9500-Kilowatt-Motor entsteht direkt neben der Müllverbrennungsanlage. Was sagt das über deren Zukunft aus?

Stapelfeld. Der Energiekonzern E.on Hanse will in Stapelfeld das größte Blockheizkraftwerk Norddeutschlands bauen, etwa fünfmal so leistungsfähig wie die meisten anderen Anlagen. „Sein mehr als 9500 Kilowatt starker Gasmotor wird pro Jahr ungefähr 76 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen“, sagt Unternehmenssprecher Ove Struck und rechnet vor: Etwa 21.500 Haushalte verbrauchten diese Menge. Oder eine Waschmaschine, die 95 Millionen Mal im 60-Grad-Programm laufe. Zusätzlich soll das neue Kraftwerk 80 Millionen Kilowattstunden Wärme produzieren – genug, um die Heizungen in schätzungsweise 6000 Haushalten heiß werden zu lassen.

Im März kommenden Jahres soll Baubeginn sein. Für das 6,8-Millionen-Euro-Projekt haben sich die Verantwortlichen bei E.on Hanse eine bislang als Parkplatz genutzte Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft der Müllverbrennungsanlage (MVA) ausgeguckt. Dieser Standort ist nach Strucks Worten ideal: „Wir brauchen für unser Blockheizkraftwerk Anschluss an bestehende Netzstrukturen.“ Den bietet die MVA in der Tat: Ihre Öfen speisen seit Inbetriebnahme 1979 ein Fernwärmenetz, an das viele Firmen und Haushalte in Stapelfeld und im Nordosten Hamburgs angeschlossen sind.

So pragmatisch die Begründung für die Wahl des Standortes klingt, so bemerkenswert ist die daraus resultierende Koexistenz. Erst im April hat E.on seine Müllverbrennungssparte, zu der auch Stapelfeld gehört, mehrheitlich in neue Hände gegeben. Seitdem hält der schwedische Finanzinvestor EQT 51 Prozent an der ehemaligen Tochtergesellschaft Energy from Waste (EEW). Im Ergebnis baut E.on Hanse sein Blockheizkraftwerk also direkt neben einer Anlage, die bis vor Kurzem zum selben Mutterkonzern gehörte, nun aber quasi Mitbewerber ist.

Ein Mitbewerber mit im Übrigen ungewisser Zukunft. Wie berichtet, wird seit Längerem darüber spekuliert, dass die betagten Müllöfen zum 31. Dezember 2016 abgeschaltet werden könnten. Denn seitdem die beiden bisherigen Großlieferanten Abfallwirtschaft Südholstein und Hamburger Stadtreinigung ihre Verträge mit der MVA zu eben jenem Datum fristgerecht gekündigt haben, ist nach heutigem Stand der Dinge unklar, was ab Jahresbeginn 2017 in Stapelfeld verfeuert werden könnte. Dieser Umstand hat bislang vor allem die Nutznießer der Fernwärme mit Sorge erfüllt.

Deren Versorgung scheint nun langfristig gesichert zu sein. Doch welches Signal geht von dem geplanten Bau des Blockheizkraftwerks aus? Ist die Abwicklung der MVA nun endgültig sicher? Kürzlich erst, in der Phase des Eigentümerwechsels, hatte EEW-Vorstandschef Carsten Stäblein im Abendblatt-Interview noch in Erwägung gezogen, den Betrieb in Stapelfeld über das Jahresende 2016 hinaus aufrechtzuerhalten – „für einen Zeitraum X“ und notfalls, wenn es sonst nichts mehr zu verbrennen geben sollten, mit aus dem Ausland importiertem Müll.

Norbert Leinius, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), ist von der aktuellen Entwicklung jedenfalls sehr angetan. „Jetzt läuft alles in die richtige Richtung“, sagt er, der bereits in der Vergangenheit betont hat: „Wenn Müll aus dem Ausland in Stapelfeld verbrannt wird, kann das nicht in unserem Sinn sein.“ Es sei erfreulich, sagt Leinius nun, dass die Energie- und Wärmeversorgung in der Region jetzt auch ohne diese Option gesichert sei. Er kann sich Stapelfeld offenbar sehr gut ohne die Müllverbrennungsanlage vorstellen. Dazu hat Stormarns Wirtschaftsförderer unlängst gesagt, er würde gern mehr aus dem Standort machen. „Das ist ein hervorragendes Gelände. Ich hätte richtig Spaß daran, dort etwas Tolles zu entwickeln.“

Im Hause E.on Hanse reagiert Sprecher Ove Struck dagegen sehr zurückhaltend auf die Frage, ob das neue Blockheizkraftwerk als Ersatz für die Müllverbrennungsanlage geplant sei. Tenor: Zur Zukunft der Müllverbrennungsanlage könne er nichts sagen. EEW scheint dagegen entschlossen, die Müllöfen auch über den Jahreswechsel 2016/2017 hinaus weiter betreiben zu wollen. „Wir werden uns an den kommenden Ausschreibungen für die Abfallentsorgung in der Region beteiligen“, sagt er. Im Engagement E.on Hanses sehe er keine Konkurrenz, sondern „eine Ergänzung der Leistungsfähigkeit des Fernwärmenetzes“.

Im direkten Vergleich mit der Müllverbrennungsanlage wird das neue Blockheizkraftwerk eher unauffälig erscheinen. Die Außenmaße von 36 mal 18 mal 13 Meter entsprechen denen einer großen Turnhalle. Ungefähr so werde das Gebäude von außen auch aussehen, sagt Ove Struck. Nach E.on-Angaben wird die Anlage einen Wirkungsgrad von 90 Grad erzielen. Verglichen mit Kohlekraftwerk und Heizölkessel verbrauche es 35 Prozent weniger Rohstoffe und spare 60 Prozent Kohlendioxid.