Willemstad. Curaçao ist ein Eiland der Kontraste. Auf der Antilleninsel, die seit 1815 niederländisch ist, herrscht Bewegung statt Stillstand.

Leguane sind eine Plage. Sie fressen das Grün, das es unter der karibischen Sonne ohnehin nicht leicht hat zu wachsen. Joshua Peiliker steht auf seinem Feld, auf dem er Gurken anbaut, und gräbt mit seinen Händen in der trockenen Erde. Der 27-Jährige mit den dunkelblonden Haaren ist ein smarter Typ. Genauso wenig wie er auf diesen Acker passt, scheinen die Gurken hierher zu gehören. Etwas ist von dem Gemüse schon zu sehen, so groß wie in Mitteleuropa werden diese Gurken aber niemals. „Es ist zu trocken und zu heiß. Doch einen Versuch war es wert“, sagt er auf Englisch und klingt überhaupt nicht ­enttäuscht. Er ist ein Optimist. Damit nicht auch noch die Leguane, Iguana wie sie hier heißen, von dem zarten Grün fressen, lässt Joshua Peiliker ­seine Hunde los. Sie sind darauf ­trainiert, die rund 1000 Tiere von seinen Feldern zu jagen.

Die Landschaft ist karg, ausgedörrt, öde und passt so gar nicht zum Karibikklischee mit Palmen und Endlos-Sandstränden. Curaçao ist die Insel der Kontraste – Sandstrände mit Palmen auf der einen Seite, Stadtviertel mit morbidem Charme auf der anderen, und mittendrin sind Macher wie ­Joshua Peiliker. Alles nach dem Motto: dushi – das wohl häufigste Wort auf der Insel, das so viel bedeutet wie nett, lieb, süß oder Schätzchen.

Seit 1815 ist die Insel niederländisch, die Häuser erinnern an Amsterdam

Hier unter der sengenden Sonne versucht Peiliker mit seiner Frau Femi, sich den Traum von einer Farm mit Restaurant zu erfüllen, und sie haben sich viel vorgenommen: Seit sechs, manche sagen seit neun Monaten, so genau weiß es keiner mehr, hat es auf der Insel, die zu den Niederländischen Antillen gehört, nicht geregnet. Sieben Brunnen haben Joshua und Femi auf ihrem 2,4 Hektar großen Areal, drei davon sind in Betrieb und sorgen für die Bewässerung ihrer Pflanzen.

Das Karibikfeeling kommt auf Curacao spätestens beim Schnorcheln mit Meeresschildkröten.
Das Karibikfeeling kommt auf Curacao spätestens beim Schnorcheln mit Meeresschildkröten. © UIG via Getty Images | Wild Horizon

„Wir wollen auf unsere regionalen Produkte aufmerksam machen“, sagt Joshua. Für ihr Restaurant Hofi Cas Cora verarbeitet das Ehepaar regionales Gemüse, wie Bohnen, Okraschoten, Süßkartoffeln, Spinat, Auberginen, und Obst, wie Mango, Papaya oder Bananen. Immer abhängig davon, was die Ernte bringt. Den Hof, ein ehemaliges Plantagenhaus, haben sie vor gut einem Jahr ersteigert.

Wie viele Einheimische waren auch Joshua und Femi Peiliker zum Studieren in den Niederlanden. Seit 1815 ist die Insel niederländisch, die Einwohner sind niederländische Staatsbürger. Sprachlich ist das Studium in Europa kein Problem: Die 150.000 Bewohner der 444 Quadratkilometer großen Karibikinsel etwa 60 Kilometer vor der Küste Venezuelas sprechen vier Sprachen fließend. Neben Holländisch sind das Papiamentu (die Sprache ist eine Mischung aus Englisch, Niederländisch, Spanisch und Portugiesisch und klingt ganz niedlich, so heißt danke ganz einfach danki), Englisch und Spanisch – Curaçao ist einer von vier autonomen sogenannten Gliedstaaten des Königreichs der Niederlande und eine der drei ABC-Inseln (Aruba, Bonaire, Curaçao). So wie Joshua und Femi aus den Niederlanden zurückgekehrt sind, um die Zukunft in ihrer Heimat mitzugestalten und mit ihrer Farm etwas Neues aufbauen, ist vieles auf der Antilleninsel unfertig und im Entstehen. Bewegung statt Stillstand.

Die Königin-Emma-Brücke liegt auf 16 Pontons

In der Inselhauptstadt Willemstad ist das besonders deutlich zu spüren. Die gelben, blauen, grünen Häuser mit ihren treppenförmigen Giebeln, den Ziegeldächern in hollän­discher Kolonialarchitektur sind das Aushängeschild des Landes und versetzen den Betrachter nach Amsterdam. Europa mitten in der Karibik. Dass alle Holländisch sprechen, trägt außerdem dazu bei. Nein, fremd fühlt sich der euro­päische Besucher nicht. Die Innenstadt und der Hafen mit den größtenteils im 17. und 18. Jahrhundert erbauten ­Häusern gehören zum Unesco-Weltkulturerbe.

Die Königin-Emma-Brücke zählt nicht zum Weltkulturerbe, weil sie kein Bauwerk ist, sondern ein Boot. Die Brücke liegt auf 16 Pontons und ist nur für Fußgänger und Radfahrer zugelassen. Sie verbindet die Stadtteile Otrobanda und Punda über die St. Anna Bay. Muss ein Schiff durch, zum Beispiel hinüber zu den Ölraffinerien, schieben Motoren die Pontons mitsamt der Brücke zur Seite. Zuvor ertönt ein Klingeln – das Signal für alle, entweder noch schnell über die Brücke zu flitzen oder die kostenlose Fähre zu nehmen, um von einem in den anderen Stadtteil zu gelangen.

Diese Stadt ist im Umbruch und wird aufwendig saniert. Der Pietermaai Distrikt, früher in der Hand von Drogendealern, hat sich mittlerweile herausgeputzt. Bunte Häuschen mit Restaurants und Läden reihen sich am Wasser aneinander. Pietermaai wird inzwischen als das Soho Curaçaos bezeichnet.

Das Otrobanda-Museum zeigt die Schattenseite der Region

Die Restaurierung alter Bausubstanz ist die Leidenschaft von Anko van der Woude. Der Architekt führt Gäste durch den Stadtteil Otrobanda und zeigt die andere, trotz der bunten Häuser schmuddelige Seite der Stadt. Van der Woude, geboren auf Aruba, aufgewachsen auf Curaçao, hat in Holland studiert und erklärt als Mitglied der Willemstad-Unesco-Kommission die Veränderungen des Viertels, in dem früher die Hütten der Sklaven standen. „Seit Ende der 80er-Jahre wird das ­Viertel bereits restauriert, und noch immer sind die Arbeiten nicht abgeschlossen“, sagt van der Woude. 250 Millionen US-Dollar kostet die Sanierung. Eine Stiftung hilft aus. Van der Woude: „Holland unterstützt uns nicht ­finanziell.“ Das Kurá Hulanda ist eine der besten Restaurationsarbeiten in Otrobanda. Verantwortlicher Architekt: Anko van der Woude. Ein ganzes Viertel des verfallenen Slums ­wurde dort in einen historischen Bezirk umgewandelt. Ein wenig wie Disneyland wirkt das mit den bunten Häuschen schon, denn das Viertel ist heute ein Boutique-Hotel.

Inmitten liebevoll zurechtgemachter Häuser liegt das gleichnamige Museum, in dem die Schattenseite der Karibik dargestellt wird – die Verschleppung der Afrikaner durch Europäer vom 17. bis ins 19. Jahrhundert nach Amerika und in die Karibik. Es ist das einzige Museum der Karibik, das sich der Sklaverei widmet. Museumsführerin Yften Florentina erzählt ruhig und dabei sehr eindringlich von den Foltermethoden der Weißen. Weil die Sklaven kein Niederländisch sprechen durften, entwickelte sich eine eigene kreolische Sprache, die heute noch gesprochen wird: Papiamentu. Der Rundgang durch das Museum ist harte Kost und gehört eben auch zur Karibik und ihrer Geschichte. Immer noch keine Sandstrände.

Karibikfeeling mit Meeresschildkröten und Delfinen

Doch das Karibikfeeling kommt spätestens beim Schnorcheln mit Meeresschildkröten. Per Boot geht es zu den besten Spots an der Westküste. Die Meeresschildkröten lassen sich wie schwerelos durchs Wasser treiben, und wenn sie kurz auftauchen und nach Luft schnappen, sieht man, wie ihre großen Nasenlöcher kurz an der Oberfläche auftauchen, um schnell wieder abzutauchen. Schade, dass sie mit Futter angelockt werden.

Übrigens, aufgepasst: Die Sonne ist gnadenlos. Lichtschutzfaktor 50 ist für mitteleuro­päische Haut in den ersten Tag ein Muss. Gibt es trotzdem Sonnenbrand, hilft Aloe ­vera. Das Lilien­gewächs gedeiht trotz der ­Dürre hervorragend und wird in Form von Cremes, Gels, Shampoos und Saft in ­alle Welt verschifft. Ana Maria Roelofsen von der Aloe-vera-Plantage schneidet ein Blatt ab und zeigt, was in der Pflanze steckt: Aloe-vera-Gel auf die Brandwunde gestrichen, wirkt wie ein Wundermittel. Gute ­Voraussetzungen für den Höhepunkt eines Curaçao-Aufenthaltes: ein Ausflug auf das un­bewohnte Klein Curaçao.

Ein Tagestrip aufs Eiland lohnt sich unbedingt, auch wenn er 105 US-Dollar pro Person kostet. Captain Pieter bringt die Besucher an diesem Tag mit seiner Yacht „Miss Justine“ auf die 20 Kilometer entfernte Insel, zwei Stunden dauert der Törn. Es geht noch vor dem Frühstück los, was Sinn macht, weil der Wellengang heftig ist, dem Touristen aus den Niederlanden ist das zu heftig. Gut, dass die Crew Spuck­tüten griffbereit hat.

Wie Robinson Crusoe landen die Urlauber auf der Insel, werden mit Frühstücksbüfett und Barbecue verwöhnt. Das Wasser: türkis. Der Himmel: blau. Der Strand: weit und fast weiß. Im Wasser: Meeresschildkröten, die nicht mit Futter bestochen werden, sowie jede Menge Fische. Mehr geht nicht. Oder doch: Wenn Captain Pieter auf der Rückfahrt am Nachmittag seine Bob-Marley-Hits spielt, dazu Rumpunsch reicht und zu „No Women No Cry“ Delfine mit Luftsprüngen das Boot begleiten. Lebensfreude pur. Dann ist es da, das gran­diose Gefühl nach einem perfekten Tag an einem perfekten Ort zu sein: in der Karibik.

• Tipps & Informationen

Anreise: z. B. mit KLM über Amsterdam oder mit Airberlin über Düsseldorf nach Curaçao.

Übernachtung: Das Renaissance Curaçao Resort liegt zentral in der Hauptstadt Willemstad. DZ ab 120 Euro, www. renaissancecuracao. com; etwas außerhalb liegt das Trupial Inn, DZ ab 125 Euro, www. trupialinn.com

Gastrtonomie: Unbedingt einmal essen im Viertel Pietermaai im Restaurant Ginger am Schoonesteeg 1, www.gingercuracao.com

Ausflüge: Klein Curaçao: www. missannboattrips.com, Architekttour: www.otrobanda-pundatour.com

(Die Reise wurde unterstützt vom Curaçao Tourist Board, CTB.)