Die Lübecker Kunstweberin Ruth Löbe arbeitet in historischer Kulisse - das inspiriert sie zu poetischen und veträumt anmutenden Motiven.

Romantik und abenteuerliche Geschichte(n), wo man hinschaut. Und alles passt wunderbar zusammen: die Werkstatt in Lübecks Burgtor, dessen Ursprünge tief ins Mittelalter reichen, Webstühle unterschiedlicher Art, aus schwerem Holz gezimmert, Textilkunst an den Wänden, auf Tischen und dem Fußboden. Teppiche, Wolldecken, alles voller märchenhafter Motive, farbenfroh und fantasievoll.

In dieser Umgebung, hinter meterdicken Mauern, werkelt eine der angesehensten Kunstweberinnen Norddeutschlands. Ruth Löbe hat schon als Kind in einem Dorf im Osnabrücker Land voller Hingabe gestrickt und sich dabei eigene Muster ausgedacht. Die Ausbildung war entsprechend früh programmiert: Abitur mit Leistungskurs Kunst, Fachschulstudium mit Abschluss als Textildesignerin. Nach ein paar Jahren in der Modeindustrie, unter anderem in Österreich, drängte es die quirlige Frau zurück in die freie künstlerische Arbeit.

Ihre Lehrmeisterin wurde Alen Müller-Hellwig, die unter Kennern der Materie bis heute einen legendären Ruf hat. 56 Jahre lang, von 1934 bis 1990, wirkte sie als Handweb- und Stickerei-Meisterin im Lübecker Burgtor. Einige Jahre vor ihr hatte die aus Bergedorf stammende Schriftstellerin Ida Boy-Ed die alten Räume im Zöllnerhaus neben dem Tor als Dichterklause nutzen dürfen, eine Anerkennung ihrer Arbeit durch den Lübecker Senat. Thomas Mann war oft bei ihr zu Besuch, auch die Dirigenten Wilhelm Furtwängler und Hermann Abendroth gehörten zum Künstlerkreis um Ida Boy-Ed.

+++Lübeck - Das Tor zum Norden +++

Ruth Löbe erzählt nur zu gern solche Geschichten und andere Histörchen aus noch fernerer Vergangenheit. Napoleons Truppen waren 1806 durchs Burgtor nach Lübeck einmarschiert, eine Tafel neben dem Eingang zu Löbes Atelier erinnert an die Franzosenzeit in der Hansestadt. Sie genießt dieses Ambiente. Es hat sie von Anfang an, seit 1988 als "Lehrling" bei Alen Müller-Hellwig und erst recht seit 1992 als selbstständige Kunstweberin, zu poetischen, zum Teil verträumt anmutenden Motiven inspiriert.

Nach wie vor folgt sie nur ihren eigenen Intentionen, wählt Farben und Stoffe nicht etwa "gefällig" aus, wie sie betont. Mehr und mehr kommen deshalb auch renommierte Innenarchitekten und junge Familien zur ihr in die Werkstatt oder in die Gemeinschaftsgalerie "die produzenten" an der Hüxstraße, Lübecks abwechslungsreichster Einkaufsstraße: "Sie schätzen das Ehrliche, Echte an meiner Arbeit", freut sich die 52-Jährige. Diesen Trend zum Individuellen bestätigen viele Kunsthandwerker aus anderen Gewerben.

Die meisten Kunden stammen aus Hamburg, oft "angestoßen" durch Ausstellungen. Vor allem in der vorweihnachtlichen Verkaufsschau im Museum für Kunst und Gewerbe trifft Ruth Löbe Jahr für Jahr Stammkunden, die gleichzeitig ihre besten "Propagandisten" sind. Die neuen Interessenten machen danach gern einen Abstecher nach Lübeck.

In der Werkstatt staunen sie dann nicht selten, was für ein Knochenjob die Arbeit an den Flach- und Hochwebstühlen auch ist. Ruth Löbe braucht kein Fitnessstudio zu besuchen, "das habe ich hier in meiner Werkstatt". Sie streichelt das Ziegenhaar, die Wolle, die Seide, bevor sie mit dem Färben und schließlich mit dem Weben beginnt. Auch ihre Kinder, die Teenager Knut und Carla, versuchen sich von Zeit zu Zeit an den schweren Rahmen. "Sie haben", sagt die Mutter, "eine ausgeprägt kreative Ader."

Ruth Löbe, Burgtorwerkstatt, Große Burgstraße 5 in Lübeck, Tel. 0451/759 29 (Besuch nach telefonischer Anmeldung möglich); Galerie "die produzenten", Hüxstraße 73, Tel. 0451/70 46 61; www.ruth-loebe.de