Grabau. Verbraucherschützer und Handelskammern warnen vor falschen Rechnungen. Absender ist eine Firma mit Sitz in Grabau.

FFP2-Masken für 19 Cent das Stück und eine Fünferpackung Corona-Antigen-Schnelltests für 95 Cent – mit Schnäppchenpreisen wie diesen wirbt der Anbieter Humedical auf seiner Internetseite um Kunden. Garniert wird das Ganze mit einem kostenlosen Versand. Wer bei diesen Preisen misstrauisch wird, liegt womöglich richtig: Verbraucherschützer warnen, dass hinter dem Online-Shop höchstwahrscheinlich Betrüger stecken. Die Spur führt nach Stormarn.

„Wir haben in den vergangenen Tagen vermehrt Anfragen und Beschwerden im Zusammenhang mit dem Anbieter Humedical erhalten“, sagt Michael Herte, Jurist bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Die Betroffenen berichteten von Rechnungen und Mahnungen für angeblich nicht bezahlte Corona-Tests und Masken, die das Unternehmen ihnen per Post und Fax zugestellt hätte. Das Pikante: Keiner von ihnen hatte nach eigenen Angaben je bei Humedical bestellt.

Unternehmen firmiert erst seit Januar 2021 unter dem Namen Alpha Ribs GmbH

Absender der Rechnungen ist die Firma Alpha Ribs GmbH mit Sitz in Grabau bei Bad Oldesloe. Wer zu der angegeben Firmenadresse an der Ringstraße fährt, wird jedoch schnell feststellen: Nach einem Unternehmen, das mit Gesundheitsartikeln handelt, sieht es hier nicht aus. Stattdessen steht der Besucher vor einer Baracke aus rotem Ziegelstein, lediglich an einem Briefkasten am Tor lässt sich der Name der Firma finden.

Und es wird noch dubioser: Laut dem Branchenportal North Data handelt die Alpha Ribs GmbH gar nicht mit Corona-Schutzartikeln, sondern „mit Waren aller Art, insbesondere mit Booten und mit Ersatzteilen“. Aus der Eintragung geht auch hervor, dass das beim Amtsgericht Lübeck eingetragene Unternehmen erst seit Januar 2021 unter dem Namen Alpha Ribs GmbH firmiert.

Vor allem kleinere Gewerbetreibende erhalten die dubiosen Rechnungen

Zuvor hat die Firma ihren Namen mehrfach gewechselt. Bis 2018 heißt sie Autohaus Wilhelm Kuhfuß GmbH, danach nimmt das Unternehmen den Namen Bootsbutler GmbH an. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Lübeck sollen von der Grabauer Adresse aus niemals Geschäfte betrieben worden sein. „Nach ersten polizeilichen Ermittlungen wurde dort keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet“, sagt Oberstaatsanwalt Christian Braunwarth.

Die Verbindung zu dem Online-Handel Humedical ist erst beim Blick ins Impressum sichtbar, wo die Alpha Ribs GmbH als Betreiber der Internetseite geführt wird. „Erhalten haben die Rechnungen vor allem kleinere Gewerbetreibende“, sagt Herte von der Verbraucherzentrale – und das offenbar bundesweit.

Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität rät Betroffenen zur Anzeige

Die Industrie- und Handelskammern (IHK) aus Osnabrück, Düsseldorf, Ulm, Siegen, Schwaben und Dutzenden anderen Regionen warnen inzwischen vor den dubiosen Rechnungen. Auch der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) weist auf seiner Internetseite auf mögliche Betrugsversuche durch das Grabauer Unternehmen hin und rät Empfängern der Rechnungsschreiben, umgehend die Polizei einzuschalten.

Auf der Internetseite Verbraucherschutz.de des Vereins Verbraucherschutz Deutschland online mit Sitz in Hamburg berichten unter einem Beitrag zu dem Thema unzählige Nutzer von ihren Erfahrungen. In einigen Fällen habe Alpha Ribs sogar mit einem Inkasso-Unternehmen gedroht. „Wir haben heute gleich zwei Letzte Mahnung von humedical bekommen. Angeblich sollen wir im Februar 2021 und im März 2021 Schnelltests bestellt haben“, kommentiert etwa der Nutzer Wolfgang H. „Wir haben Anzeige bei der Polizei erstattet“, schreibt S.D.

222 Betroffene kommentieren Artikel auf Verbraucherportal

222 Betroffene hatten bis Montagnachmittag den Artikel auf Verbraucherschutz.de kommentiert. In allen Fällen verlangte Alpha Ribs die Zahlung eines dreistelligen Betrags auf ein Bankkonto, wobei die Höhe des geforderten Betrags je nach der angeblich gelieferten Menge an Masken und Tests variierte. Recherchen des DSW zufolge sind die ältesten Rechnungen auf 2020 datiert. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck, in deren Bezirk die Firma mit Sitz in Grabau fällt, hat ebenfalls schon mehrere Beschwerden erhalten, wie Sprecher Can Özren auf Anfrage bestätigt.

„Alle Versuche, Kontakt zu dem Unternehmen aufzunehmen, waren bislang erfolglos“, sagt er. Unter der angegebenen Service-Hotline melde sich stets eine Stimme vom Band mit der Ansage, dass zurzeit auf allen Leitungen gesprochen werde. Genauso war es auch, als unsere Redaktion am Montag versuchte, Alpha Ribs für eine Stellungnahme zu erreichen.

Jurist sieht in dem Vorgehen einen Fall von gewerblichem Betrug

Özren möchte nicht ausschließen, dass der Name des Unternehmens von Kriminellen missbraucht worden sein könnte. „Aktuell wissen wir noch zu wenig, arbeiten aber mit Hochdruck an diesem Fall“, versichert er. Für Michael Herte von der Verbraucherzentrale deutet derzeit alles auf eine Betrugsmasche hin, auch wenn nicht auszuschließen sei, dass die Rechnungen auf irgendeine Weise versehentlich versendet worden seien.

„Mein Eindruck ist, dass hier jemand ausnutzt, dass viele mittlere und kleinere Unternehmen bei der Menge an Rechnungen, die dort täglich in der Buchhaltung eingehen, möglicherweise nicht so genau hinschauen und den Betrag einfach überweisen“, sagt er. Sollte die Grabauer Firma vorsätzlich handeln, sei das ein klarer Fall von gewerblichem Betrug, sagt der Jurist. Betroffenen rät er, die angemahnten Rechnungen auf keinen Fall zu bezahlen.

Bei der Staatsanwaltschaft Kiel sind mehrere Anzeigen eingegangen

„Zunächst gilt es, genau hinzuschauen, ob ich irgendwann einmal eine Bestellung bei diesem Anbieter getätigt habe oder auf irgendeine andere Weise eine vertragliche Verbindung besteht“, sagt Herte. Sei dies nicht der Fall, sollten Betroffene dringend Anzeige erstatten. Dasselbe empfiehlt auch Özren von der IHK. Einige Betroffene sind dem Rat offenbar gefolgt und haben die Polizei eingeschaltet. „Bislang sind verschiedene Anzeigen eingegangen“, bestätigt Axel Bieler, Sprecher der Staatsanwaltschaft Kiel. Diese würden derzeit zusammengeführt. Gegenstand sei der Tatvorwurf des Betruges.

Gegen wen und wie viele Personen ermittelt wird, dazu wollte der Oberstaatsanwalt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. „Zum genauen Ausmaß kann derzeit nichts gesagt werden, da weitere Verfahren erwartet werden und die Ermittlungen andauern“, so Bieler. Nach Informationen unserer Redaktion handelt es sich bei den Beschuldigten um eine oder mehrere Personen mit Wohnsitz im Raum Kiel. Deshalb ist auch, trotz des Unternehmenssitzes der Alpha Ribs GmbH im Kreis Stormarn, nicht die Lübecker Staatsanwaltschaft zuständig.