Der Schriftsteller wurde vor 275 Jahren in der Stormarner Stadt geboren. Zugleich jährt sich sein Todestag zum 200. Mal

Reinfeld. Goethe war neugierig. Was war das für ein Schriftsteller im Norden, der in ganz Deutschland von sich reden macht? Man traf sich in Weimar. Am 29. September 1784. Dumm nur, dass Matthias Claudius gar nicht interessiert war. Er war auf Reisen, völlig übermüdet und machte offenbar keine Anstalten, sich dem berühmten Kollegen irgendwie anzudienen. „Das war wohl das erste und letzte Mal, dass sich die beiden gesehen haben“, sagt Reinfelds Pastorin Christina Duncker und lacht. „Goethe war einfach beleidigt.“

Der berühmte Reinfelder Sohn erfasste entweder die Tragweite des Moments nicht, oder aber Matthias Claudius war mit ausreichendem Selbstbewusstsein ausgestattet. Grund dazu hätte er gehabt. Er, der Redakteur des berühmten „Wandsbecker Bothen“, war zu dem Zeitpunkt schon längst selbst jemand. Und das ist er bis heute geblieben. Auch wenn sich in diesem Jahr der Todestag des Dichters, Journalisten und Lyrikers schon zum 200.Mal jährt und die Nachwelt zugleich den 275. Geburtstag von Claudius feiert. In der Erinnerung der Menschen hat der gebürtige Reinfelder die Jahrhunderte überdauert. Sein Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ kennt immer noch jedes Kind. Und das ist nur ein Bruchteil des überlieferten Kulturguts.

„Ich bin mit Claudius aufgewachsen“, sagt Pastorin Christina Duncker, die genau in jener Kirche predigt, in der schon der Vater von Matthias Claudius seinen Sohn getauft und konfirmiert hat. Der Vater war Pastor in Reinfeld, so wie jetzt Christina Duncker. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit, das Andenken an den Dichter wachzuhalten.

„Schon in der Grundschule sind wir an sein Grab in Wandsbek gegangen. Und natürlich haben wir das Abendlied von ihm gesungen“, sagt die Pastorin. Auch im Reinfelder Gotteshaus, das seit 1940 Matthias-Claudius-Kirche heißt, lässt sie es nun regelmäßig bei Abendandachten erklingen. Und ein Ernte-Dank-Gottesdienst ohne das Claudius-Lied „Wir pflügen und wir streuen “ sei undenkbar. „Das gehört dazu, wie ,O du fröhliche’ zu Weihnachten“, sagt die Geistliche, die auch selbst singt: im Chor der Reinfelder Kirchengemeinde. Der heißt, wen wundert’s: Claudius-Projektchor.

Der wird sein Repertoire anlässlich des Jubiläumsjahres jetzt erweitern. Es gibt noch viele andere Claudius-Gedichte, die es zu vertonen lohnt. Sagte sich Jan Simowitsch, Kirchenmusiker in Bad Segeberg, nahm das Unterfangen in Angriff und brachte das Ergebnis aufs Notenpapier. So werden am 11.Oktober Uraufführungen zu hören sein: Gedichte von Claudius in noch nie gehörter Form. Vorgetragen vom Chor jener Kirche, das als einziges historisches Bauwerk schon zu Lebzeiten von Claudius in dessen Geburtsort Reinfeld stand.

„Erhalten ist auch der Pastoratsgarten, in dem Claudius als Kind gespielt hat“, sagt Bernd Prange. Reinfelder. 77 Jahre alt. „Aber mit Claudius beschäftige ich mich eigentlich schon mein ganzes Leben.“ Dabei war er Leiter des Rechnungswesens eines Ölkonzerns. Prange: „Ganz schöner Kontrast.“ Claudius hat ihn nie losgelassen.

So führt Bernd Prange die Besucher durch Reinfeld und zeigt an 15 historischen Stationen auch die Spuren des Dichters. Das Geburtshaus gibt es nicht mehr, aber das neue Pastorat steht an derselben Stelle. Und der Pastoratsgarten wird aus Anlass des Jubiläums am 11.Juli das erste Mal dem Publikum geöffnet.

Claudius-Picknick ist angesagt. Und ein Kuchenbüfett der Landfrauen. Möglicherweise wird auch Claudius-Kuchen gereicht. Pastorin Duncker hat auf jeden Fall schon mal einen gebacken. Mit Schokoladenüberzug und einem Mond aus Marzipan. Zum Jubiläum wird ein regelrechter Kuchenwettbewerb ausgetragen, der am 16. August nach dem Familiengottesdienst startet. Mit oder ohne Mond. Mit oder ohne Claudius-Texten. Fantasie ist gefragt. „Der Preis ---steht noch nicht fest“, sagt Pastorin Duncker mit munterem Unterton. „Ich baue auf den Handel und darauf, dass wir einen Gutschein bekommen.“

Mit rund 25 Veranstaltungen von Januar bis Dezember feiert Reinfeld die wohl größte Claudius-Geburtstagsparty. Dabei wäre es fast nicht dazu gekommen. „Ich führe die Besucher auch an den Herrenteich“, sagt Bernd Prange. „Claudius wäre hier als Kind beinahe ertrunken. Es war eher ein Zufall, dass sein jüngerer Bruder ihn rettete.“ Ein äußerst glücklicher Zufall.