100. Geburtstag: Die Wendelsteinbahn in den Bayerischen Alpen wurde 1912 eröffnet. Seitdem entwickelte sich der schroffe Berg zum Touristenmagnet.

Wir müssen uns schicken, wenn wir die Bahn noch bekommen wollen", drängt Hans Vogt. Seit mehr als 47 Jahren ist sein Leben eng mit der Wendelsteinbahn verbunden. Bereits als junger Bursche kam er zu den Wendelsteinern, wie sich die Mitarbeiter mit Stolz nennen, zuletzt war er Betriebsleiter. Nach 45 Jahren am Berg gab er im vergangenen Jahr den Stab an seinen Sohn Florian weiter. "Wir Wendelsteiner sind eine eingeschworene Mannschaft", betont Vogt. Klar, dass ihm auch im Ruhestand seine Bahn nicht gleichgültig ist. Interessierten Touristen zeigt er immer noch gerne die Besonderheiten der Bahn, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war der 1838 Meter hohe Wendelstein einer der beliebtesten Berge in den Bayerischen Alpen. Da lag die Errichtung eines Bergwirtshauses nahe. 1883 war es so weit - nach nur einem Jahr Bauzeit eröffnete das Wendelsteinhaus. "Das war eine beachtliche Leistung, denn das gesamte Baumaterial musste damals aus eigener Kraft oder mit Lasttieren über Bayrischzell in das hochalpine Gelände gebracht werden", sagt Vogt.

Rund 100 Meter unter dem Gipfel gelegen, bot das erste ganzjährig bewirtschaftete Unterkunftshaus in den Bayerischen Alpen Platz für 70 Übernachtungsgäste und löste einen wahren Besucheransturm aus. Eine Bahn hinauf auf den Berg zu bauen, wie es diese damals nur in den Schweizer Alpen gab, war daher eine logische Konsequenz.

Am 4. Februar 1910 unterzeichnete der bayerische Prinzregent Luitpold die Konzessionsurkunde zum Bau der Wendelsteinbahn. Den Zuschlag bekam der Geheime Kommerzienrat Otto von Steinbeis, ein Wirtschaftspionier mit Weitblick. Durch seine forstwirtschaftlichen Betriebe in Bosnien brachte er bereits Erfahrung im Schmalspurbahnbau sowie die nötigen finanziellen Mittel mit.

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Zwei Jahre später hatten sich die 800 überwiegend bosnischen Arbeiter auf der 9,95 Kilometer langen Strecke über acht Galerien, sieben Tunnel, zwölf Brücken und aufwendige Stützmauern auf den Gipfel des Wendelsteins hinaufgearbeitet. Sie mussten einen Höhenunterschied von 1270 Metern überwinden. Der Bau der ersten hochalpinen Zahnradbahnstrecke galt als technisches Wunderwerk und wurde als Meilenstein in der Erschließung der Alpen gefeiert.

"Ein Dampfzug kam für Steinbeis nicht infrage", erzählt Vogt. "Sein Zug sollte mit elektrischer Energie den Berg bezwingen. Das war ein absolutes Novum, denn in der ländlichen Region gab es zu dieser Zeit überhaupt noch keinen Strom." Das eigens für die Wendelsteinbahn gebaute Wasserkraftwerk entwickelte sich auch zum Energieversorger für die benachbarten Gemeinden. In Sachen Energieeffizienz setzte Steinbeis Maßstäbe - die Bremsenergie bei der Talfahrt des Zuges konnte für die gleichzeitige Bergfahrt des zweiten Zuges ausgenutzt werden.

Rund 25 Minuten braucht der gelbe Doppeltriebwagen vom Talbahnhof Brannenburg bis zur Bergstation, die auf 1723 Meter Höhe liegt. Bis 1991 waren noch die alten Bahnen unterwegs. "Natürlich sind die beiden historischen Zuggarnituren aus der Gründerzeit noch vorhanden. Sie sind voll betriebsfähig und werden zu besonderen Anlässen wie den nostalgischen Mondscheinfahrten eingesetzt", sagt Hans Vogt.

Wer bis ganz hinauf auf den Gipfel will, hat von der Bergstation noch einen rund 20-minütigen Aufstieg vor sich. Wer sich für den ebenfalls gut gesicherten Panoramaweg über den Ostgipfel des Wendelsteins entscheidet, ist rund 40 Minuten unterwegs. Oben angekommen, ergibt sich ein faszinierendes 360-Grad-Panorama. Auch für Vogt ist es immer wieder ein besonderes Gefühl, auf dem Gipfel zu stehen. Die Aussicht reicht vom Wilden Kaiser über die schneebedeckten Zentralalpen mit dem Großglockner und dem Großvenediger, die majestätischen Spitzen des Rofan, des Karwendel- und Wettersteingebirges bis hin zur Zugspitze.

Doch es ist nicht nur das Panorama, das den Wendelstein so einzigartig macht, sondern die zahlreichen Sehenswürdigkeiten rund um die Bergstation. Da ist die zierliche Kirche, die auf der Schwaigerwand Wind und Wetter trotzt. Daneben lockt Deutschlands höchste Schauhöhle mit einer Entdeckungsreise in die Dunkelheit. Vier interaktive Stationen begleiten durch das spannend inszenierte Innere des Berges und vermitteln Wissenswertes zum Thema Höhle. Der Geopark erläutert auf 35 Schautafeln die Entstehungsgeschichte der Alpen.

Der Berg ist auch für Wissenschaftler interessant. So nutzt die Ludwig-Maximilians-Universität München die außergewöhnlichen Sichtbedingungen für astronomische Beobachtungen, der Deutsche Wetterdienst wertet alle relevanten Wetterdaten aus, und seit dem Jahr 1954 versorgt Deutschlands höchster Grundnetzsender vom Wendelstein aus fast ganz Südbayern mit Fernsehbildern und Hörfunkprogrammen. Natürlich steht auch das nun fast 120 Jahre alte Wirtshaus noch. Und wie eh und je ist es ein idealer Platz für eine Brotzeit.