Leichenfund

Baby Leander auf Glinder Friedhof beigesetzt

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Dorothea Benedikt
Menschen haben gelbe Blumen im Gellhornpark niedergelegt und Kerzen aufgestellt. Dort war der tote Säugling am 22. März entdeckt worden.

Menschen haben gelbe Blumen im Gellhornpark niedergelegt und Kerzen aufgestellt. Dort war der tote Säugling am 22. März entdeckt worden.

Foto: Daniel Bockwoldt / dpa

Die Polizei hat noch keine Hinweise auf die Mutter des Säuglings, der tot im Gellhornpark abgelegt wurde.

Glinde.  Ein kleiner Sarg, gerade einmal so groß, dass er von einem Menschen getragen werden kann. Schwerer dürfte dabei der Gang zu dem Grab wiegen. Warum durfte das Neugeborene nicht leben? Eine quälende Frage, die noch immer ohne Antwort bleibt. Der kleine Junge wurde vergangene Woche auf dem Friedhof in Glinde beigesetzt.

Drei Wochen zuvor – am Freitag, 22. März – hatte ein Schüler die Babyleiche im Gellhornpark entdeckt. Eingewickelt in ein blaues Handtuch lag der leblose Körper halb vergraben auf dem Waldboden. Nun ist der Säugling in einer geheimen Zeremonie bestattet worden. „Das war dank einer anonymen Spende möglich“, sagt Frank Lauterbach (SPD), Stadtvertreter und stellvertretender Bürgermeister, zum Abendblatt.

Ohne die Zuwendung wäre eine anonyme Urnenbestattung erfolgt. „Mit dem Geld war eine Erdbestattung auf dem Glinder Friedhof möglich. Auch einen Grabstein wird es geben“, sagt Lauterbach. Ob darauf der Name Leander stehen wird, ist unklar. Den Namen haben Ermittler dem toten Jungen gegeben. „Um dem Säugling die Anonymität zu nehmen“, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Lübeck, und fügt hinzu: „Es erleichtert ihnen die Arbeit an dem Fall, der auch für erfahrene Beamte bei Polizei und Staatsanwaltschaft sehr belastend ist.“

Auch eine zweite Plakataktion blieb ohne Erfolg

Seit dem 22. März suchen Beamte nach der Mutter von Leander. Doch bislang ohne Erfolg. Zweimal waren Polizisten in Glinde und der Umgebung unterwegs und verteilten Plakate mit einem Zeugenaufruf. „Wir nehmen an, dass Leanders Mutter sich in einer für sie ausweglosen Situation befunden hat und dringend Hilfe benötigt“, ist darauf zu lesen. Zudem fragen die Ermittler, wer Hinweise zur Herkunft des Kindes geben könnte. Nach einer ersten Plakataktion Ende März waren laut Staatsanwaltschaft weniger als zehn Hinweise bei der Polizei eingegangen. Und ein entscheidender war nicht dabei.

Am vergangenen Freitag klebten Beamte erneut Fahndungsplakate an Bushaltestellen und Stromkästen. In den Mehrfamilienhäusern rund um den Gellhornpark brachten sie die Plakate an den schwarzen Brettern im Hausflur an. Doch Hinweise zu der Mutter des Kindes blieben weiterhin aus. „Wir hoffen jetzt, dass Bewohner der Mehrfamilienhäuser, die noch in den Osterferien sind, uns vielleicht weiterhelfen können“, sagt Oberstaatsanwältin Ulla Hingst.

Denn weder Spuren am Fundort des toten Säuglings führten zu den Eltern, noch ein DNA-Abgleich. Ermittler überprüften mit einer Probe des Kindes, ob die Eltern in der DNA-Analyse-Datei des BKA erfasst sind. Dort wird der genetische Fingerabdruck sowohl von Straftätern als auch von am Tatort gesicherten Spuren gespeichert. Mehr als 1,2 Millionen Datensätze enthält die DNA-Analyse-Datei. „Doch einen sicheren Identifizierungstreffer gab es aber nicht“, sagt Ulla Hingst.

Die Leiche wurde von einem Schüler gefunden

Zu den Ergebnissen der Obduktion des Neugeborenen halten sich die Ermittler weiter bedeckt. Ob Leander bei seiner Geburt gelebt hat, wollen sie aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. Bekannt ist nur, dass es eine Frühgeburt war. Die Rechtsmediziner gehen davon aus, dass der hellhäutige Junge etwa zwei Monate zu früh auf die Welt gekommen war.

Vermutlich um den 8. März herum wurde Leander nach diesen Erkenntnissen geboren. Nicht länger als zwei Wochen dürfte der Säugling laut Rechtsmedizin in dem kleinen Waldstück am Schulzentrum gelegen haben. Am Freitag, 22. März, gegen 11 Uhr entdeckte ein zwölf Jahre alter Gymnasiast das tote Baby. Seine Mitschüler und er waren an diesem Tag durch den Gellhornpark gestreift, um Müll zu sammeln. „Unser sauberes Schleswig-Holstein“ heißt die landesweite Aktion, bei der der grausige Fund in Glinde gemacht wurde.

Der Gymnasiast sowie seine Mitschüler mussten noch vor Ort von Notfallseelsorgern betreut werden. Behutsam wurden sie dabei von den Ermittlern befragt. Wie es den Schülern heute geht und ob sie weiterhin seelsorgerisch betreut werden, ist unklar. „Es sind derzeit Ferien“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Frank Lauterbach, fügt jedoch hinzu: „Das Hilfsangebot der Kirche besteht weiterhin.“

Ziel der Schule sei es, so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückzukehren. „Das ist für Kinder auch das Beste. Oft machen wir uns als Erwachsene da mehr Gedanken“, sagt Lauterbach, der auch in der psychosozialen Notfallversorgung tätig ist.

Menschen legten Blumen im Gellhornpark nieder

Bestürzung und Betroffenheit hat der Fall auch bei vielen Menschen in Glinde ausgelöst. Nach dem Fund legten Bürger Blumen im Gellhornpark nieder und stellten Kerzen auf. Spaziergänger blieben davor stehen und hielten inne. „Das ist Betroffenheit, die man da empfindet“, sagte ein 79-Jähriger, der fast täglich in dem Wald spazieren geht. Auch wenn er das Bild einer verzweifelten Frau vor Augen habe, sagt er: „Es ist einfach schwer vorstellbar, wie jemand so etwas tun kann.“ Ob es auf diese Frage je eine Antwort geben wird, ist also weiter unklar. Genauso, ob die Mutter des Frühgeborenen jemals identifiziert wird.

Die Kriminalpolizei hofft weiter auf Hinweise. Diese nehmen die zuständigen Ermittler in Lübeck unter der Telefonnummer 0451/131-46 04 entgegen. Zudem gibt es im Internet unter www.sh.hinweisportal.de eine besondere Seite. Zeugen können dort auch anonym Angaben machen oder ihre Beobachtungen schildern.

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