Hongkong. Wer in Hongkong nicht gerade arbeitet, kann sehr gutes Essen genießen. Im Stadtzentrum gibt es viele Restaurants mit Michelin-Sternen.

Bei Duddell’s herrscht frohe Geschäftigkeit. Mit diskreter Eile werden die Mittagsgäste des zweifach besternten Restaurants an ihre Tische geleitet. Man weiß, sie haben wenig Zeit, aber guten Appetit.

Sechs Gänge umfasst das flotte Lunch-Menü des Michelin-besternten Hauses: Einer Dim-Sum-Platte aus Krabben-Teigtasche, Frühlingsrolle und gegrilltem Schweinefleisch in süßer Soße folgt eine Entensuppe, dann werden gebratener Hummer mit Soße aus schwarzen Bohnen, geschmortes Gemüse mit Bambusmark sowie gebratener Reis mit Hackfleisch und Knoblauch aufgetragen. Den Abschluss bildet ein Parfait, flankiert von zweierlei Gebäck. Zwischendurch schenkt die Kellnerin Jasmintee nach. Er soll die Verdauung anregen und die Aromen der Speisen neutralisieren, bevor die nächsten folgen.

Mit Einheimischen Seite an Seite bei sehr guten Dim Sum

Acht mit dreien, 14 mit zweien und 51 mit je einem Stern im Michelin-Guide dekorierte Restaurants zeugen vom Stellenwert, den man in Hongkong dem Essen beimisst. Im Herzen der Stadt hat man im Radius von 15 Gehminuten üblicherweise die Wahl unter einem Dutzend besternter Restaurants. Dabei ist die Schlemmerei nicht zwingend ein elitäres Vergnügen.

Mak Kwai Pui, einstmals Chefkoch für Dim Sum im Restaurant Lung King Heen des Four Seasons Hotel, beschloss im Jahr 2009, dass gutes Dim Sum – jene in Hongkong sehr ­beliebten Häppchen, die erst in der Summe nicht mehr leicht sind – nicht teuer sein müsse. Er eröffnete mit Tim Ho Wan ein Restaurant, in dem ein üppiges Mahl für den Gegenwert von zehn Euro zu haben ist, und schickte seine Teller in gewohnter Qualität aus der Küche. Lohn waren ein Stern und ein schnell wachsendes Imperium – mittlerweile expandierte Mak Kwai Pui bis nach Singapur. Reservieren kann man hier nicht, weshalb die Menschen auf dem Bürgersteig vor der Tür auf freie Plätze warten. Innen ist jeder Stuhl besetzt, die Bänke doppelt. Einheimische und Touristen sitzen Seite an Seite und schwelgen in gefüllten Teigtaschen, gebratenen Hühnerfüßen und mit gegrilltem Schweinefleisch gefüllten Brötchen. Auch der Geräuschpegel ist eindrucksvoll. Je lauter man in China spricht, desto freundlicher ist man einander gesinnt. In den meisten Restaurants herrscht daher Höllenlärm.

Auf dem Wanchai Wet Market gibt es auch Schildkröten, Fische und Spanferkel

Es ist nicht lange her, dass die Hausfrauen Hongkongs zweimal täglich den Markt ihres Viertels besuchten, um für Mittag- und Abendessen frisches Fleisch und Gemüse zu kaufen. Von anderen Spezialitäten gar nicht zu reden: Auf dem Wanchai Wet Market gibt es Schildkröten, gewöhnliche Kröten, in Aquarien schwimmende und auf Tischen zappelnde ­Fische, zusammengezurrte Krebse und ganze Spanferkel. Nur Letztere sind schon tot. Noch immer herrscht auf den Märkten reges Treiben, doch die Kunden sind älter geworden. Fast jeder arbeitet, um in einer der teuersten Städte der Welt finanziell über die Runden zu kommen, und die langen Arbeitstage verlocken zum Einkauf fertiger Speisen – und noch mehr zum Ausgehen.

Uwe Opocensky ist Gebieter über die zehn Restaurants des legendären Hotels Mandarin Oriental (und somit auch über insgesamt vier Michelin-Sterne). An seinen freien Vormittagen geht er über die Märkte, um sich inspirieren zu lassen. Im Mandarin Bar & Grill, dem Liebling aus der Schar seiner zehn Kinder, bordet seine Kreativität über Tellerränder, wenn er als Dessert eine Sinfonie aus Schokoladen in allen Formen und Aggregatzuständen über dem ganzen Tisch ausbreitet. Auf die Idee, frische Kräuter auf Hummus aus dem Kern der Jackfrucht als Gruß aus der Küche zu ­servieren, brachte den 42-jährigen Norddeutschen die Marktplauderei mit einer 80-jährigen Einheimischen. Zwei bis drei Stunden muss der Kern kochen, um sich auf diese Weise verarbeiten zu lassen. Opocensky, der im spanischen Baskenland und in Paris kochte und in London das Menü zur ­Feier der goldenen Hochzeit von ­Elizabeth II. und Prinz Philip zubereitete, hat in dem vom Essen besessenen Hongkong das ideale Umfeld für seinen Forschungsdrang gefunden.

Zu Hause kochen und Gäste empfangen ist kaum möglich

Die Lust der Bewohner Hongkongs am auswärtigen Essen hat gute ­Gründe, erschwert doch schon die ­Enge ihrer Wabenwohnungen Kü­chenge­lage zu Hause. Das gängige Wohnkonzept Klo-mit-Klappbett lässt wenig Platz zum Lagern, Schnippeln, Hacken, Anbraten, Warmstellen und Dünsten. Ein Reihe Ein-Zimmer-Apartments nach vorne, eine nach hinten – aus solch einem sparsamen Grundriss entstehen superschlanke Hochhäuser, die wie Giraffen über den Straßenschluchten wachen.

Die hochentwickelte Arbeitsmoral – und die vielen Stunden außer Haus – beeinflusst nicht nur die Esskultur, sie muss auch als Rechtfertigung dafür herhalten, dass zwischen 200.000 und 300.000 philippinische und indonesische Dienstmädchen mit häuslichen Verrichtungen betraut sind.

Sie stellen die größte Gruppe von Expats, die indessen nicht die Privi­legien der Banker aus Übersee teilt. 400 Euro Lohn erhalten sie im Monat, dazu Bett und Verpflegung sowie einmal im Jahr ein Flugticket in die Heimat. Schon angesichts der beengten Wohnverhältnisse leuchtet ein, dass die Hausmädchen den freien Sonntag außer Haus verbringen (müssen). Zu Tausenden picknicken sie auf Gehwegen und Grünstreifen der Innenstadt, eine friedliche Belagerung, die daran erinnert, dass Geld haben und nicht haben auch das wohlhabende Hongkong in zwei Lager teilt.

Geld ist der Motor der Stadt und Antrieb ihrer Bewohner

Seit Hongkong 1997 an China zurückgegeben wurde, ist die Bevölkerung internationaler geworden. Aus allen Teilen der Welt strömen Glücksritter zum Beispiel aus dem Finanzsektor hierher. Auch Festland-China weiß um die Möglichkeiten des Inselreichs, das nicht zuletzt gute Chancen als Heiratsmarkt bietet. Geld ist der Motor der Stadt und eigentlicher Antrieb ihrer Bewohner.

Architektonische Wunder­werke sind mit Werbeplakaten gepflastert, Einkaufszentren wie Harbour City auf der Halbinsel Kowloon, wo Kreuzfahrtgäste unmittelbar in die 450 Geschäfte gespült werden, sind groß wie Kleinstädte. Konsum ist hier ein Imperativ, dem man sich kaum entziehen kann – auch wenn man dadurch Wesentliches verpasst. Denn während die Lichter der Geschäfte funkeln und die Kreditkarten glühen, taucht die Abendsonne Meer, Hafen und die Skyline Hongkongs in goldenes Licht.

Tipps & Informationen

Anreise Cathay Pacific fliegt ab Frankfurt direkt nach Hongkong (www.cathaypacific.com).

Übernachten Luxus im Zentrum bietet das Mandarin Oriental . DZ ab 360 Euro (5 Connaught Road Central. Auch unter der 200-Euro-Grenze ist die Auswahl an guten Hotels groß. Nahe am Bezirk Central liegt z. B. das Island Pacific Hotel (152 Connaught Road West, www.sino-hotels. com). DZ ab 110 Euro.

Schlemmen Moderne Küche bietet Nanhai Number One in Kowloon (30/F, isquare 63 Nathan Road, Tsim Sha Tsui). Ausgezeichnete Dim Sum im Tim Ho Wan, 2–8 Wharf Road, Sea- view Building). Bei Duddell’s wird kantonesisch gekocht (zwei Michelin-Sterne), und man kann auch Kunst anschauen und erstehen (Level 3 Shanghai Tang Mansio, 1 Duddell Street, Central, Tel. 2525 9191).

Auskunft DiscoverHongkong.com/german

(Die Reise wurde unterstützt von Hongkong Tourism Board.)