Vor zwölf Jahren tauschte Katja Just die Großstadt gegen eine Hallig und ihr Motorrad gegen eine andere Freiheit. Sie hat es niemals bereut.

Nordsee. Die Fähre müht sich durchs Wattenmeer nach Hallig Hooge. Ebbe und Flut bestimmen hier den Rhythmus des Menschen. Etwas, woran sich der Gast erst gewöhnen muss. Dazu trägt auch die gemütliche Atmosphäre an Bord der MS "Hilligenlei" bei. Man kennt sich, und wenn es in dem kleinen Bordrestaurant eng ist, wird zusammengerückt, damit auch der Gast Platz hat.

Allmählich rückt Hooge nach vorn in die Kulisse aus Wasser und Wolken. Diese winzigen Eilande - zehn gibt es in Deutschland, fünf sind bewohnt - mit ihren geduckten Häusern auf den Warften sind sie einmalig auf der Welt. Sie werden übrigens nicht "Inseln" genannt. Wer hier lebt und besteht, ist, so scheint es, ebenfalls etwas Besonderes: Denn es gibt in Deutschland keinen einsameren, unwirtlicheren bewohnten Ort als die Halligen weit draußen in der Nordsee. Übrig geblieben nach zwei Sturmfluten verweilen sie in den ewigen Gezeiten.

Katja Just ist auch eine, die hier verweilt. Eine, die blieb. Die 38-Jährige kam vor zwölf Jahren auf die Hallig Hooge und betreibt zwei Ferienwohnungen auf der Ockenswarft. Das mehr als 300 Jahre alte Reetdachhaus steht unter Denkmalschutz und am Ende der Hallig, dort, wo das Land endgültig ins Wasser fällt; "Haus am Landsende" heißt dieses kleine, feine Hideaway. Im ehemaligen Heuboden sind zwei Ferienwohnungen mit gehobener Ausstattung entstanden. Die "Blaue" mit dem Kaminofen, die "Grüne" mit den Alkoven, den friesischen Schrankbetten - beide mit Blick auf Nordsee und Halligen. Mit Blick in die Unendlichkeit.

Einer von Katja Justs Lieblingsplätzen ist ihr Bauerngarten: "Einfach im Strandkorb sitzen und die Natur wirken lassen. Ich entdecke jedes Jahr eine neue Vogelart - zum Beispiel das Blaukehlchen oder den Gelbspötter. Einmal landete sogar ein Flamingo auf der Hallig!" Das ist kurios. Sonst fühlt man sich hier in ihrem Garten auf eine angenehme Weise geerdet. "Eine Reise zu den Halligen ist ein Prozess der Entschleunigung. Hier ist möglich, was andernorts kaum noch geht - nämlich nichts zu tun", sagt Katja.

Einst war das, worüber man im Watt wandert, Land. Das sagenhafte Rungholt - ertränkt in einer Jahrtausendflut vor 650 Jahren. Taucht zweimal pro Tag wieder auf; nicht mehr Land, noch nicht Wasser. Eine Wattwanderung ist auch Katjas Tipp: "Das ist toll! Wenn ich das Festland nicht mehr sehen kann, vergesse ich auch alle damit verbundenen Sorgen." Aber natürlich nur mit qualifizierter Führung.

Sie kommt aus München, verließ die Großstadt und den sicheren Job im internationalen Großunternehmen mit Aussicht auf Karriere. "Ich war hin- und hergerissen zwischen einem Herzenswunsch und einer Vernunftentscheidung. Ich habe es zum Glück gewagt, bin im Oktober 2000 auf die Hallig gezogen. Und ich habe es niemals bereut."

"Der schlimmste Tag war, als ich meine 1000er BMW verkauft habe. Motorradfahren - das war meine größte Leidenschaft. Aber ich habe eine Freiheit gegen eine andere getauscht." Bringt Verzicht nicht manchmal Freiheit? Hier nützt es nichts, sich über Dinge zu ärgern, die man eh nicht ändern kann. Etwas, was Gäste lernen können - um es mit nach Hause zu nehmen. Bildungsurlaub mal anders. Und Demut gegenüber der Natur. Zum Beispiel wenn die Fähre wegen des Wetters nicht fahren kann. Und es deswegen nicht immer alles gibt. Beim Halligkaufmann bekommt man alles - nur nicht sofort; manches muss bestellt werden und kommt dann erst einen Tag später.

Zurück am Anleger Hooge; diese Reise in die Welt der Hallig ist zu Ende. Herzliche Verabschiedung, die Schiffsdiesel wummern. An Deck stehen, noch ein letztes Winken. Achteraus verschwinden die "schwimmenden Träume", wie Theodor Storm die Halligen einst nannte. Und die für manche eben auch wahr wurden.

Friesenhausromantik unter Reet bei Katja Just auf Hallig Hooge, Ferienwoche für zwei Personen ab 65 Euro pro Nacht, Infos unter www.landsende.de