... werden auch die Stormini-Bewohner müde - wenn auch nicht immer sofort. Eine Reportage aus dem Zeltlager

Ahrensburg. Maria nimmt ihren Kuschelhund in die Arme und lässt sich mit schon geschlossenen Augen auf ihr Feldbett fallen. "Der tröstet mich, wenn ich mal Heimweh habe", sagt die Neunjährige. Zusammen mit acht anderen Mädchen schläft sie im Zelt der Wilden Hühner. Aber noch ist gar keine Schlafenszeit. "Du hast gar nicht deine Klamotten aufgeräumt!", sagt Zeltbetreuerin Hannah, 16. "Aufräumen ist blöd", kommt es unterstützend aus der anderen Ecke des Zeltes von Leni-Marie, 9. Die ist noch hellwach. "Kann ich mir noch Popcorn holen?", fragt sie. Zeltbetreuerin Luca, 16, kommt mit Frieda, 9, an der Hand ins Zelt. "Wir lesen doch jetzt gleich vor", sagt sie zu Leni-Marie, die eine kleine Schnute zieht.

Zeltbetreuerin Hannah sitzt schon auf einer Holzpalette und hält ein gelbes Buch in der Hand. "Wir lesen abends immer ein Kapitel von den ,Wilden Hühnern'", sagt Frieda. "Also, von den Echten." Leiser Regen prasselt auf die Zeltplane, unter der sich die Mädchen in ihre Betten kuscheln. Draußen auf der Bühne singt die Betreuer-Band: "Ich hab noch niemals so gefroren wie in Stormi-hi-hi-hi-ni". Während die Wilden Hühner, eingekuschelt in Decken und Schlafsäcke, gebannt der Geschichte lauschen, ist das Zelt der Wilden Kerle schräg gegenüber noch leer. "Die rennen wieder irgendwo 'rum", sagt Zeltbetreuer Marco. "Es ist gut, wenn sie sich austoben."

Vor den offenen Waschbecken herrscht kurz vor Ausstrahlung der allabendlichen Sendung "Guten Abend Stormini" Hochbetrieb. "Draußen Zähneputzen ist voll cool", sagt Mathilda, 9, mit schaumweißem Mund. "Kaltes Wasser reicht doch dafür." Als die Wilden Hühner ankommen, ist kein freier Platz mehr zu finden. Die Zahnbürste schon im Mund und das Handtuch unter den Armen suchen sie einen freien Waschraum. Hinter ihnen singen ein paar Jungen: "Stormini ist die schönste Stadt! Stormini, da geht die Party ab!"

Mit Polonaisen und Gesängen ziehen alle Stormini-Bürger um 21.30 Uhr in die Turnhalle ein. "Drei, zwei, eins, los!" zählen sie gemeinsam herunter. Mit dramatischer Musik beginnt "Guten Abend Stormini". Die Sendung wird täglich von den Fernsehleuten während der Arbeitszeit produziert. Sie drehen Interviews mit Betreuern und schauen in verschiedene Berufe hinein. Dazu kommen Reportagen, wie zum Beispiel aus den Katakomben des "Badlantic".

Am meisten Reaktionen ruft der Beitrag zum "Kaugummi-Skandal" hervor: Ein paar der Teamer sind mit Kaugummis erwischt worden. Schließlich ist der Ober-Dealer ausfindig gemacht und der Reporter kassiert seine Kaugummis ein. Lautes Lachen erschallt, als der verzweifelte Teamer versucht, den Reporter mit Kugelschreibern, Klebezetteln und schließlich mit allem, was seine Taschen hergeben, zu bestechen. Ohne Erfolg.

Es ist immer noch recht hell, als die Schlafanzug-Schar von Stormini-Bürgern über den feuchten Rasen zurück zu den Zelten schlurft. Maria darf sich auf Hannahs Rücken tragen lassen. "Mit der Zeit werden sie immer schmusiger", sagt die Betreuerin. Sie war schon bei allen Storminis dabei, "Die ersten drei Jahre war ich selbst Bürger, danach dann immer Zeltbetreuerin. Mir gefällt es einfach so gut hier."

Die Wilden Kerle liegen schon fast alle in ihren Feldbetten. Nur Parlamentarier David kommt später, weil er noch zu einer Sondersitzung berufen wurde. Zeltbetreuer Lennard sagt: "Die sind eigentlich alle entspannt und pflegeleicht. So wild sind die Wilden Kerle gar nicht." Niko, 13, fährt aus einem Deckenberg hoch: "Sind wir wohl!", protestiert er. "Wenn Lennard mich morgens wecken will, dann bin ich sogar fuchsteufelswild." Niko ist der Älteste im Zelt der Wilden Kerle - und dazu der beste Schläfer. " Den kriegt man nicht wach", sagt Johannes, 9. "Und abends schläft er immer als Erster." Durch die dünnen Planenwände hört man Rufen und Gezanke. "Das sind die Elefanten", sagt Marco, der auch Zeltbetreuer ist, und stöhnt. "Die sind immer superlaut." David kommt herein. Er trägt sein weißes Parlament-Shirt. "Das war vielleicht eine anstrengende Sitzung", sagt er und fällt noch angezogen auf seinen Schlafsack. Bevor die Wilden Kerle einschlafen, brüllen sie noch einmal ihren Zeltspruch in die Nacht: "Stormini ist gut, solange wir wild sind!"

Die Vögel haben aufgehört zu tschilpen, manchmal schallt das Krächzen einer Krähe über die Zelte. Dunkelheit sinkt langsam herab und das Licht im Zelt der Nachtwächter leuchtet auf. Finn, 19, und Lena, 20, ziehen sich dicke Jacken mit Kapuzen gegen den nicht aufhörenden Nieselregen und die Kälte über und knipsen ihre Leuchten an. Die beiden sind Nachtwächter. Von 22 Uhr bis um 7.30 Uhr morgens haben die beiden Dienst. "Dann wollen wir doch mal sehen, wer heute Radau macht", sagt Finn und geht voran durch die Zeltreihen. "Ganz schön ruhig heute", sagt Lena. "In den ersten Nächten waren sie nicht müde zu kriegen. Aber ab Mittwoch hat auch der größte Rabauke um zehn Uhr friedlich geschlummert."

Aus dem Zelt der Jäger hört man gedämpftes Lachen, dann flucht jemand. "Hey, Ruhe dadrin!", sagt Finn und steckt seinen Kopf durch die Zelttür. "Sonst verpasst ihr morgen wieder das Frühstück." Schließlich ist alles ruhig. Finn und Lena gehen zurück zum Zelt der Nachtwache. Dort stehen zwei Pritschen. "Eigentlich sollen wir natürlich wach bleiben. Aber wenn gar nichts los ist, machen wir auch mal ein kleines Nickerchen", sagt sie und macht es sich auf einer der Pritschen gemütlich. Um 23 Uhr ist es dann endlich dunkel. Julian, 18, sagt: "Das ist das Blöde am Sommer: Wenn es zur Schlafenszeit noch so lange hell ist, werden die Kinder nicht müde." In kleinen Grüppchen stehen die Betreuer vor den Zelten und unterhalten sich flüsternd. Die meisten haben heisere Stimmen. "Abends kann ich oft kaum noch reden", sagt Dana.

Außer den Nachtwächtern gibt es zwei Wachdienste. Viola, die ihren Nachnamen und Beruf nicht nennen möchte, und Rainer Fischer haben sich Urlaub genommen, um nachts ehrenamtlich darauf aufzupassen, dass keiner von den Kindern ausreißt und sich niemand Unbefugtes in die Kinderstadt schleicht.

"Ich möchte auch einen Beitrag leisten zu Stormini. Und die Nachtwache ist sehr wichtig", sagt Viola. Sie trägt eine schwarze Wollmütze und eine dicke Jacke. "Mir macht es auch Spaß. Viele von den Teamern sind noch unterwegs und dann erzählen sie mir, was tagsüber so los war." Rainer Fischer, der normalerweise tagsüber als selbstständiger Kaufmann arbeitet, nickt. "Man muss sich einbringen für die Jugend. Und ich habe eh die Altersschlaflosigkeit", sagt er und lacht leise.