Reinbek. Der illegale Handel mit Welpen boomt. Bislang sind die Täter oft ungeschoren davon gekommen. Das könnte sich bald ändern.

Es war die reinste Tierquälerei: Manche Welpen waren gerade einmal vier Wochen alt – und wurden viel zu früh von ihrer Mutter getrennt. Einige waren schwer krank und starben qualvoll. Am gestrigen Freitag wurde der Prozess gegen die 28-jährige Ebru A. (Namen von der Redaktion geändert) am Amtsgericht Reinbek unter großem Aufgebot der Presse fortgesetzt.

Der Hamburgerin wird vorgeworfen, von Juni 2020 bis Februar 2021 mehrere Hundewelpen über eine Internetplattform zum Verkauf angeboten zu haben. Die Tiere waren entgegen der Angaben zum Teil unter zwölf Wochen alt sowie nicht geimpft und gechipt. Damit werden der Pflegeassistentin sowohl Betrug als auch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zur Last gelegt. Mit den Kunden traf sie sich zu den Übergaben unter anderem in Glinde, Reinbek und Barsbüttel.

Illegaler Welpenhandel: Dritter Prozesstag endet ohne Urteil

Auch der dritte Prozesstag endete trotz siebenstündiger Verhandlung ohne Urteil. Grund für das zähe Verfahren waren die umfangreichen Zeugenaussagen, die sich auch durch zahlreiche Nachfragen des Verteidigers Andreas Beurskens in die Länge zogen.

So berichtete eine 33-jährige Frau aus Barmstedt von einem Kauf von vor drei Jahren. Die Frau hatte sich mit der mutmaßlichen Täterin zur Übergabe des Welpen am Oher Weg in Glinde verabredet. Während der Übergabe schlief der Welpe und wurde die Stunden danach immer schlapper. Schon in der Nacht verstarb das Hundebaby an einem Virus, der in Deutschland nicht vorkommt.

Dies bestätigte der aufgesuchte Tierarzt, der nicht mehr helfen konnte. 900 Euro in Bar hatte sie für das todkranke Tier bezahlt, weitere 250 Euro für die Tierarztbehandlung. Als sie die Verkäuferin daraufhin kontaktierte, gab es die Telefonnummer nicht mehr. Erst am Freitag im Gerichtssaal traf die Zeugin die Angeklagte nun wieder, sie habe sie eindeutig erkannt, wie die junge Frau auf Nachfrage der Staatsanwältin bestätigte.

Telefonnummer nach dem Verkauf sofort gelöscht – Verkäufer nutzen falsche Identitäten

„Hinter den Telefonnummern stehen oft Fantasie-Identitäten“, sagt eine zuständige Kripobeamtin aus Reinbek vor Gericht aus, die die Fälle seit 2020 bearbeitet. Rund 20 Fälle von illegalem Welpenhandel hat die 50-Jährige in den vergangenen drei Jahren auf ihrem Schreibtisch gehabt. Bei einer Übergabe vor drei Jahren an der Hauptstraße in Barsbüttel war die Beamtin live dabei. Was die Verkäuferin nicht wusste, die Käuferin diente nur als Lockvogel.

Sina Hanke, Erste Vorsitzende von Animal Care, hat in einem Prozess in Sachen illegaler Welpenhandel vor dem Amtsgericht Reinbek als Zeugin ausgesagt und hofft auf baldiges und abschreckendes Urteil.
Sina Hanke, Erste Vorsitzende von Animal Care, hat in einem Prozess in Sachen illegaler Welpenhandel vor dem Amtsgericht Reinbek als Zeugin ausgesagt und hofft auf baldiges und abschreckendes Urteil. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Allerdings scheiterte eine Festnahme, weil die Verkäufer vor der Übergabe Reißaus nahmen, nachdem ein Mittäter die Beamten entdeckt hatte. Sina Hanke: „Uns wundert das nicht. Die Hundemafia agiert immer professioneller. Sie setzen Späher ein, haben mehrere Fahrer und mieten sogar Wohnungen an, in die sie die Käufer locken“, sagt die Vorsitzende des Tierschutzvereins Animal Care, die den Prozess mit Spannung verfolgt und große Hoffnung auf ein „abschreckendes Urteil“ setzt.

Laut eigenen Recherchen des Vereins sind bis zu 25 Personen an dem illegalen Welpenhandel in und um Hamburg beteiligt. Die Tiere werden laut der Tierschützerin für rund 50 Euro oder eine Flasche Schnaps auf einem Markt in Polen unter der Hand gekauft, nach Deutschland geschmuggelt und hier für 600 bis 900 Euro schnell wieder weiterverkauft. „Die Gewinnmargen sind groß und der Handel boomt wie nie zuvor, auch weil die Täter bislang zu oft ungeschoren davongekommen sind“, kritisiert die 34-jährige Tierschützerin. Das könnte sich mit diesem Prozess ändern.

Angeklagte soll Chefverkäuferin im Welpenhändler-Clan gewesen sein

Die Angeklagte hat der Tierschutzverein als sogenannte Chefverkäuferin im Welpenhändler-Clan ausgemacht, die zu ihrer Verteidigung sagte, dass sie das Geld aus dem Verkauf dringend benötigte, da sie zu dem Zeitpunkt obdachlos gewesen sein soll. Hanke kann da nur mit dem Kopf schütteln und erinnert sich an nagelneue Nike Air Turnschuhe, die die Angeklagte auf einer fingierten Übergabe trug und die sie sich selbst trotz festem Job nicht leisten konnte.

Ein voll umfängliches Geständnis legte die Angeklagte bisher nicht ab. Viel mehr verstrickte sie sich in Widersprüche. Die Verhandlung wird am kommenden Donnerstag, 24. August, um 16 Uhr fortgesetzt. Alle Beteiligten gehen davon aus, dass dann ein Urteil gefällt wird.

Die Käufer selbst werden nicht belangt. „Wünschenswert wäre es aber. Die Gleichgültigkeit mancher Käufer ist schon frappierend“, sagt Hanke. So hatte ein Paar aus Schnakenbek im Herbst vor drei Jahren am Sandweg in Reinbek einen Jack-Russell-Welpen für 800 Euro gekauft, obwohl „uns doch einiges komisch vorkam“, wie die 46-jährige Käuferin vor Gericht aussagte.

Zudem beobachtete eine Anwohnerin den Verkauf auf offener Straße und schritt beherzt ein. Sie alarmierte die Polizei. „So ein Vorgehen würden wir uns öfter wünschen“, sagt Hanke, die weiß, wie viel Mut dazu gehört. Sie selbst wurde von Mitgliedern der Hundemafia bereits mehrfach bedroht. Das vier Wochen alte Jack-Russell-Baby hat glücklicherweise überlebt.