Papeete. Eine Kreuzfahrt durch Französisch-Polynesien führt zu Inseln, deren Bewohner sich gern schmücken und besonders Gastfreundlich sind.

Regen tropft an die Fenster des Kleinbusses, süßer Duft benebelt die Sinne. Er strömt aus weißen Tiaréblüten, die mir an einem Faden um den Hals hängen. Ich befinde mich ziemlich genau am anderen Ende der Welt, noch nicht ganz aufnahmefähig nach 26-stündiger Anreise. Am Flughafen von Papeete auf Tahiti wurden alle Ankommenden von einer Musikgruppe mit Gesang, Gitarre, Ukulele und Trommeln begrüßt. Jeder bekam eine Blumenkette umgehängt. Auf der 14-tägigen Reise sollten, so will es die hiesige Willkommenskultur, noch viele weitere folgen.

Sich zu schmücken hat in Französisch-Polynesien für alle, auch für Männer, einen hohen Stellenwert. Ein Mitarbeiter der Passkontrolle hat einen besonderen Anhänger an einer Halskette – eine riesige, türkis-lila schimmernde Tahiti-Perle, schnörkelig in Gold gefasst. Im Hotel tragen stämmige, aufwendig tätowierte Männer pinkfarbene Frangipani-Blüten hinterm Ohr, Frauen schmücken ihr Haar mit Blumenkränzen. Es ist warm, aber immer noch nass, das Hotelrestaurant öffnet sich zum Garten, Seerosen schwimmen auf einem Teich, Graureiher staksen darin herum. Am liebsten würde ich mit Einheimischen ins Gespräch kommen, doch ich bin zu müde. Bald kann ich mich auf dem Zimmer ausruhen und frisch machen – abends geht es zum Hafen.

Dort empfängt die Reisenden am Pier erneut eine Musikgruppe, wieder gibt es Blütenketten. Am Ende der Gangway, auf dem Kreuzfahrtschiff „L’Austral“, begrüßt der Kapitän Jean-Philippe Lemaire alle 193 Passagiere mit Handschlag. Unter seiner Leitung sollen auf dieser Reise Atolle angesteuert werden, deren Namen kaum jemand zuvor gehört hat. Als das Schiff den Hafen verlässt, bricht die Dämmerung herein, kurz darauf ist es stockdunkel.

Auch die besonders exponierte Lage der Inseln fasziniert die Besucher

Jemand wirft mich hin und her. Durch den Vorhangspalt fällt Licht. Ich setze mich auf, ziehe den Vorhang weiter auf, öffne die Schiebetür zum Balkon. Verwirrt sehe ich mich um. Schön und geräumig ist die Kabine, in der ich einquartiert bin. Motorengeräusch kann ich nicht ausmachen. Die Matratze unter mir hebt und senkt sich mit dem Auf und Ab des Meeres.

Auch am ersten Morgen an Bord ist es regnerisch, triefend wickelt sich die Trikolore um den Flaggenstock am Heck. Nicht gerade der typische Beginn einer Südseereise, könnte man meinen. Trotzdem befinden sich hier im Außenbereich eines der beiden Restaurants die begehrtesten Plätze zum Frühstück auf dem Pooldeck – auch weil einige der Passagiere unbedingt eine der wenigen Sonnenliegen ergattern wollen. Mittags werden dort die Temperaturen im Windschatten heiß genug für ein Sonnenbad und ein paar Schwimmzüge in dem kleinen Pool. Doch nicht alle Passagiere sehen den Sinn dieser Kreuzfahrt darin, sich in der Sonne zu aalen.

Weil die Einwohner früher lange unterwegs waren, hießen sie „Wasseresser“

Viel mehr erfüllen sich die meisten einen besonderen Traum: die Südsee zu befahren. Allein der Klang der hingehauchten Wörter, „Süüüd-seee“, „Poly-neee-sien“, ist so samten, jeder hat sofort Bilder im Kopf von kleinen Inseln mit weißen Stränden und Palmen, von schönen dunkelhäutigen Menschen mit langen, schwarzen Haaren in bunten, blumigen Kleidern. Nicht nur das Bild fasziniert Besucher, sondern auch die sehr exponierte Lage der Inseln. Darum haben sich die Passagiere auf diese besondere Reise begeben, eine Expeditionskreuzfahrt, bei der Luxus – trotz der fünf Sterne, über die die „L’Austral“ verfügt – nicht Vorrang hat.

Das Polynesische Dreieck, so ist bei einem Vortrag im Bordtheater zu erfahren, erstreckt sich über rund 50 Millionen Quadratkilometer Meeresfläche – von Hawaii im Norden bis nach Neuseeland im Südwesten und der Osterinsel im Südosten. Innerhalb dieses Gebietes befinden sich fünf Archipele, es sind die Inselgruppen Marquesas, Tuamotu, Société, Gambier und Australes. Die Einwohner im Gebiet dieses „Wasserkontinents“ besitzen eine ähnliche Kultur, ihre Sprachen sind eng verwandt, viele Begriffe gleich. In früherer Zeit fuhren die Polynesier mit ihren Auslegerkanus weit übers Meer, die Entfernungen zwischen den Inselgruppen betragen oft mehrere Tausend Kilometer. Da sie mit einfachen Mitteln navigierten und über lange Zeit unterwegs waren, hießen sie das Volk der „Wasseresser“.

Die meisten Passagiere sind Franzosen, die ihre ehemalige Kolonie besuchen

Die „L’Austral“ führt ausreichend Proviant mit, sodass die Passagiere sich nicht im Wasseressen üben müssen. Selbst auf dem 16 Knoten schnellen Schiff ist es eine weite Fahrt von Tahiti bis zur Osterinsel. So sind es auf der Reise durch Französisch-Polynesien sechs reine Seetage, drei davon am Stück. Kapitän Lemaire erklärt, dass es nicht garantiert sei, an allen geplanten Stopps – Fakarava, Rikitea, Mangareva, Pitcairn, Osterinsel – mit Tenderbooten oder Zodiacs, kleinen Schlauchbooten mit Außenborder, an Land zu gehen. Als vor zwei Jahren das Schiff erstmals die „Bounty“-Insel Pitcairn ansteuerte, konnte wegen zu hohen Seegangs niemand von Bord. Das soll in diesem Jahr klappen, selbst ältere und gebrechliche Passagiere lassen es sich nicht nehmen, die Meuterer-Insel zu besuchen, auf die sich im Jahr 1787 Fletcher Christian mit seinen Abtrünnigen rettete. Der Besuch auf dem sagenumwobenen Eiland ist für viele der Höhepunkt der Reise, sogar für den 60-jährigen Kapitän Lemaire, der auf dieser Fahrt genau das Durchschnittsalter seiner Passagiere trifft.

Er würde sich zwar jüngere Gäste wünschen, das sei auch auf den meisten Touren der französischen Reederei Ponant der Fall, sagt er, und internationaler sei die Mischung auf der „L’Austral“ sonst ebenfalls. Klar, dass in der ehemaligen Kolonie, die bis heute Überseegebiet Frankreichs ist, hauptsächlich Landsleute (125) zu den Passagieren gehören. Den zweitgrößten Anteil machen Australier (23) aus – sie haben zum Startpunkt der Tour die kürzeste Anreise. Vor acht Deutschen, die sich auf Platz vier befinden, stellen zahlungskräftige Schweizer (13) die drittgrößte Gruppe.

Zweimal im Jahr legt ein Schiff an, auch die Reisenden werden bestaunt

„Unter Wasser! Bleib unter Wasser, Dick!“, in gespielt strengem Tonfall ermahnt die Aus­tralierin Robin Smith ihren Mann Richard, die angeleiteten Übungen einer jungen Animateurin ordentlich nachzuturnen. Mit etwa 20 Teilnehmern der Gymnastikgruppe stehen wir brusttief im Wasser am Strand von Aukena, einer der Gambierinseln. Richard hampelt noch ungelenker als der Rest der Truppe und feixt, wenn er sich unbeobachtet um die Anstrengung drücken kann, weil er seine Arme über statt unter Wasser bewegt. Dann bilden wir einen Kreis, laufen zusammen im Uhrzeigersinn, es entsteht ein Strudel. Nun gegen den Uhrzeigersinn. Alle schnaufen und lachen.

Unbemerkt hat sich ein junger Einheimischer in einem Auslegerkanu genähert und beobachtet das Geschehen. Was denkt er über das Gehampel der Silberköpfe? Nicht nur die Passagiere erkunden Land und Leute, auch sie werden bestaunt. Nur zweimal im Jahr ankert ein Schiff vor der größten Gambierinsel Mangareva und setzt in vier Schüben mit Tenderbooten knapp 200 Passagiere am Kai von Rikitea ab. Sie erhalten Blumenketten, kulinarische Spezialitäten und werden mit Musik und traditionellem Tanz unterhalten. Dann strömen alle aus, die Kirche zu besichtigen, die aus Perlmutt erbaut ist, und das Prinzessinnenbad, eine in Stein geschlagene Wanne, gefüllt mit Regenwasser, von der aus der Blick über Hafen und Meer reicht.

Das Schiff bleibt über Nacht auf Reede, am Morgen geht es mit Zodiacs zur Insel Aukena. Die schwarzen Schlauchboote gleiten über eine mit bunten Bällen gekennzeichnete Perlenfarm im helltürkisen Wasser. Was die Arbeiter an Land aus den „trächtigen“ Muscheln holen, ist wunderschön, doch leider findet in diesem Betrieb kein Verkauf statt.

Beim ersten Stopp auf Fakarava, einer Insel im Tuamotu-Atoll, hätte ich Schmuck aus Tahiti-Perlen kaufen sollen. Nur ein schlichtes Exemplar am Lederband wählte ich an einem Stand aus, in der Hoffnung, auf der Reise noch so eines zu finden, wie der Mann an der Passkontrolle trug. Auch war ich etwas abgelenkt, denn auf der Mini-Insel sang ein Anwohner, und ein zweiter – der Adonis Polynesiens – spielte mit freiem Oberkörper Ukulele. Zudem trug ich eine Begrüßungsblumenkette, und da war er wieder, der süße, verführerische Duft. Ich habe versucht, die Blumenketten im Kühlschrank der Schiffskabine frisch zu halten, um sie bis zur Abreise retten zu können – erfolglos. Den Duft, der die Erinnerung wachhalten wird, gibt es dennoch zum Mitnehmen: ein Fläschchen Öl aus der Tahiti-Gardenie.

Tipps & Informationen

An- und Abreise: z. B. Air France fliegt ab Paris über Los Angeles nach Papeete. Rückflug von Hanga Roa auf der Osterinsel nach San­tiago de Chile mit LAN Airlines. Von dort via Paris zu deutschen Flughäfen wieder mit Air France.

Das Schiff: Die „L’Austral“ ist eine luxuriöse Motoryacht unter französischer Flagge mit 142 Metern Länge und 132 Außenkabinen.

Termine: 2016 bietet Ponant fast die gleiche Kreuzfahrt wie beschrieben an – auf dem Schwesterschiff „Le Soleal“. 6. bis 19. Oktober, 14 T., ab 4260 Euro pro Person in der Doppelkabine ohne Flug,
de.ponant.com

Auskunft: zum Beispiel www. tahiti-tourisme.de, www.suedseeinfo.de

(Die Reise wurde unterstützt von der Reederei Ponant.)