Zum Weltnichtrauchertag hat sich Abendblatt-Mitarbeiterin Verena Künstner in der Lungenklinik Großhansdorf untersuchen lassen - und das mit Konsequenzen.

Erst mal eine rauchen!" Wie ein Reflex schießt dieser Gedanke durch meinen Kopf, nachdem ich den Auftrag bekommen habe, anlässlich des Weltnichtrauchertages 2013 einen Artikel zu schreiben. Sollte an dieser Stelle nicht besser ein militanter Zigaretten-Verweigerer zu Wort kommen? frage ich mich - ahne aber schon, dass ich mich nur nicht mit dem Thema auseinandersetzen möchte. Ich weiß nämlich, dass Rauchen meiner Gesundheit schadet. Außerdem kostet es viel Geld. Und es stinkt. Drei wirklich gute Gründe, die Kippen endgültig in den Müll zu werfen. Doch da sitzt dieser kleine, rußgeschwärzte Teufel auf meiner Schulter, der mir immer wieder galant Feuer gibt.

Er verspricht mir Entspannung in stressigen Situationen, Geselligkeit in fröhlicher Runde, Unterstützung bei schwierigen Aufgaben. Das Vertrackte ist, dass er all diese Versprechen auch erfüllt. Jedenfalls empfinde ich es so. Kurzum: Ich bin süchtig. Zum Interviewtermin in der LungenClinic Großhansdorf lasse ich die Zigarettenschachtel aber bewusst zu Hause. Ich würde mich damit unwohl fühlen an einem Ort, an dem die negativen Auswirkungen des Rauchens so deutlich sichtbar sind. Die international anerkannte Fachklinik am Wöhrendamm hat sich auf die Behandlung von sämtlichen Erkrankungen der Lunge und Atemwege spezialisiert. Als erstes Zentrum in Schleswig-Holstein/Hamburg trägt die LungenClinic seit September 2012 das Prädikat "Lungenkrebszentrum". Eine Auszeichnung, die die Deutsche Krebsgesellschaft ausschließlich Krankenhäusern verleiht, die höchste Qualitätsstandards erfüllen. Jährlich werden in Großhansdorf rund 12000 Patienten stationär und ambulant behandelt. Darunter eine Vielzahl, die an den Folgeerkrankungen des Rauchens leidet.

Prof. Dr. Klaus Rabe, seit Oktober 2010 Ärztlicher Direktor des Krankenhauses: "Wir haben jedes Jahr mehr als 1000 neue Fälle von Lungenkrebs." Da ist es, dieses Wort, das kein Raucher gerne hört. Selbst wer sich noch nie näher mit der Krankheit auseinandergesetzt hat, weiß: Dieser Krebs ist besonders böse, die Überlebenschancen sind gering. "Wir verstehen den Lungenkrebs und seine Zellmechanismen zwar immer besser und können dadurch bei manchen Formen neue Heilmethoden einsetzen", so Prof. Dr. Rabe. "Hat der Tumor jedoch gestreut oder tritt er in Verbindung mit einer chronischen Lungenerkrankung auf, ist die Prognose weiterhin extrem schlecht." Im schlimmsten Fall sterben die Betroffenen innerhalb weniger Monate. Das sogenannte Lungen- oder Bronchialkarzinom lässt sich bei 85 Prozent der Erkrankten auf das Rauchen zurückführen. Ein zu hoher Anteil, als dass man den Zusammenhang zwischen Kippe und Krebs leugnen könnte. Das hatte ich auch nie vor. Wirklich. Ich habe es mir aber auch noch nie so intensiv bewusst gemacht.

Bestimmt hat ein Mediziner wie Prof. Rabe, der sich nicht nur als Chefarzt in der LungenClinic Großhansdorf, sondern auch auf europäischer Ebene aktiv für die Lungengesundheit engagiert, noch nie eine Zigarette in der Hand gehabt. "Falsch, als Student habe ich auch geraucht. Obwohl ich Asthma habe. Erst, als meine Kinder geboren wurden, habe ich damit aufgehört", gibt der 55-Jährige zu. Dieses Geständnis tut irgendwie gut.

Mir sitzt also kein Heiliger gegenüber, sondern ein normaler Mensch, der seine Sucht in den Griff bekommen hat. Seit Rabe sich beruflich ganz und gar der Lunge - seinem "Lieblingsorgan" - widmet, erlebt er täglich, wie verheerend die gesundheitlichen Folgen sind. "Rauchen tötet Menschen. So einfach ist das."

Während die absolute Zahl der Rauchenden langsam abnimmt, erhöht sich der Anteil der Raucherinnen in unserem Land. Ebenso ist nachgewiesen, dass erwerbslose Menschen und jene mit geringem Bildungsstand häufiger rauchen als andere. Heißt das übersetzt, es rauchen vor allem diejenigen, die dumm und arm sind? Bevor ich mich fragen kann, was davon am ehesten auf mich zutrifft, lerne ich eine weitere, gefährliche Folge des Rauchens kennen: die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD (von der englischen Bezeichnung chronic obstructive pulmonary disease). Darunter werden mehrere Krankheiten zusammengefasst, die alle dieselben Symptome zeigen: Husten, Auswurf, Atemnot. Das Inhalieren von Zigarettenrauch und anderen Schadstoffen löst dauerhafte Entzündungen aus, die die Schleimbildung erhöhen und gleichzeitig die Atemwege verengen.

Evelyne Moritz aus Kiel leidet an dieser chronischen Lungenerkrankung. Ich treffe mich mit ihr in Raum 807, ihrem Zimmer im achten Stock der LungenClinic. Ein durchsichtiger Schlauch unter der Nase führt der 66-Jährigen Sauerstoff zu, das Sauerstoffgerät auf dem Rollator ist der ständige Begleiter der Kielerin. Wie bei 90 Prozent der COPD-Betroffenen ist auch bei ihr das Rauchen Schuld. "Wenn man so will, habe ich mir diese Krankheit hart erarbeitet. Anderthalb Schachteln habe ich am Tag geraucht, und das fast 40 Jahre lang", erzählt die ehemalige Lehrerin für Englisch und Französisch. Mit 16 hat sie das erste Mal gepafft, ab 18 dann regelmäßig zur Zigarette gegriffen. "Vor zehn, fünfzehn Jahren habe ich zwar gemerkt, dass ich immer schneller aus der Puste komme. Außerdem hatte ich häufig eine Bronchitis." Geraucht hat sie trotzdem weiterhin. Bis Evelyne Moritz im Februar 2007 an Lungenentzündung erkrankte.