Ernst Witt, einst Inhaber der “Milchbar“, ist seit 1945 Mitglied. Sein Vater Claus war einer der Gründer des Vereins.

Reinfeld. Ernst Witt sitzt zwei Stockwerke über seiner Kultstätte, so nennt er selbst die "Milchbar", er hat es sich in einem grau-blauen Sessel bequem gemacht zwischen all den Erinnerungen. In einem Ordner liegen Urkunden und Zeitungsberichte und Fotos, auf dem Schreibtisch funkeln polierte Pokale, an den Wänden ist die Familiengeschichte in Bildern festgehalten. Der Name Witt ist mit Reinfeld ungefähr so fest verbunden wie der von Matthias Claudius. Und wie der SV Preußen, der Sportverein, Stolz einer Stadt seit 100 Jahren.

Kein lebendes Mitglied ist so lange dabei wie Witt. Der 1. Dezember 1945 steht als Eintrittsdatum in den Büchern, "tatsächlich bin ich aber schon seit 1938 dabei", sagt er. Sein Vater Claus und dessen Bruder Carl waren zwei Männer der ersten Stunde bei der Vereinsgründung am 21. August 1909, und im Prinzip wollten sie damals nur eines: Fußball spielen.

Nach einem Jahrhundert gäbe es genügend Stoff für einen abendfüllenden Film, ein Leinwandabenteuer wie die vielen, die im Kinosaal der "Milchbar" einst liefen. 40 Jahre lang hat Ernst Witt dort die Geschäfte geführt, der gelernte Zimmermann war Gastronom und Filmvorführer und zapfte das Bier.

Wenn er Regisseur sein dürfte des Preußen-Reinfeld-Epos, der Streifen würde wohl so beginnen: Männer in schwarz und weiß gestreiften Trikots sitzen zusammen, sie erzählen und lachen, der Stiefel mit dem Rübenschnaps kreist. Die Stimmung ist ausgelassen an diesem Abend im Jahr 1948: Sieg gegen den SSV Pölitz, Kreismeister, "das war die beste Mannschaft, die der Verein je hatte", sagt Witt. Er war als linker Läufer ein Teil von ihr.

Witt, weißes Haar, Brille, schlank und sportlich, ist ein fitter Mann. 27-mal hat er das deutsche Sportabzeichen erworben, jeden Tag fährt er mit dem Fahrrad, bei gutem Wetter geht er schwimmen im Herrenteich. Nur das Kegeln hat er aufgeben müssen, er, der diesen Sport wieder belebt hatte in Reinfeld nach dem Zweiten Weltkrieg und Ehrenvorsitzender des Kreisverbands ist. "Das Knie", sagt er, "es geht einfach nicht mehr."

2150 Mitglieder in 20 Sparten hat der SV Preußen, "wir sind ein Breitensportverein mit Erfolgen in vielen Disziplinen", sagt Witt, "und doch dreht sich im Prinzip alles um den Fußball". Der HSV-Fan ist häufig dabei, sonntags, wenn die Ligamannschaft spielt, und mit zwei Freundschaftsspielen gegen Regionalligaklubs stehen auch die Jubiläumsfeierlichkeiten ganz im Zeichen des Volkssports Nummer eins: Vergangenes Wochenende kickten die Preußen gegen den VfB Lübeck (0:5), morgen kommt der Hamburger SV II an den Bischofsteicher Weg (15 Uhr). Am 5. September dann präsentiert sich der gesamte Verein auf einem "Tag des Sports", abends folgt ein Festball mit bis zu 500 Gästen. Der Vorverkauf über die Geschäftsstelle (Telefon 04533/41 51) läuft.

Witt ist seit 54 Jahren verheiratet mit seiner Dora, die alle nur "Dorchen" nennen, sie haben zwei Söhne, fünf Enkel. Schon seine Vorfahren haben die Stadt geprägt: sein Großvater als Baumeister des Rathauses vor gut einem Jahrhundert, sein Vater als Vereins- und Kinogründer und als Stadtverordneter. Wie sie ist Witt der Heimat immer treu geblieben und ist doch ein reiselustiger Mensch. Er war in Kapstadt, auf Mallorca, Teneriffa.

Heute, sagt er, reiche ihm Timmendorf. Zu Hause sei es schließlich doch am schönsten: mit alten Weggefährten im Sportlerheim - oder auf ein Bier zwei Stockwerke unter seinem Wohnzimmer in der Kultstätte "Milchbar".