Das Hamburger Abendblatt stellt zehn Wochenmärkte in Stormarn auf den Prüfstand. Ist die Auswahl groß genug? Wie ist die Atmosphäre? Auch der Dehoga-Kreisvorsitzende Axel Strehl bewertet mit

Reinfeld. Auf den Satz "Das habe ich vom Großmarkt" wartet man bei Christa Knüppel vergebens. Auf ihrem Ladentisch reihen sich rund 50 Marmeladengläser dicht aneinander: Himbeer, Blaubeer, Heidelbeer und noch weitere Sorten - alles selbst gemacht. Die Früchte pflückt die Rentnerin direkt in ihrem Garten und verarbeitet sie später weiter zu Konfitüren und Gelees. Goldgelber Honig in Gläsern und Eier, die die 67-Jährige jetzt aus ihrem grünen Kombi hebt, stammen ebenfalls aus eigener Herstellung.

So wie Christa Knüppel vertrauen auch viele andere Reinfelder Marktbeschicker auf selbst produzierte Waren oder auf regionale Produkte. "Man muss als Verkäufer ganz nah an der Ware dran sein", sagt Jürgen Wulff. Der Marktbeschicker setzt auf Bioprodukte und verkauft Gemüse-, Fleisch- und Milchwaren. "Süße Sahne für die süße Frau Degenhardt", sagt Wulff und reicht der Rentnerin die Sahne über die Ladentheke. Der Lübecker kennt seine Kunden mittlerweile fast alle beim Namen. Die 87-Jährige greift beherzt zu. "Die kenne ich schon von früher. Die schmeckt mir", sagt die Reinfelderin. Denn sie sei "eine richtige Biotante." Bevor sie geht, weist Wulff seine Stammkundin noch darauf hin, dass er in zwei Wochen nicht auf dem Markt verkauft. "Denken Sie dran, da bin ich im Urlaub", sagt der 43-Jährige. Dass der Reinfelder Markt im Vergleich zu anderen Stormarner Märkten kleiner ist, stört den Marktbeschicker nicht. "Bei großen Märkten habe ich zwar mehr Laufkundschaft, aber dafür auch mehr Konkurrenz. Hier mache ich genauso guten Umsatz, und die Atmosphäre ist dazu noch sehr nett."

Karpfen aus Reinfeld werden in der kalten Jahreszeit angeboten

Diese Meinung teilt Blumenhändlerin Julia Schlüter. Während sie an ihrem mobilen Blumenstand steht, bindet die 31-Jährige Sträuße aus rosafarbenen Hortensien zusammen. "Jeder Markt, bei dem ich verkaufe, ist anders", sagt die Ammersbekerin. Die Reinfelder wollen vor allem selbst Hand anlegen: "Viele Kunden kaufen einzelne Schnittblumen, um sie später dann selbst zusammenzubinden", sagt Schlüter. Das Konzept des Reinfelder Wochenmarktes gefällt auch Axel Strehl, dem Kreisvorsitzenden des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). "Dadurch, dass viele Marktbeschicker die angebotenen Produkte selbst produzieren oder aus der Region kaufen, ist die Ware besonders frisch", sagt der Markt-Tester.

Auf regionale Produkte vertraut auch Sonja Lauschke. So ist für die Fischhändlerin klar, dass sie an ihrem Stand Karpfen aus Reinfeld anbietet. "Von November bis Januar kann man bei uns die Fische aus der Karpfenstadt kaufen", sagt die 47-Jährige. Doch die Kunden für den früher so begehrten Fisch werden weniger: "Die ältere Generation serviert noch Karpfen zum Weihnachtsfest.

Aber die jungen Leute scheuen sich vor der Zubereitung" sagt Sonja Lauschke. Schon ihre Eltern verkauften Fische sowie selbst gemachte Salate auf dem Reinfelder Wochenmarkt. Seit mehr als 45 Jahren zählen die Lauschkes zu den Stammhändlern, Sonja Lauschke arbeitet selbst seit 25 Jahren mit. Inzwischen packt schon die dritte Generation mit an. "Ich bin stolz darauf, wie lange meine Familie schon verkauft", sagt die Marktbeschickerin. Früher als sie mit der Arbeit anfing, habe sie das nicht so gesehen.

Lauschkes Fischhandel ist nicht der einzige Familienbetrieb auf dem Reinfelder Wochenmarkt. Direkt gegenüber verkauft Familie Kob-Kramer Gemüse. In ein paar Jahren wird Sohn Daniel den Stand seiner Eltern Gerwin und Christine übernehmen. "Das Schöne an der Arbeit auf dem Markt ist, dass mich die meisten Kunden kennen", sagt der 30-Jährige.

So herrscht auch um den Gemüsestand der Kob-Kramers herum eine familiäre Atmosphäre: Zwischen Selleriestangen und Paprika zeigt man sich gegenseitig Urlaubsfotos. Auch der Textilienhändler Komar Pinky aus Bargteheide bekommt Unterstützung von seiner Familie. "Alle helfen mit, sonst würde die Arbeit auf dem Markt gar nicht funktionieren", sagt der Marktbeschicker.

Familien arbeiten auf dem Reinfelder Wochenmarkt eng zusammen

Jeder dieser Stände hat schon größere und kleinere Jubiläen auf dem Reinfelder Wochenmarkt gefeiert. Der nächste Familienbetrieb bahnt sich bei der Landfleischerei Dührkop an, wie Marktbeschickerin Tanja Kähler verrät und dabei mit der rechten Hand auf ihren Kollegen André Semrau deutet: "Das ist mein Nachbar. Der hat sich die Tochter vom Chef geangelt", sagt die 42-Jährige Lasbekerin. "Der muss jetzt auch hier arbeiten." Die Stimmung am Schlachterstand ist ausgelassen.

Im Hintergrund ist leise Geigen- und Akkordeon-Musik zu hören. Christo und Evgeni Chakarov spielen seit wenigen Wochen in der Nähe des Reinfelder Marktes. Die Brüder wohnen mehrere Kilometer entfernt voneinander und treffen sich hier, um gemeinsam zu musizieren.

Käse, Fleisch, Gemüse, Kuchen, für fast jeden Geschmack bietet der Reinfelder Wochenmarkt einen Stand. Doch Wurst-Liebhaber kommen auf dem Reinfelder Marktplatz bislang nicht auf ihre Kosten: Ein Imbiss fehlt. Das bemängelt auch Axel Strehl: "Ein Imbisstand hat eine wichtige Funktion auf dem Wochenmarkt", sagt der Markt-Tester. "In Reinfeld fehlt so der Kommunikationspunkt." Auch Brotverkäuferin Martina Afheldt sagt: "Wir Marktbeschicker möchten, dass genügend Angebote für die Kunden vorhanden sind, aber für einen Imbiss ist dieser Wochenmarkt wohl zu klein."

Die Kunden hört man dafür an anderen Ständen klönen, wie zum Beispiel am Stand von Christa Knüppel. "Meine Frau will nicht, dass ich Eier brate, weil ich dann immer die Pfanne dreckig mache", erzählt ein älterer Kunde der Rentnerin. "Aber heute ist sie nicht da, da brate ich mir gleich zwei Stück!" Die Marktbeschickerin erkundigt sich nach seiner Frau, dann reicht sie ihrem Kunden einen Karton mit Eiern über den Ladentisch. "Solche Geschichten hört man nur auf dem Wochenmarkt", sagt Christa Knüppel und lächelt.

Alle Folgen der Wochenmarkt-Serie finden Sie auf www.abendblatt.de/stormarn