Wer will ehrenamtlicher Laienrichter für Strafprozesse werden? Die Bewerbungsfristen für die Wahlperiode von 2014 bis 2018 laufen in Kürze ab.

Ahrensburg. Sie haben kein juristisches Fachwissen und tragen keine Robe - und dennoch fällen sie Urteile und entscheiden darüber, ob ein Mensch ins Gefängnis muss: Schöffen. Sie sind eine wichtige Stütze in der Rechtsprechung, denn sie vertreten das Volk, in dessen Namen jedes Urteil in Deutschland gefällt wird. Die ehrenamtlichen Laienrichter werden dieses Jahr in ganz Deutschland für die Amtszeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 neu gewählt. Auch die Städte und Gemeinden in Stormarn suchen daher Bewerber für das Schöffenamt, in vielen Kommunen laufen derzeit noch die Bewerbungsfristen.

Schöffen kommen in Strafverfahren an Amts- und Landgerichten zum Einsatz. "Sie sorgen für die Verbundenheit der Rechtsprechung mit der Bevölkerung", sagt Ulf Thiele. Er ist Richter am Amtsgericht Ahrensburg und dort für die Schöffenwahl zuständig. "Schöffen bringen ihre Lebenserfahrung ein und sorgen dafür, dass nicht nur Fachjuristen Recht sprechen."

Ein Schöffengericht ist mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt. Bei einer Großen Strafkammer des Landgerichts wirken zwei Schöffen neben drei Berufsrichtern mit. Die ehrenamtlichen Richter sind dabei absolut gleichberechtigt. Sie dürfen während der Verhandlung Fragen stellen und haben bei der Urteilsfindung das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter. Sie können sie sogar überstimmen.

Wer Schöffe werden will, muss sich bei der Gemeinde oder der Stadt bewerben, in der er seinen Wohnsitz hat. Jede Kommune muss entsprechend ihrer Einwohnerzahl eine bestimmte Zahl an Schöffen stellen. Sie erstellt eine Bewerberliste, die von den Gemeindevertretern oder Stadtverordneten beschlossen wird und an das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Kommune liegt, geht. Dort bestimmt ein Schöffenwahlausschuss aus den Listen der Kommunen die Laienrichter. "Die Schöffen sollen einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen, alle Altersgruppen und Berufe sollen vertreten sein", sagt Richter Thiele.

Die Schöffenwahlausschüsse bestimmen die Laienrichter sowohl für ihr Amtsgericht als auch für das übergeordnete Landgericht. Für die beiden Stormarner Amtsgerichte in Ahrensburg und Reinbek ist dieses das Landgericht Lübeck. Wichtig: Bewerber können nicht wählen, ob sie sich für das Amts- oder das Landgericht bewerben. Ebenso wenig, ob sie Haupt- oder Hilfsschöffen werden wollen. Während Hauptschöffen im Voraus zur Teilnahme an einer Verhandlung bestimmt sind, werden die Hilfsschöffen als Vertretung herangezogen, wenn ein Hauptschöffe verhindert ist.

Entscheiden können die Interessenten, ob sie sich als Schöffen oder als Jugendschöffen bewerben. Wer letzteres beim Jugendgericht werden will, soll laut dem Gesetz erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. Bewerbungen werden von den Kommunen an das Jugendamt des Kreises Stormarn weitergeleitet, das eine Vorschlagsliste erstellt.

Wichtig für jeden Bewerber: Das Schöffenamt ist ein Pflicht-Ehrenamt. Wer zum Laienrichter gewählt wird, muss grundsätzlich die volle Wahlperiode zur Verfügung stehen und kann die Berufung zum Schöffen nur im Ausnahmefall ablehnen. So etwa, wenn die Ausübung des Amtes eine besondere Härte bedeutet, weil die wirtschaftliche Lebensgrundlage erheblich beeinträchtigt würde. Bezahlt werden die Schöffen nicht, sie erhalten eine Aufwandsentschädigung von fünf Euro die Stunde für die Dauer der Sitzung, eine Entschädigung für ihren Verdienstausfall und bekommen Fahrtkosten erstattet.

Zu denen, die in Stormarn seit fünf Jahren ehrenamtlich Recht sprechen, gehört Margot Sinning. Die 68-Jährige ist Schöffin am Amtsgericht Ahrensburg. "Das empfinde ich als Bürgerpflicht", sagt sie. "Es ist eine wichtige Sache, als Bürger an der Rechtsprechung mitzuwirken." Zudem sei es vielseitig und spannend. Die Ahrensburgerin ist gelernte Altenpflegerin, war Pflegedienstleiterin und Gutachterin für die Pflegeversicherung und ist nun im Ruhestand. Recht spricht sie auch als ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgericht Schleswig. "Als Schöffin muss man seinen gesunden Menschenverstand einbringen, um die Fälle zu beurteilen." Wichtig seien logisches Denken und etwas Lebenserfahrung."

Aus ihrer Schöffentätigkeit ist ihr vor allem der Fall eines Mitarbeiters des Kreisjugendamtes in Erinnerung geblieben. "Der hatte jahrelang falsche Akten angelegt und sich Geldleistungen des Kreises auf sein Konto überwiesen", erzählt Sinning. "Er hat damit nicht mehr aufhören können." Rund 500.000 Euro habe der Mann ergaunert, bevor seine Aktivitäten aufflogen.

Fälle vom Mord und Totschlag musste Margot Sinning als Schöffin am Amtsgericht nie verhandeln. Solche blieben auch Jörg Sgonina erspart. Der 64 Jahre alte Barsbütteler ist seit dem 1. Januar 2009 Schöffe am Landgericht Lübeck. "Ich wollte staatsbürgerliche Verantwortung übernehmen und meine Lebenserfahrung für die Allgemeinheit einbringen", sagt er. Wer Schöffe sein will, braucht seiner Meinung nach gute Nerven für die mitunter langen Verhandlungstage und muss seine Emotionen kontrollieren können. "Man muss sachlich bleiben und abwägen", sagt Sgonina.

Die Zusammenarbeit mit den Berufsrichtern hat der Barsbütteler bislang als gut empfunden. "Ich habe noch keinen Richter gehabt, der das Schöffenamt abgelehnt hat." Laut Sgonina gibt es auch Richter, die Schöffen als überflüssig und lästig betrachten.

Keine Probleme hatte Laienrichter Sgonina auch mit seinem Arbeitgeber. Er ist seit vergangenem Jahr im Ruhestand, davor war der Biochemiker und Biologe leitender Angestellter in einem Pharmaunternehmen. "Das hatte immer Verständnis für mein Ehrenamt." Zwar ist gesetzlich festgelegt, dass der einzelne Schöffe nicht zu mehr als zwölf Verfahren im Jahr herangezogen wird. Diese können aber sehr unterschiedlich sein. Manche werden nach einer kurzen Sitzung beendet, andere ziehen sich über Wochen. Die Schöffen müssen immer dabei sein und von ihren Arbeitgebern freigestellt werden.

"Ich kann nur jedem empfehlen, Schöffe zu werden, das ist eine schöne Erfahrung", sagt Jörg Sgonina. Wie Margot Sinning bewirbt er sich für die neue Wahlperiode von 2014 bis 2018 erneut als Laienrichter.

Wer es den beiden Stormarnern nachmachen will, sollte sich bei seiner Gemeinde- oder Stadtverwaltung nach einem Bewerbungsformular und der Bewerbungsfrist erkundigen. In Ahrensburg etwa werden Jugendschöffen bis zum 10. April und Schöffen bis zum 10. Juni gesucht, in Bad Oldesloe beide bis zum 5. April. In Bargteheide läuft die Frist für Schöffen bis zum 22. April, in Glinde für Jugendschöffen bis 5. April und für Schöffen bis 30. April. Informationen zum Schöffenamt gibt es auch im Internet auf www.schoeffenwahl.de.