Krankenstand in Verwaltungen im Vergleich zu anderen Branchen der höchste. Nicht alle geben ihre Zahlen bekannt

Ahrensburg. Zu Hause bleiben, sich auskurieren, anstatt sich mit Erkältung zur Arbeit schleppen: Mitarbeiter in Behörden, ob nun verbeamtet oder angestellt, machen das offenbar öfter als Angestellte anderer Branchen. Nach der jüngsten Statistik der Krankenkasse AOK NordWest lag 2014 der Krankenstand in Schleswig-Holsteins Behörden bei 6,2 Prozent. In anderen Branchen sind es durchschnittlich 5,4 Prozent. Unternehmenssprecher Jens Kuschel sagt: „Nach unseren Auswertungen haben Behörden im Vergleich seit Jahren einen hohen Krankenstand, seit zwei Jahren sogar den höchsten.“

Das gilt auch für Behörden und Ämter in Stormarn. Ganz Stormarn? Nein. Daniela Müller und ihre Kollegin in der Personalabteilung des Bargteheider Rathauses bekommen außerordentlich wenige Krankschreibungen auf den Schreibtisch: Im Durchschnitt fehlten die 49 Mitarbeiter 7,5 Tage im vergangenen Jahr. Das ergibt einen Krankenstand von drei Prozent. Unter dem Durchschnitt lagen 2014 zudem Trittau, die Kreisverwaltung sowie das Arbeitsamt. So fehlten in Trittau die Mitarbeiter der Verwaltung im Durchschnitt 10,5 Tage (Krankenstand: fünf Prozent). In der Kreisverwaltung liegt der Krankenstand bei 5,5 Prozent, im Durchschnitt fehlten die Mitarbeiter damit 13,9 Tage. Im Arbeitsamt waren es im selben Zeitraum 9,9 Tage, macht einen Krankenstand von 4,3 Prozent. Die Zahl gilt für die Agentur für Arbeit Bad Oldesloe, also für unsere gesamten Geschäftsstellen in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg und damit für 148 Mitarbeiter“, sagt Sprecher Stefan Schröder

Über die vergleichsweise gute Gesundheit in der Bargteheider Verwaltung ist selbst Personalerin Daniela Müller ein wenig überrascht, sagt aber: „Es sind wohl die vielen Kleinigkeiten, die zum positiven Ergebnis führen. Etwa, dass das Arbeitsklima sehr gut ist.“ Wenn es im Bargteheider Rathaus doch mal zwicke, dann meist am Rücken: „Seit 2003 bieten wir deswegen Gymnastik an. Zudem wird Wert auf moderne und gute Büromöbel gelegt.“

Öfter als der Durchschnitt sind unterdessen die Mitarbeiter der Städte Reinbek, Reinfeld und Glinde krank. Die Reinfelder Rathaussprecherin Beate Janke sagt: „Deutlich wird, dass die Ausfallzeiten von stark belasteten Beschäftigten bei uns zunehmen. Abwesenheitszeiten von mehreren Wochen sind wesentlich häufiger geworden.“ Im Durchschnitt fehlten die Mitarbeiter 17,6 Tage im vergangenen Jahr, macht einen Krankenstand von 6,6 Prozent. In Reinbek waren die 242 Mitarbeiter 2014 im Durchschnitt jeweils 14,2 Tage krankgeschrieben. In Glinde stammen die jüngsten Zahlen aus 2013: 19,7 Tage fehlten die Mitarbeiter der Stadt im Durchschnitt, macht einen Krankenstand von 8,4 Prozent, darunter einige Langzeiterkrankte. Ohne Langzeiterkrankte sind es 14,3 Tage und 6,1 Prozent. Bürgermeister Rainhard Zug sagt: „Seit einem Jahr versuchen wir verstärkt, die Gesundheit unserer Mitarbeiter zu fördern, indem wir Massagen und Infoveranstaltungen zum Thema Gesundheit und Ernährung anbieten.“

In Bad Oldesloe gibt es unterdessen gar keinen Stand über Krankheiten. Bürgermeister Tassilo von Bary: „Es gibt keine zentrale Erfassung der Krankenzahlen.“ Wie oft seine Mitarbeiter im Schnitt fehlen, das wisse der Verwaltungschef der Kreisstadt deswegen gar nicht. „Wichtig ist, dass wir zu keinem Zeitpunkt Versorgungsengpässe hatten oder haben“, so von Bary. In Ahrensburg gibt es Zahlen, doch die sind streng geheim. Rathaussprecherin Imke Bär: „Lediglich der Personalrat kennt sie und der Bürgermeister bekommt sie auf Anfrage.“ Das sei so beschlossen worden, aus Datenschutzgründen.

Aber haben Mitarbeiter in einigen Behörden nun eine schlechtere Gesundheit? Verführt der vermeintlich sichere Arbeitsplatz zum Krankfeiern? Das lässt sich laut Alfred Oppolzer, emeritierter Professor der Uni Hamburg und Experte für Arbeit und Gesundheit, nicht sagen. „Es ist mehr das Verantwortungsgefühl, das die Menschen zur Arbeit treibt, als die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust“, sagt der Soziologe. Es sei die Solidarität mit den Kollegen, die Anerkennung der Vorgesetzten und die eigene Motivation, die dafür sorge, dass Arbeitnehmer mit Schnupfen zur Arbeit gehen. Im Umkehrschluss mache „ein schlechtes Betriebsklima nicht nur krank, es senkt auch die Hemmschwelle.“ Dagegen können Vorgesetzte laut Oppolzer leicht ansteuern: Belastungen begrenzen sowie die Anreize erhöhen, etwa durch Lob und Wertschätzung.

Doch gerade die Belastungen seien im öffentlichen Dienst stets gestiegen. Britta Ibald, Sprecherin des DDB, der Interessenvertretung für Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, sagt: „Derzeit arbeiten 4,5 Millionen Beschäftigte bundesweit im öffentlichen Dienst, das sind 1,3 Millionen weniger als 1990. Durch die Wiedervereinigung hat sich der Behördenapparat aber enorm vergrößert. Das bedeutet immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern.“ Laut Ibald hätten vor allem psychische Erkrankungen, wie Burn-Out oder Depressionen zugenommen. Sie sagt: „Das wird bald zu Versorgungsengpässen führen.“

Manchmal, so heißt es aus mehreren Rathäusern des Kreises, habe der erhöhte Krankenstand ganz einfache Gründe: Wenn Bauhöfe und Kindertagesstätten zu der Verwaltung gehören beispielsweise. Dort seien die Mitarbeiter häufiger krank als Kollegen, die ausschließlich im warmen Büro sitzen. Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach sagt: „Auch eine Verwaltung, die ihre Behindertenquote erfüllt, hat meist höhere Fehlzeiten, weil die Kollegen aus nachvollziehbaren Gründen oft häufiger krank sind.“