sich seine Ursprünglichkeit weitgehend bewahrt und verfügt über eine Handvoll bemerkenswerter Kulturdenkmäler. Diese versucht es nun zu vermarkten, um dadurch etwas Geld in die Gemeindekassen zu spülen.

Lang gestreckt liegt das Dorf auf einem Bergrücken in der Inselmitte. Von der Landstraße Palma–Manacor aus ist es gut zu sehen. Doch weil von dieser Seite Werbetafeln und Hallen den Blick auf das Dorf verhindern, wird es von vielen links liegen gelassen. Auch Frank Mittellbach, der seit 20 Jahren als Reiseleiter auf der Insel arbeitet und hier eigentlich jeden Winkel kennt, gibt zu: „Ich bin jahrelang an Montuïri vorbeigefahren.“

Dabei ist Montuïri durchaus einen Abstecher wert: Zu seinem kulturellen ­Erbe gehören die Ausgrabungsstätte Son Fornés mit Überresten prähistorischer Talayot-Türme, das archäologische Museum, die Pfarrkirche Sant Bar­tomeu aus dem 14. Jahrhundert, zwei restaurierte Windmühlen aus dem 18. Jahrhundert sowie ein etwa 160 Jahre altes, hergerichtetes mallorquinisches Privathaus. Das Museum Son Fornés bietet eine Führung an, die all diese Sehenswürdig­keiten miteinander verbindet (www. sonfornes.mallorca.­museum).

Die Größe der Eingangshalle war Hinweis auf den Reichtum

Das Privathaus Ca’n Rei steht an einer Dorfgasse. Mateu Sampol und seine Frau Jeronima haben den ehemaligen Landsitz der Familie als Bo­dega restauriert. Rustikale Tische, viel Keramik, ­Bilder an den Wänden – fast sieht es aus wie in einem Museum. Doch die Sampols leben hier, beteuert Museums­mitarbeiterin Paula Amengual, die uns heute statt ihrer begrüßt. Von Reise­leiter Frank erfahren wir: „Mallor­quiner empfangen ihre Gäste üblicherweise im Eingangsbereich. Dessen Größe ist immer auch ein Hinweis auf ihren Reichtum.“ Die Familie der Sampols muss recht wohlhabend gewesen sein, denn der Raum ist groß. In einer Ecke steht zwischen Möbeln und Deko sogar ein Auto. „Früher stand hier das Vieh“, klärt uns Paula Amen­gual auf. Tatsächlich gibt es eine Art Stalltür, durch die das Auto hinein- und hinausgefahren werden kann.

Besonders gut erhalten ist die verwinkelte Küche mit Kamin, Waschbecken und alten Krügen. Von der Decke hängt ein Strang mit Tomaten herab. Nach einem Abstecher in den entzückenden Patio und auf die Dachterrasse, deren Pool neben dem Auto das einzige (für uns sichtbare) Zugeständnis der ­Bewohner an den heutigen Komfort ist, machen wir uns auf den Weg zur Mühle Molí Ca’n Nofre.

Die Mühlen der Region haben Getreide gemahlen

81 Windmühlen hat es früher in Montuïri gegeben, gegenwärtig sind es noch 19. Anders als die Mühlen zur Wasserförderung, die besonders in Flughafennähe heute noch das Landschaftsbild prägen, handelt es sich bei den Mühlen von Montuïri um Getreidemühlen. Ihre steinernen Türme prägen die Silhouette des Dorfes, viele drohen aber zu verfallen. Zu den wenigen restaurierten Mühlen gehört die Molí des Fraret, in der das Museum Son Fornés seinen Sitz hat. Während die Wiederherstellung dieser Mühle der Inselrat finanziert hat, wurde in die Molí Ca’n Nofre viel privates Engagement gesteckt: Zehn Jahre Arbeit und rund 24.000 Euro eigenes Geld ließ Joan Mezquida sich die sechsflügelige Mühle aus dem 18. Jahrhundert kosten, die er im Jahr 2000 erstand. „Aus Liebe zu Windmühlen“, sagt der 68-Jährige.

Die Leidenschaft könnte er von ­seinem Großvater geerbt hat, der Müller in der benachbarten Molí Ca’n Serra war. Doch gearbeitet habe er bei der Flug­linie Iberia, sagt Mezquida, und zusätzlich auf dem Feld Gemüse für die Familie angebaut. Im Wohnbereich, den sich auch hier Menschen und Tiere geteilt haben, hängen allerlei Gerätschaften, die für die Arbeit und die Instandsetzung der Mühlen gebraucht wurden: Haken in allen möglichen Größen, um die Getreidesäcke hochzuheben, hölzerne Schaufeln für Mehl und Getreide. Vieles von dem, was Mezquida zusammentrug, stammt von seinem Großvater. Auch seine alte Wiege steht in der Sitzecke, die er neben Zisterne, Feuerstelle und Brotschrank aufgebaut hat.

Geduckt gehen wir eine enge Wendeltreppe nach oben. Früher hat der Müller die 44 steilen Stufen mit einem 80-Kilo-Sack auf dem Rücken erklommen. Ein Geländer wie heute gab es damals noch nicht. Oben sind in den dicken Mauern drei kleine Öffnungen. Durch sie bestimmte der Müller die Windrichtung und richtete die Mühle entsprechend aus. Je nach Windstärke konnte er die Segelflächen verkleinern oder vergrößern. Angesichts des 1500 Kilogramm schweren Mühlsteins fragen wir uns, wie der auf den 20 Meter hohen Mahlboden gehievt wurde. Mezquida lässt uns zunächst ein bisschen raten, dann klärt er uns mit sichtlichen Vergnügen auf: „Der Stein wurde an einem armdicken Seil befestigt und durch die Drehung der Mühle hochgezogen.“

In den Restaurants wird das kulinarische Erbe der Region bewahrt

Ähnlich einfallsreich müssen auch die Erbauer der Talayots gewesen sein, deren Reste wir besichtigen. Die Ausgrabungsstätte Son Fornés ist nur einen Katzensprung von Montuïri entfernt. Talayots waren dickwandige Türme, deren Dach von einer Säule getragen wurde. Unvorstellbar, wie die grob behauenen Steinquader vor mehr als 2500 Jahren hierher transportiert wurden. Der größte Talayot misst 17 Meter im Durchmesser, seine bis zu fünf Meter dicken Wände sind drei Meter hoch. Welchen Zweck die Talayots tatsächlich gehabt haben, sei nicht endgültig belegt, sagt unser Reiseleiter. Vorstellbar ist, dass sie hier Schutz suchten, besondere Versammlungen abhielten – oder Lebensmittel kühlten.

Womit sich die Talayot-Errichter nach ihrer Arbeit gestärkt haben, wissen wir nicht. Frank Mittelbach führt uns ins Restaurant Ca’n Xorri, das zu Füßen der Pfarrkirche Sant Bartomeu an der Plaza Major liegt. Auch dort wird ein kulturelles Erbe Montuïris bewahrt (und sogar serviert), nämlich die Greixera, ein Eintopf nach dem überlieferten Rezept von Inhaber Pacos Großmutter. Gekocht wird die Spezialität mit Schweine-, Kalbs- oder Hühnerfleisch, dicken ­Bohnen, Artischocken, Kartoffelwürfeln, hart gekochten Eiern, Frühlingszwiebeln, Tomaten, Erbsen, Knoblauch, Lorbeer und Majoran.

Auch das Pan amb Oli schmeckt im Ca’n Xorri hervorragend: geröstetes Brot mit einem Mix aus süßen, zerquetschten Tomaten, Olivenöl und Gewürzen – eine weitere Tradition, die in Montuïri bewahrt wird.

• Tipps & Infos

Anreise z. B. Easyjet, Eurowings, Condor sowie Air Berlin fliegen direkt von Hamburg nach Palma de Mallorca.

Übernachtung zum Beispiel in der Finca Son Manera (www.sonmanera. com), DZ über Hotelportale ab 85 Euro, direkt vor Ort günstiger. Oder in der Finca Es Rafal (www.finca-es-rafal. com), DZ ab 90 Euro.

KulinarischesTypisch mallorquinisch speisen lässt es sich zum Beispiel im Ca’n Xorri, an der Placa Major mitten im Zentrum von Montuïri.

Auskunft www.spain.info/de

(Die Reise wurde unterstützt von Wikinger Reisen und dem Spanischen Fremdenverkehrsamt.)