Mit 17 Saisontoren steht der Auszubildende Sebastian Kaufmann vom TSV Glinde für den beispiellosen Aufstieg der Fußballmannschaft.

Glinde. Als Sebastian Kaufmann schlendernd am vereinbarten Treffpunkt, dem Ahrensburger Bahnhof, eintrifft, strahlt er die Gelassenheit aus, die sein wohl prägnantestes Persönlichkeitsmerkmal ist. Wie rasant es bei ihm sportlich zugeht, ist ihm nicht anzusehen. Der 20-Jährige ist im TSV Glinde Teil einer Generation von Fußballern, deren Erfolgsbilanz ihresgleichen sucht. Im Tempo eines ICE rast die Mannschaft, die sich 2006 als B-Jugend formierte, durch die Spielklassen. Im Jugendbereich gab es drei Meisterschaften zu feiern. Frisch im Herrenbereich angelangt und personell unverändert stieg sie von der Kreisklasse über den einjährigen Zwischenaufenthalt in der Kreisliga in die Bezirksliga auf - und diese muss angesichts des Durchschnittsalters von 21 Jahren noch nicht die Endstation sein. Mittelfristig scheinen die Weichen auf Landesliga gestellt.

Spätestens seit dieser Saison ist es sogar untertrieben, Kaufmann nur als einen Teil des Teams zu bezeichnen. 17 Tore erzielte er bereits. Spiele wie das gegen den SV Tonndorf-Lohe (3:1) oder Vorwärts-Wacker Billstedt II (4:1) gewann er praktisch im Alleingang, schoss jeweils alle Tore. Doch er gibt sich bescheiden: "Ohne die Pässe der anderen wäre das nicht möglich. Weil wir schon so lang zusammenspielen, sind wir sehr gut aufeinander abgestimmt", sagt er. Die Harmonie im Team ist das Erfolgsgeheimnis der Stormarner. "Mit jedem seiner Mannschaftskameraden kommt Sebastian gut klar", sagt Mario Scheck und betont verdeutlichend das zweite Wort des Satzes. Scheck kennt den Mittelfeldspieler gut. Er ist nicht nur sein Trainer, sondern auch sein Stiefvater.

Vor zehn Jahren zog Scheck als neuer Lebensgefährte von Sebastians Mutter ein. Er ist für Sebastian Kaufmann mehr Freund als zweiter Vater. In den Sommerferien fahren sie stets nach Langballig an der Flensburger Förde. Kaufmann geht dort angeln oder joggt um die Felder. Er schätzt die Ruhe in dem Luftkurort, vielleicht, weil sie seinem Temperament entspricht. "Er ist ein ruhiger und vernünftiger Mensch. Er raucht nicht und ist schon lang mit seiner Freundin zusammen", beschreibt Scheck seinen Stiefsohn weiter. "Am 22. Februar sind es drei Jahre", weiß Kaufmann ohne nachzudenken und erweist sich nicht nur dadurch als ein guter Lebensgefährte der 19-jährigen Lisa. Er begleitet sie zu ihren Spielen, sie steht beim VfL Lohbrügge zwischen den Pfosten. Ihre Vorliebe für romantische Filme teilt er zwar nicht, aber erträgt sie wohlwollend. Heute Abend läuft "Dirty Dancing" im Fernsehen, Lisas Lieblingsfilm. "Ich kenne den Film schon fast auswendig", sagt Kaufmann, schmunzelt und hofft auf gutes Wetter. In dem Fall stünde ein Besuch auf dem Hamburger Winterdom anstatt des Fernsehabends auf dem Programm.

Derlei Freizeitaktivitäten dürften demnächst durch das Lernen ersetzt werden. Kaufmann absolviert derzeit eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, lernt in einem kleinen Betrieb in Oststeinbek. Im Dezember steht die theoretische Gesellenprüfung an. Zwar habe er früher zu wenig gelernt, sei nun aber optimistisch, denn die Ausbildung bringe ihm schließlich Spaß, erzählt der Realschulabsolvent. Er könne sich vorstellen, später einmal als TÜV-Prüfer zu arbeiten. In dem Bereich werden gut ausgebildete Kräfte benötigt.

Doch auch durch seine fußballerische Form weckt er Begehrlichkeiten. Bleibt das Team des TSV zusammen, hat es das Potenzial, in den nächsten drei Jahren den nächsten Aufstieg zu schaffen. Doch wie viel Geduld hat ein dermaßen talentierter Mittelfeldspieler? Die Antwort kommt wenig überraschend: "Der Spaß steht im Vordergrund. In Glinde spielen alle meine Freunde. Warum sollte ich woanders hingehen?" Anfragen wie die des Liga- und Kreiskonkurrenten FC Voran Ohe, dessen Teammanager Oliver Schubert ihn über Facebook kontaktierte, lassen ihn nicht grübeln. "Da müsste sich schon ein Oberligaklub melden."

Das Gespräch hat fast anderthalb Stunden gedauert. Länger als erwartet. Sebastian Kaufmann stört das nicht und selbst die Tatsache, dass der Akku seines iPhones den Geist aufgegeben hat, bringt ihn nicht aus der Ruhe, was für einen jungen Mann äußerst ungewöhnlich ist. Behalten die Meteorologen Recht, darf er sich darauf freuen, heute Abend mit dem sogenannten "Teststrecke Doppel-Looping" mit einer Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde durch die Luft zu rasen. Dabei kann man ihn sich allerdings wohl genauso gelassen vorstellen, wie andere daheim auf dem Fernsehsessel.