“Operation Gomorrha“ vor 70 Jahren löst Umzug der Kreisverwaltung Stormarn von Wandsbek nach Bad Oldesloe aus.

Bad Oldesloe . Der Stormarner Landrat Joachim von Bonin (Amtszeit: 1894-1918) wusste, was er wollte: bloß nicht nach Bad Oldesloe. In Wandsbek befanden sich, traditionell bedingt, nicht nur die Landrats-Villa, sondern seit 1873 auch die Kreisverwaltung von Stormarn. Umzugsplänen erteilte der Adlige, Mitglied der Freikonservativen Partei, stets eine Absage. "Man hatte sich in Wandsbek eingerichtet und befürchtete mit einem Umzug den privaten Verlust kultureller Möglichkeiten", sagt die Historikerin Barbara Günther.

Die Verwaltungszentrale Stormarns blieb selbst dann noch in Wandsbek, als dieser Teil Hamburgs im Jahr 1901 ein eigener Stadtkreis wurde. Mehr noch: 1923 übernahmen die Beamten jenen Neubau des Hamburger Architekten Fritz Höger (1877-1949), der als "Stormarnhaus" in die Geschichte einging. Natürlich befand sich das Gebäude in Wandsbek - dort, wo heute das Bezirksamt steht.

Doch ausgerechnet die verheerenden Bombenangriffe der Alliierten vor 70 Jahren auf die Hansestadt stellten die Behörden vor vollendete Tatsachen. Und beschleunigten den Umzug der Verwaltung dorthin, wo sich seit eh und je stormarnsches Leben abspielt. Bei der "Operation Gomorrha", die am 25. Juli 1943 begann und am 3.August ihr infernalisches Ende fand, wurde auch das Stormarnhaus vernichtet. Der NS-Staat sah sich deshalb gezwungen, einen neuen Standort zu suchen. "Nun wurde das realisiert, was eines Tages doch noch erfolgt wäre - der Umzug des Hauptamtes mit dem Landrat nach Bad Oldesloe", sagt die Hamburgerin Historikerin Günther, die Projekte für das Kreisarchiv Stormarn erarbeitet.

Es war eine der Angriffswellen im Juli 1943, bei der ein tödlicher Mix aus Luftminen, Spreng-, Phosphor- und Stabbrandbomben auch Wandsbek in Schutt und Asche legte. Weil der Angriff nachts erfolgte und deshalb die Büros unbesetzt waren, gab es im Stormarnhaus zum Glück keine Toten. Hausmeister Friedrich Kildentoft konnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. "Mit seiner Familie bewohnte er eine Dienstwohnung im rückwärtigen Anbau hinter dem Landratsamt", sagt der frühere Leiter des Kreisarchivs Stormarn, Johannes Spallek. Nach dem "Feuersturm" machte Kildentoft Fotos von den Zerstörungen, die inzwischen zu eindrucksvollen Dokumenten der regionalen Geschichte gehören. Vor zehn Jahren gingen sie in den Bestand des Kreisarchivs über.

Mit dem Umzug des Haupt- und Landratsamtes nach Bad Oldesloe, des Bauamtes nach Bargteheide sowie weiterer Büros nach Ahrensburg beauftragte die NS-Diktatur Ritterkreuzträger Rolf Carls (1885-1945). Der gelernte U-Boot-Kommandant stieg im Zweiten Weltkrieg zum Generaladmiral auf. Eigentlich hätte er sogar Oberbefehlshaber der Kriegsmarine werden können. Doch Hitler entschied sich für Karl Dönitz. Nach der ehrenvollen Entlassung aus dem aktiven Militärdienst trat Rolf Carls seine neue Funktion als kommissarischer Landrat des Landkreises Stormarn an.

Kaum hatte er das Amt im Mai 1943 übernommen, brach der "Feuersturm" über der Hansestadt los. Nach der Zerstörung erfolgte schließlich 1944 der Umzug nach Bad Oldesloe. Noch provisorisch war die Kreisverwaltung in Baracken untergebracht.

Für Carls endete der Umzug in die heutige Kreisstadt allerdings tödlich: Als 300 alliierte Bomber am 24. April 1945 ihre Munition abwarfen, kam der Landrat im Keller einer Schule ums Leben. Insgesamt starben bei diesem Angriff zwei Wochen vor Kriegsende mehr als 700 Menschen. Auch die Baracken wurden fast vollständig zerstört. Hausmeister Friedrich Kildentoft hatte mit seiner Familie Schutz im Fahrradkeller der Kreisberufsschule gesucht - und überlebte. Nach dem Angriff auf Bad Oldesloe 1945 machte er weitere Fotos von der Zerstörung der Oldesloer Kreisverwaltung. 2003 stellte sein Sohn Uwe die historischen Dokumente dem Kreisarchiv zur Verfügung.

Im Oktober 1949 entschieden die demokratisch gewählten Kreistagsabgeordneten, dass Bad Oldesloe - und nicht Ahrensburg - Verwaltungssitz des Kreises Stormarn wird. 1952 konnten schließlich die ersten beiden Bauabschnitte der neuen Kreisverwaltung vollendet werden. Durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus Hamburg und Vertriebenen hatte sich die Einwohnerzahl bis 1945 verdoppelt, sagt Johannes Spallek. Auch danach kletterte sie kontinuierlich nach oben: 1972 wohnten in Stormarn 163.000 Einwohner. Inzwischen sind es 233.000. Und die Verwaltung ist längst nicht mehr in Baracken untergebracht, sondern in einem 1952 erbauten Gebäudekomplex.