Reinfeld. Als Ilsa Walden vor 30 Jahren Umweltingenieurwesen studierte, war sie fast noch Pionierin auf dem Gebiet. „Damals war das Bewusstsein für Klimaschutz und Nachhaltigkeit überhaupt noch nicht so präsent wie heute“, sagt die 56-Jährige. Doch ihr war es schon immer ein Anliegen, die Umwelt zu schützen. „Als ich jünger war, habe ich mitbekommen, wie Massen an giftigem Teeröl einfach so in der Natur entsorgt wurden“, sagt die Lübeckerin. „Das hat mir damals schon wehgetan.“
Obgleich noch eine Menge zu tun ist: „Mittlerweile ist das Thema in der breiten Gesellschaft angekommen“, sagt Walden. Dass Kommunen Klimaschutzmanager beschäftigen, ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme – so auch in Reinfeld. Nachdem die Stelle ein halbes Jahr lang unbesetzt war, ist Ilsa Walden seit dem 1. Dezember neue Klimaschutzmanagerin der Karpfenstadt. Im Gespräch mit unserer Redaktion hat sie über ihre Ziele und Pläne gesprochen.
Für Ilsa Walden ist es das erste Mal, dass sie in ihrem gelernten Beruf arbeitet
„Als ich 1993 mein Studium abgeschlossen hatte, wusste kaum jemand, was Umweltingenieurwesen überhaupt ist“, sagt die Lübeckerin. Fast all ihre Kommilitonen arbeiteten nach ihrem Abschluss in fachfremden Bereichen – so auch Walden für lange Zeit. Naturschutz blieb zwar immer ein großer Bestandteil ihres Lebens, doch die Stelle als Klimaschutzmanagerin in Reinfeld ist die erste, die zu 100 Prozent mit ihrer originären Ausbildung zu tun hat.
Dass Klimaschutz mittlerweile im Bewusstsein der meisten Menschen angekommen ist, begrüßt sie. „Ich habe es mit großer Freude verfolgt, als Greta Thunberg eine globale Bewegung ausgelöst hat und auf der ganzen Welt Menschen für das Klima demonstriert haben“, sagt sie. „Das hat der ganzen Welt einen Ruck gegeben.“ Dennoch gibt es für die Klimaschutzmanagerin auch Grenzen. Die Aktivitäten von Klimaaktivisten, die sich aus Protest auf der Straße festkleben, den Verkehr blockieren und gefährliche Situationen verursachen, heißt sie nicht gut. Walden: „Das Kleben ist nicht meine Welt.“
Vor allem für den Radverkehr möchte die Klimaschutzmanagerin einsetzen
Ihr Weg, für das Klima einzustehen, soll ein anderer sein. „Die jetzige Stelle ist meine Chance, an der Quelle politisch zu arbeiten und hoffentlich etwas zu bewegen“, sagt sie. Und was soll das konkret sein? „Ich bin leidenschaftliche Fahrradfahrerin.“ Deshalb ist es ihr ein Herzensanliegen, den Radverkehr zu stärken, Radwege auszubauen und immer mehr Menschen dazu zu bewegen, auch in einer Kleinstadt wie Reinfeld öfter das Auto stehen zu lassen.
In diesem Zuge erstellt Ilsa Walden ein neues Mobilitätskonzept für die Karpfenstadt. Radverkehr ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Bestandteil davon. Auch an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) möchte sie ran. Dabei sind ihr auch die Bewohner umliegender Dörfer wichtig: „Es darf nicht sein, dass die Menschen dort ohne Auto keine Chance haben, in die Stadt zu kommen“, so Walden.
In Sachen Radverkehr gibt es in Reinfeld noch einiges zu tun
Ihre Wunschvorstellung wäre es, dass die Alternativen so attraktiv würden, dass Menschen freiwillig auf ihr Auto verzichten. Die Klimaschutzmanagerin selbst hat seit Jahren kein Auto mehr, pendelt mit der Bahn von Lübeck nach Reinfeld. Doch damit Menschen gern Fahrrad fahren, müsse sich in Reinfeld noch einiges tun. „Die Radwege in Reinfeld müssen ausgebaut werden“, meint Walden.
Mit dem Status quo sei sie nicht zufrieden, seien doch die meisten Wege Autostraßen mit Bürgersteig, auf denen Radfahrer nicht wirklich Platz haben. „Die Fahrradfahrer müssen mit auf der Straße fahren und gucken, wie sie klarkommen.“ Wichtig ist ihr, an Hauptknotenpunkten sichere Lösungen für Radfahrer zu schaffen. „Es müssen Radwege geschaffen werden, die gut beleuchtet und durch eine farbige Markierung deutlich vom Autoverkehr abgegrenzt sind“, so die Klimaschutzmanagerin.
Carsharing oder Sammeltaxis sollen die Menschen in umliegenden Dörfern anbinden
Auch im ÖPNV muss noch einiges passieren, meint sie. „Ich kann mir Dinge wie Carsharing, Sammeltaxis oder mehr Busverkehr vorstellen, um die Menschen in den umliegenden Dörfern anzubinden“, so Walden. Das sei vor allem für Ältere und Familien mit kleinen Kindern wichtig, die nicht unbedingt Fahrrad fahren können. Auch die derzeitige Taktung des Busverkehrs möchte sie erhöhen. Was die Preise im ÖPNV angeht, begrüßt sie die geplante Einführung des 49-Euro-Tickets. Walden: „Das wird vor allem Berufspendler entlasten.“
Über die brutalen Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte in Sachen Klimaschutz hinwegzusehen fällt der Klimaschutzmanagerin schwer. Aber: „Ich versuche, nicht den Mut zu verlieren, und bin trotzdem voller Motivation“, so die 56-Jährige. In der Stadt jedenfalls sei sie bislang offene Türen eingerannt. „Es gibt viele Menschen, die wirklich Veränderungen wollen.“ Als sie ihre Stelle angetreten hat, sei sie überrascht gewesen, wie engagiert Reinfeld in Sachen Klimaschutz ist – obgleich ihre Stelle lange unbesetzt war. Walden: „Es gibt ein gut ausgearbeitetes Klimaschutzkonzept mit ein paar Hundert Seiten, von dem schon einige Ziele in die Tat umgesetzt worden sind, zum Beispiel Solardächer, Beratungsangebote für nachhaltige Bauplanung oder Elektroladestationen.“
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Das Klimaschutzkonzept zu überarbeiten und zu aktualisieren ist eine der Aufgaben, die Ilsa Walden derzeit angeht. Außerdem vernetzt sie sich mit Vereinen und Institutionen wie dem ADFC oder besichtigt Naturschutzgebiete in der Nähe. Auch sind einige Projekte in Planung: „Es wird bald einen sogenannten Klimawald geben“, sagt Ilsa Walden. Der wird zum Schutz des Klimas neu angepflanzt. Außerdem soll im Sinne einer fahrradfreundlichen Stadt bald eine Fahrradreparaturstation zentral in der Innenstadt eingerichtet werden. Auch für das Stadtradeln möchte die Klimaschutzmanagerin ab dem nächsten Monat möglichst viele Menschen begeistern: „Das finde ich so toll, weil man auf diese Weise Menschen auf das Fahrrad bekommt.“
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